2.|Ich habe mich aufgegeben. Für was?|

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Immer, wenn es dringend ist, ist auf dich kein Verlass.

Dieses Mal ist er nicht anders. Mir bleibt jedoch keine Zeit mich darüber aufzuregen, da sich mein Bauch wieder meldete. Jedoch überkam mich das Gefühl, dass ich erst in das Paket schauen sollte. Meine Intuition verriet mir, dass es etwas wichtiges sein müsste. Es stand aber eins zu eins. Das physische gegen das psychische. Alle sagen, höre auf dein Herz, aber wenn man in so einem Moment ist, ist das gar nicht so einfach. Jetzt mal ehrlich. Ich werde in meinem Denken von den physischen abgelenkt und kann es somit nicht vollends. Aber zum anderen hat sich dieser Gedanke so weit an die Oberfläche gewagt, dass er schon zu berücksichtigen wäre.... Diese Selbstgespräche ich sollte mir mal einen Mitbewohner suchen...
Aishhh... Ok, das hat mir die letzte Kraft geraubt, diese Konversation mit mir selbst.
Nicht empfehlenswert.
Zurück in der Realität, zu welcher ich von einem Bauchknurren hergeholt wurde, was denn sonst, ging ich erstmal in mein Zimmer um mich fertig zu machen und mein Verlangen nach etwas essbaren zu reduzieren.

Die Jacke über meine Schulter werfend entschied ich mich doch dazu in die Kiste zu schauen. Mein Entdeckergeist hat nicht locker gelassen.
Unwissend ging ich zu meiner Besteck Schublade und griff nach einem Messer. Mit diesem in der Hand, steuerte ich wieder mein Ziel an. Vorsichtig, um nichts kaputt zu machen, schnitt ich das braune Klebeband auf. Nur paar Sekunden später konnte ich es schon öffnen. Wie ein Baby, welches das erste mal Kartoffelbrei isst, tastete ich mich an den Inhalt heran. Sogar meine Kuriosität war genau so. Die vier Pappstücke nach außen klappend, schaute ich hinein.
Das erste was mir auffiel war ein Foto.
Mein Foto.
Aber nicht ich alleine. Ich legte es schnell heraus und kramte weiter. Viele voll geschriebene Papiere lagen jetzt verteilt auf dem Küchentisch. Auf dem Stuhl neben mir saß ein Kuscheltier, um meinen Hals eine feine silberne Kette. Auf dem Boden leer Taschentücherpackungen und unzählige gebrauchte Taschentücher. Eine Stunde verging in welcher ich durch die Kiste gewühlt habe. Tausende Bilder gingen mir durch den Kopf und weitere hielt ich in meiner Hand.
Mein Leben war nur eine Lüge.
Eine verdammt große und schwere Lüge, die mich in diesem Moment sprachlos gemacht hat. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, gar realisieren was gerade geschehen ist.
An die Zukunft habe ich erst recht nicht gedacht. Sowas sitzt tief und stellt das ganze Leben um. Lässt einen alles, wirklich alles hinterfragen. Aber nicht in diesem Moment. Alles ist zu frisch. Zu schmerzhaft. Nicht real. Man denkt, dass es nur ein Streich des Gehirnes sein und man eigentlich unter seiner Decke im warmen Bett liegt.
Aber es war nicht so. Es war real.
Es ist real.

Ich musste meinen Kopf frei bekommen. Da war es mir recht, dass ich gerade zum Einkaufen gehen wollte. Ich würde alles sacken lassen und vielleicht würde mir der volle Magen die schwer zu verdauende Info leichter verdaubar machen.
So zog ich meine braunen Oxfordschuhe an und schnappte nur noch beim vorbeigehen meine Schlüssel und ein bisschen Geld.
Der Laden war nicht weit, also brauchte ich mein Handy und mein Portemonnaie nicht.
Den ersten Fuß in die frische Luft setzend überkam mich ein schauer. Gefolgt von einem Gefühl der Freiheit. Der kalte Oktoberwind lies die Blätter umher wirbeln. Ich ging geradeaus. Einfach der Nase nach. Und war vertieft, vertieft in meine Gedanken. Die ich immernoch nicht klar ausdrücken konnte. Als ich die Straße überqueren wollte, wurde ich von einer weiblichen und erfahren klingenden Stimme aufgehalten:" Junge Dame passen sie auf! Die Ampel ist rot und wir sind hier in Seoul"
Erschrocken weiteten sich meine Augen und ich war wieder im hier und jetzt. " Oh!! Vielen Dank" die alte Frau neben mir winkte nur ab.
Also gibt es doch noch nette Menschen.
Aber das Leben hat zwei Seiten, so wie die einer Medaille. Und ich hinterfrage jetzt die Rückseite.
Was soll ich nur jetzt tun? Wie soll ich meiner Tante gegenüberstehen? Wieso überhaupt habe ich das Paket bekommen. Ausgerechnet jetzt? Gedankenverloren steuerte ich auf den Minimarket zu. Nur noch diese kleine Einbahnstraße überqueren, dann ist wenigstens mein Hunger gestillt. Gelockt von dem Gedanken ging ich drauf los.
Auf einmal wurde ein Hupen laut und Reifen quietschten über den Asphalt. Mein Kopf schoss wie von selbst in die Richtung des Geräuschpegels. Ich riss meine Augen weit auf und wollte rennen. Ein schwarzer Geländewagen raste auf mich zu. Irgendwas hinderte mich daran wegzulaufen. Ich konnte noch nicht einmal schreien. Vielleicht wollte ich auch nichts von beidem. Als das Auto nur wenige Zentimeter von mir entfernt war, kniff ich meine Augen fest zu und wartete auf das Gefühl des Aufpralles. Ich dachte ich wäre darauf vorbereitet, aber es kam so trotzdem so plötzlich.
Danach.
Alles Schwarz.
Stille.
Ich kannte das Gefühl nicht. Eigentlich dachte ich immer, dass mein Leben genau so war.
Still.
Doch in diesen Millisekunden wurde ich eines anderen gelehrt.

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