Erste Bekannte

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Lilly hat Recht. Das Zimmer ist nicht halb so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Zwar besteht die Einrichtung auch hier überwiegend aus altem Holz, aber durch die zwei großen Fenster fällt genug Licht in den Raum, um die dunkle Einrichtung auszugleichen. Das Zimmer ist nicht besonders groß, aber ich bin dankbar dafür, dass ich es zumindest mit niemandem teilen muss.

„Und?", fragt Lilly und setzt sich auf das Bett an der Wand, „es ist natürlich noch ziemlich unpersönlich, aber wenn du hier ein bisschen von deinem eigenen Kram mit reinbringst, sieht das ganz schnell gemütlicher aus."

„Ja, es ist eigentlich ganz schön. Normalerweise stehe ich nicht auf so alte Sachen, aber die Möbel hier passen irgendwie zur gesamten Atmosphäre hier."

„Du wirst noch eine Menge alter Sachen sehen, das kannst du mir glauben. Spätestens nachdem du unsere Bücherei oder die Sporthalle gesehen hast, weißt du, was ich meine."

Ich gehe einmal quer durch den Raum und bleibe am Fenster stehen. Von hier aus kann ich auf den parkähnlichen Garten schauen. Am hinteren Ende scheint ein Sportplatz zu sein.

„Du hast Glück, dass du ein Zimmer auf dieser Seite zugeteilt bekommen hast. Jeden Montag und Mittwoch trainieren da unten nämlich die Zwölfer und da sind ein paar Typen dabei, bei denen sich das Zuschauen richtig lohnt, wenn du verstehst, was ich meine."

Ich muss lachen und frage mich, ob Connor davon weiß.

„Was trainieren sie denn?", frage ich.

„Rugby." Lilly grinst mich verspielt an.

„Ich verstehe."

Sie steht vom Bett auf und zieht sich ihren blauen Rock zurecht. „Okay, das sollte fürs Erste reichen. In deinem Zimmer wirst du die nächsten Tage sowieso noch genug Zeit verbringen. Willst du den Aufenthaltsraum sehen?"

Ich willige ein und folge ihr, wobei ich versuche, mir möglichst den gesamten Weg einzuprägen. Ich bin mir sicher, dass auch ich mich irgendwann einmal verlaufen werde, so viele Gänge und Treppen, wie es in diesem Schloss zu geben scheint. Als wir vor einer verschlossenen Flügeltür stehen bleiben, klopft Lilly an, scheinbar in einem Code aus kurzen und langen Pausen.

„Kurz, kurz, kurz, lang, kurz, lang. Merk dir das, sonst lassen sie dich nicht rein."

„Ich versuche es."

Ein paar Sekunden später höre ich Schritte und kurz darauf öffnet ein Junge die Tür.

„Hey, Connor. Ich dachte, du bist auf deinem Zimmer?" Lilly drängt sich an ihm vorbei in den Raum und ich folge ihr.

Der Aufenthaltsraum ist etwa doppelt so groß wie ein gewöhnliches Klassenzimmer und sieht abgesehen von dem dunkeln Parkettboden und den holzvertäfelten Wänden ganz anders aus als der Rest des Schlosses. Überall stehen Sessel und Sofas herum und ich entdecke einen Kicker, einen Billardtisch und ein paar andere Gegenstände, die ich im Northriver Castle nicht unbedingt erwartet hätte.

Um einen kleinen Couchtisch sitzt eine Gruppe von Jungs auf den Sofas und spielt irgendein Kartenspiel. Zwei Mädchen stehen vor einem Bücherregal und unterhalten sich. Sonst ist niemand da.

„Hey Connor, beeil dich. Du verlierst gerade deinen gesamten Einsatz!", ruft einer der Jungs rüber, ohne sich umzudrehen.

„Pokern gilt hier als echter Leistungssport", raunt Lilly mir zu. „Um Geld natürlich. Eigentlich ist das verboten, aber die Lehrer dürfen unseren Raum hier nicht betreten, deshalb ist noch nie jemand erwischt worden. Kannst du Pokern?"

Das Internat 💋Where stories live. Discover now