Warum?

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Ich kenne nicht die ganze Geschichte, doch genügt es mir was ich höre, und zwar jeden Tag. Nicht von anderen, nein, sondern von dir. Jedes mal wenn du nach Hause kommst . Du beweist mir jeden Tag aufs Neue, das ich mich nicht täusche und die Geschichten die ich über dich höre wahr sind. Sobald ich die Tür aufgehen höre und ich auf die Uhr gucke weiß ich das du es bist, der gerade nachhause kommt. Ich fühle mich unwohl in deiner Nähe. Nicht geborgen; nicht vertraut, nicht so wie sich ein Sohn fühlen sollte, wenn sein Vater nachhause kommt. Ich traue mich nicht mehr aus dem Zimmer, weil ich weiß das ich dem aus den Weg gehen könnte. Dem ganzen Stress. Du beschwerst dich. Egal wann, egal wo und egal bei wem - du beschwerst dich. Weißt du eigentlich was das mit einen Kind macht? All diese Beleidigungen, all diese Kritik und das Tag für Tag seit klein auf. Ich sag es dir, aber leider nicht von Person zu Person,  sondern so. 

Warum? Warum kann ich dir nicht ins Gesicht gucken und mit dir reden? Ich bezweifle das du mich verstehen würdest, denn wir sprechen zwei verschiedene Sprachen und damit meine ich nicht nur Vietnamesisch und Deutsch. Sollte ich eines Tages den Mut finden und die Mittel mit dir zu sprechen, von Angesicht zu Angesicht, dann sollst du alles verstehen was ich zu sagen habe.

Mama tut mir leid. Du tust mir leid. Ich weiß du hattest eine scheiß Vergangenheit. Vermutlich sogar schlimmer als meine. Trotzdem frage ich mich wie du nicht sehen kannst was du uns antust? Es geht mir auch schon lange nicht mehr nur um mich, auch frage ich mich wie du es Mama antun kannst oder deinen ältesten Sohn? Siehst du nicht wie sie weint? Siehst du nicht wie niemand sich nach draußen traut weil du im Wohnzimmer bist? Nur Mama traut sich und das jedes mal aufs Neue. Sie tut sich den Streit jedes mal aufs Neue wieder und wieder an. 

Wenn sie mal wieder in Tränen ausbricht und dich dabei nicht erwähnt, weiß ich dennoch das du mit Schuld bist. Es gibt immer mal wieder Momente in denen ich mich mit dir anfreunden könnte, vielleicht sogar als Vater. Leider überwiegen die Momente in denen ich mir wünschte du würdest fortgehen. Ich bin kein guter Sohn. Ich bin kein guter Bruder. Ich bin wahrscheinlich auch kein guter Freund, aber ich bin gut darin für Leute da zu sein zumindest für den Moment.

Ich höre Ihnen gerne zu und versuch mich mit ihren Problemen zu identifizieren auch wenn ich dieses Gefühl und diesen Schmerz noch nie gefühlt oder erlebt habe. Warum mache ich das? Ich denke damit ich zwischen den Zeilen lesen kann und weiß ob ich Ihnen gerade wehtue mit dem was ich sage. Ich glaube das habe ich mir mit der Zeit angewöhnt. In der Zeit in der ich mir das von dir gewünscht hätte. 

Ich weiß nicht ob es für einen Neuanfang schon zu spät wäre. 

Es sollte wahrscheinlich auch noch nicht zu spät sein um zu verzeihen.

Es ist aber definitiv zu spät um die Vergangenheit ungeschehen zu machen.





Warum?Where stories live. Discover now