Die Einladung

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Am nächsten Morgen wache ich von den Rufen der Mädchen auf dem Flur auf. Das Sonnenlicht fällt durch die dünnen Gardienen auf mein Bettende und durch den hellen Stoff kann ich den blauen Himmel draußen sehen. Es sieht aus, als würde es ein schöner Sonntag werden. Ich werfe einen Blick auf meinen Wecker, der auf einem schmalen Nachttisch aus dunklem lackierten Holz steht. Halb neun. Ein bisschen zu früh für einen Sonntagmorgen, aber jetzt bin ich sowieso schon wach. Ich schlage die Decke zurück und stehe auf. Auf dem Rugbyfeld laufen ein paar Sportler ihre Aufwärmrunden, aber ich kann nicht erkennen, um welches Team es sich handelt. Es gibt neun Sportarten, aus denen man sich als Internatsbewohner mindestens eine aussuchen muss: Rugby, Tennis, Handball, Feldhockey, Tanz mit Cheerleading kombiniert, Schwimmen, Fußball, Leichtathletik, und Rudern. Ich habe mich gestern beim Schwimmen eingetragen, weil ich schon schwimme, seitdem ich ein kleines Kind bin. Außerdem hat Lilly mir gesteckt, dass es dort die wenigsten Zicken gibt. Sie selbst spielt Feldhockey und hat versucht, mich zu überreden, es auch mal zu probieren, aber ich hatte keine Lust, eine vollkommen neue Sportart anzufangen. Außerdem hat mir das Schwimmen in der letzten Zeit echt ein wenig gefehlt. Seit der Oberstufe hatte ich in Deutschland viel zu wenig Zeit, um noch regelmäßig ins Schwimmbad zu gehen und zu trainieren. Und wenn es hier ohnehin zu den schulischen Verpflichtungen zählt, umso besser.


Ich verschwinde kurz im Waschraum und klopfe nach einer Viertelstunde fertig angezogen an Lillys Tür. Sie öffnet erst nach ein paar Minuten und steckt misstrauisch den Kopf durch die einen Spalt breit geöffnete Tür.


„Ach du bist es", sagt sie erleichtert und bedeutet mir, reinzukommen.


„Hast du Verfolgungswahn?", frage ich sie belustigt.


Sie schüttelt den Kopf und deutet in Richtung Nachttisch, auf dem eine kleine Metalldose und ein Zigarettenpapier liegt. Ich gehe hin, öffne die Dose und staune nicht schlecht, als ich die zerbröselten Reste Marihuana sehe.


„Wo bekommt man hier denn sowas her?"


„Von den richtigen Leuten... Ich kann dir auch was besorgen, wenn du willst." Sie sieht mich an, als meinte sei es nicht ernst. Mich beschleicht das Gefühl, dass sie mich vollkommen falsch einschätzt. Als wäre ich ein kleines liebes Lämmchen, aber da täuscht sie sich. Ich bin nicht unbedingt stolz drauf, aber in Deutschland habe ich ein paar schlechte Angewohnheiten gehabt. Das ist wahrscheinlich auch einer der Gründe, wieso meine Eltern so bereitwillig die Option des Internats angenommen haben.


„Das wäre super", sage ich daher und werfe ihr meinen Gewinn vom Pokern gestern aufs Bett. „Sieh es als Anzahlung, den Rest bekommst du später. Ich hoffe, dein Kontakt betreibt nicht totale Wucher, denn hier wird es wohl in der näheren Umgebung keine Alternative geben."


Sie grinst mich an und in ihren Augen liegt ein Hauch von Überraschung, doch sie sagt nichts weiter.


„Es gibt nicht so viele Quellen wie früher in London, aber du wärst überrascht, wie leicht man hier an Gras kommt. Ich find's irgendwie lustig, wenn man mal bedenkt, dass viele Eltern ihre Kinder herschicken, weil sie in der Vergangenheit Drogenprobleme hatten und sie dann hier noch leichter damit weitermachen können, womit sie zu Hause aufgehört haben."


„Kontrolliert das denn keiner?"


Lilly zuckt mit den Schultern. „Manchmal kommt jemand während der Unterrichtszeiten ins Zimmer oder es werden spontane Kontrollen in allen Zimmern durchgeführt, aber wer schlau ist, weiß, dass man sein Gras nicht in seinem Zimmer aufbewahrt."


Ich werfe einen skeptischen Blick auf ihren Nachttisch.


„Ja, ich weiß.. Ich deponiere es immer auf unserer Dachterrasse, ich hatte nur noch nicht die Zeit dazu. Keine Sorge, ich bin noch nie erwischt worden."

Das Internat 💋Where stories live. Discover now