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Angefangen hatte alles vier Tage zuvor. Cori hörte sich gerade die Aufnahme eines Interviews an, das sie mit einem Professor in einem Hamburger Café geführt hatte. Eine langweilige Geschichte über die Abholzung des südamerikanischen Regenwalds, über die der Typ forschte. Da hörte sie eine Männerstimme sagen: „Nicht am Telefon. Wer weiß, wer alles mithört. Ich bin ab Sonnabend im Ermitage, da können wir alles sozusagen auf neutralem Boden besprechen.“ Er lachte, als habe er einen Witz gemacht, und sagte dann, offenbar seine eigene Warnung, am Telefon vorsichtig zu sein, vergessend: „Und bringen Sie das Geld mit.“

Sie hatte die Aufnahme zurückgespult, aber mehr war nicht zu verstehen. Ihre Recherche förderte zu Tage, dass es in der Schweiz in der Nähe von Gstaad ein Nobelhotel mit dem Namen Ermitage gab. Dort saß sie nun am darauffolgenden Samstagnachmittag in der Lobby, die eine atemberaubende Aussicht auf die Schweizer Bergwelt bot. Cori hatte sich allerdings so platziert, dass sie Kuchenbuffet und Rezeption im Blick hatte.

Leider waren das Ermitage größer und die Gäste zahlreicher, als sie gedacht hatte. Eine ganze Reihe konnte sie jedoch ausschließen: Alle, die Russisch, Französisch, Schwyzerdütsch, kurz: kein Hochdeutsch mit Hamburger Tonfall sprachen. Dann natürlich alle Frauen, die Inderin, die sich in ihrer Nähe niedergelassen hatte, ebenso wie die drei Frauen, die sich gerade angeregt mit dem Hoteldirektor unterhielten. Coris Geduld, ohnehin nicht eine ihrer Stärken, wurde auf eine harte Probe gestellt. Sie vertrieb sich die Zeit damit, mit ihrem Handy unauffällig Fotos von den Anwesenden zu machen.

Sie überlegte gerade, wie sie es schaffen könnte, einen Blick auf die Gästeliste zu werfen. Da vernahm sie eine Stimme, die norddeutsch klang, wie die in der Aufnahme. Die Stimme gehörte einem Mann um die 40, der gerade angekommen war. Sie ging zum Tresen des Empfangs hinüber und begann in einem Buch zu blättern, das dort lag. Der junge Mann von der Rezeption sprach den Betreffenden mit „Herr Stolzdorfer“ an und nannte dem für das Gepäck zuständigen Mitarbeiter – und damit auch Cori – seine Zimmernummer. Jjja! Nur ein anderes Zimmer lag zwischen ihrem und seinem.

Eine hübsche junge Hotelmitarbeiterin bat Stolzdorfer im Sessel einer der Sitzgruppen Platz zu nehmen. Dort könnten sie in Ruhe die Formalien erledigen. Er hatte einen Aktenkoffer dabei, den er nicht aus der Hand gab.

Cori tat, als ginge sie zum Kuchenbuffet, und schnappte im Vorbeischlendern eine weitere Information auf. „Die Massage habe ich für morgen um 10.30 Uhr terminiert. Ist das recht so?“, fragte die junge Frau im bodenlangen Dirndl.

Cherchez la femme - Ein Cori-Stein-KurzkrimiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt