Das Verhör

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Es war so langsam Nachmittag. Bella war noch mit Edward weg. Sie verbrachte ihre freien Stunden immer mit Edward. Ich verbrachte sie entweder mit den Wölfen aus dem Reservat (sie akzeptierten mich als einzigen Vampir in ihrem Revier) oder ich telefonierte mit Alec. Auf den ich an diesem Tag auch wartete. Er hatte mir letztes mal gesagt, er würde für eine Weile in Seattle sein und dad wollte ihn mal kennen lernen, meinen "mysteriösen Italiener". Also hatte ich ihn aus einer spontanen Entscheidung heraus zu uns eingeladen. Ich putzte gerade zum fünften mal das Badezimmer, als es an der Tür klingelte. Zu meinem Entsetzen hörte ich dads Schritte zur Tür gehen und ich hörte, wie sich die Tür öffnete. ,,Hallo", hörte ich dann Alecs weiche Stimme und musste mich zusammen reißen, nicht in Vampirgeschwindigkeit zu ihm zu rennen, ,,Sie müssen Chief Swan sein." ,,Ja", hörte ich dad antworten, ,,Dann bist du wohl Alec, der mysteriöse Italiener." ,,Dad, zum hundertsten mal, er ist kein Italiener!", rief ich meinem Vater zu und rannte in menschlichem Tempo nach unten. Dad wollte ihn wohl gerade ins Wohnzimmer führen. ,,Alec", war alles, was ich in diesem Moment raus brachte, als ich die Treppe runter stürmte und mich in seine Arme warf. Für diesen einen Moment vergaß ich alles um mich rum. Mir war es für diesen einen Moment schnuppe, dass mein dad mir zu sah, wie ich meinen Freund küsste und murmelte: ,,Ich hab dich so vermisst." ,,Ich hab dich auch vermisst", murmelte er in mein Haar und ich konnte einige Glückstränen nicht verhindern. ,,Ihr müsst euch ja nicht gleich aufessen", meldete sich plötzlich dad zu Wort und zerstörte den wohl perfektesten Moment meines Lebens. ,,Vernommen und ignoriert dad", meinte ich darauf nur zu dad, aber ich löste mich trotzdem von Alec, nahm ihn an der Hand und wir folgten meinem dad ins Wohnzimmer. ,,Dad", meinte ich dann vorsichtig zu meinem Vater, ,,Ich würde mich wesentlich besser fühlen, wenn du deine Pistole ablegen würdest." ,,Na schön", erwiderte dad darauf tatsächlich und ließ sich auf die Couch fallen. Ich ließ mich dagegen in meinen Sessel fallen und Alec platzierte sich neben mir auf der Sessellehne. ,,Erzähl mal was von dir Alec", eröffnete dad dann das Verhör, ,,Wo kommst du her, wie sieht es in deiner Familie aus, wo lebst du jetzt, wie habt ihr euch kennen gelernt? Und hast du irgendwelche Leichen im Keller?" Ich schickte dad meinen Todesblick rüber, doch Alec lachte nur und antwortete dann: ,,Geboren bin ich in England. Irgendein kleines Dorf, ich hab den Namen tatsächlich selbst schon vergessen. Ich hab noch meine Zwillingsschwester Jane. Unsere Mutter starb als wir dreizehn waren und unser Vater war ein Soldat auf der Durchreise, der weiß wahrscheinlich nicht mal, dass es uns gibt. Ich lebe momentan in Italien, in Volterra. Eli und ich haben uns während ihres Sprachurlaubs kennen gelernt. Sie hatte bei meinen Nachbarn gewohnt. Und die einzige Leiche in meinem Keller ist ein sehr unfreundlicher Typ, dem ich auf den Kopf gehauen hab, weil er Eli angebaggert hat." Das stimmte in gewisser Weise. Das einzige was nicht stimmte, was erstens, dass es bei weitem nicht die einzige Leiche in seinem Keller war und das er zweitens dem Typ nicht einfach nur auf den Kopf gehauen hatte, sondern er hat ihn ihm abgerissen. Armer Mensch. Aro war davon nicht sonderlich begeistert. ,,Seid ihr nicht noch etwas jung, um alleine zu leben?", fragte dad dann und ich hörte so etwas wie ehrliches Mitgefühl in seiner Stimme. ,,Jane und ich hatten immer einander und auch unsere Onkel in Italien. Also alleine waren wir nie", antwortete mein Freund ganz locker, als wäre er nicht gerade in einem Verhör. Insgeheim beruhigte es mich zu wissen, dass er kugelsicher war. Aber andererseits glaubte ich, dad mochte Alec. Und das überraschte mich. ,,Und ist es nicht seltsam, immer diese farbigen Kontaktlinsen zu tragen?", fragte dad dann aus heiterem Himmel. Oh oh. Aber Alec rettete meine angespannten Nerven und antwortete ganz locker: ,,Das ist meine natürliche Augenfarbe. Ein Gendefekt meiner Familie. Manchmal sind sie rot, manchmal schwarz. In seltenen Fällen auch golden." ,,Das ist interessant", murmelte dad vor sich hin, meinte aber in Wirklichkeit, dass er es seltsam fand. Ich war in diesem Moment wirklich froh, farbige Kontaktlinsen zu tragen, die meine rot-goldenen Augen zu braunen machten. Ich hatte meine Ernährung größtenteils auf Tierblut umgestellt, aber hin und wieder trank ich auch noch Menschenblut. Allerdings weiterhin nur Spenderblut, töten kam für mich nicht in Frage. ,,Und wieso bist du hier in Forks?", fragte dad und sah meinen Freund gespannt an. ,,Ich bin momentan mit Jane wegen einer Familiensache in Seattle und da es so nah an Eli dran ist, dachte ich mir, ich schau mal vorbei. Ich hab sie einfach zu lange nicht mehr gesehen. Und wenn man jemanden liebt, dann tut es einfach weh, so lange getrennt zu sein." Mein Herz schmolz in diesem Moment dahin, wie ein Stück Butter in der Pfanne und erst recht, als Alec sich zu mir runter beugte und mir einen sanften Kuss aufs Haar drückte. Doch dad machte keine Anstalten, angewidert oder so auszusehen sondern er lächelte. 

Als Alec dann gegangen war, meinte dad zu mir: ,,Okay Elisa, dein Hausarrest ist aufgehoben." ,,Ach wirklich?", fragte ich etwas verwirrt. ,,Ja", erwiderte dad darauf und boxte mir kumpelhaft gegen die Schulter, ,,Ich hab gesehen, wie ihr euch anseht. Das ist wirklich Liebe. Und außerdem nutzt du ja auch hin und wieder deine Freizeit, etwas mit deinen anderen Freunden zu machen. Keine Sorge, damit es fair bleibt, bekommt deine Schwester den selben Deal." ,,Danke dad", sagte ich noch, umarmte ihn knapp und verschwand dann raus in meine Freiheit. Bella kam gerade in die Einfahrt gefahren. Sie stieg aus ihrem klapprigen Transporter und fragte: ,,Seit wann so gut drauf?" ,,Dad hat meinen Hausarrest aufgehoben", stieß ich mit einem fröhlichen Quiecken aus und sprang in mein eigenes Auto. Dad sagte es vielleicht nie, aber insgeheim beneidete er mich um meinen Porsche. Ich fuhr einfach los und freute mich über meine Freiheit. Dieser Tag war wirklich ein guter Tag. Ich hatte Alec wieder gesehen, dad mochte ihn und ich hatte keinen Hausarrest mehr. Besser kann ein Tag nicht sein!

Bis(s) zum Abendrot What if...Where stories live. Discover now