Mein Therapeut und ich - Part II

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Hinweis:

Diese Geschichte "Mein Therapeut und ich" war eigentlich abgeschlossen, aber auf mehrfachen Wunsch hin, setze ich sie gern fort. Ich liebe diese Geschichte selbst gern und möchte sehen, wo sie uns noch hinführt.

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Ich konnte Doktor Matthes hören, wie wenig begeistert er von der Idee von Doktor Fox war, mich hier zu behalten.

"Du kannst sie doch nicht hier behalten! Und schon gar nicht über Nacht! Du verlierst deinen Job und wenn es hart auf hart kommt vielleicht sogar deine Zulassung als Arzt!"

"Siehst du es denn nicht?"

"Was soll ich sehen? Das Einzige was ich sehe, ist, dass du mit dieser Aktion in den Verderben rennst, mein Freund!"

"Kannst du denn nicht sehen, dass Amanda nicht in die Klinik gehört? Sie ist nicht verrückt oder geistig krank. Sie ist einfach nur einsam!"

"Wieso nennst du sie beim Vornamen? Sie ist deine Patientin! Sei vorsichtig! Du solltest sie wieder zurück nach Hause schicken. Dorthin, wo sie hingehört."

"Sie ist mehr als nur eine Patientin" entgegnete Doc Fox mit einer Leidenschaft in seiner Stimme, die so viel Wärme ausstrahlte, dass mir warm ums Herz wurde.

"In ihrem sogenannten "zu Hause" ist niemand, der sie versteht und Amanda sieht. Kannst du es denn nicht sehen?"

"Jetzt hör auf mit diesem Mist des "Sehens". Ich sehe nichts, außer, dass du einen riesigen Fehler wegen dieser Frau begehst!"

Heimlich öffnete ich so leise wie möglich die Tür einen kleinen Spalt, so dass ich dem Gespräch noch besser folgen konnte und sah die beiden Ärzte weiter weg stehen, wie sie heftig miteinander gestikulierten und diskutierten. Doc Fox schüttelte gerade seinen Kopf, so als habe er verstanden, dass sein guter Freund und Kollege Doktor Matthes ihn nicht versteht und womöglich in diesem speziellen Fall auch nicht unterstützen würde.

"Ich danke dir, dass du mir geholfen hast, Amanda zu suchen und hierher zu bringen. Wenn ich gefragt werde, war es ganz allein meine Idee. Du wusstest von nichts, so dass du keine Schwierigkeiten bekommen solltest."

"Du ziehst das wirklich durch, nicht wahr?"

Doc Fox brauchte keine Antwort geben, denn sie stand ihm ins Gesicht geschrieben. Selbst ich konnte es von meinem Badezimmer-Türspalt erkennen.

Doktor Matthes hob die Schultern an und ließ sie wieder sinken.

"Ich habe es versucht." sagte dieser kopfschüttelnd, sah seinen Kollegen an, drückte ihm die Hand, wandte sich zum Gehen und wünschte noch ein leises "Viel Glück!" ehe er die Wohnung verließ und die Wohnungstür hinter sich ins Schloss zog.

Ich schloss eilig die Badezimmertür leise und tat so, als habe ich von all dem nichts mitbekommen. Nachdem ich mich in einem großen kuschligen Badehandtuch trocken gerubbelt hatte, schlüpfte ich in die trockene Kleidung, die mir mein Therapeut gegeben hatte. Das weiße T-Shirt war mir viel zu groß und schlabberte ein wenig herum. Ich nahm den unteren T-Shirtsaum, raffte ihn auf der linken Seite zusammen und machte einen Knoten hinein. So saß das T-Shirt gleich besser. Die graumelierte Jogginghose war mir ebenfalls ein wenig zu groß, aber dank ihres schnürsenkelähnlichen Bundfadens konnte ich sie dazu überreden, nicht über meine Hüften hinabzugleiten und mich zu entblößen. Ich betrachtete mich im Spiegel und sah eine junge Frau, die noch immer ein wenig feuchte dunkle Haare hatte, die ein bleiches Gesicht mit tiefen katzengrünen Augen umrahmten. Ich kniff mir leicht links und rechts in die Wangen, um so wenigstens etwas Farbe in mein Gesicht zu zaubern, doch es half nichts. Ich sah weiterhin unglaublich blass aus. Ich schnappte mir ein kleineres Handtuch und rubbelte meine feuchten Haare trocken und beobachtete dabei mein Spiegelbild. Aus irgendeiner Eingebung heraus schnitt ich dabei immer wieder Grimassen und musste schmunzeln. So etwas hatte ich zuvor noch nie getan, aber es war lustig. Vielleicht lag es daran, dass ich mich bei Doktor Fox wohl fühlte?

Ich fuhr mit gespreizten Fingern durch meine langen dunklen Haare wie mit einem Kamm und versuchte sie so ein wenig zu zähmen, weil ich im Bad keinen Kamm oder keine Bürste fand. Typisch Mann. Meine Haare ließ ich offen und verließ das Bad. Doktor Fox fand ich in der Küche auf einem der Hocker vor seiner Küchenzeile, tief versunken in seine Gedanken.  Als er mich kommen hörte, sah er auf und sein Gesicht erhellte sich augenblicklich. Es schien, als freute er sich, mich hier in seiner Kleidung zu sehen. Mein Herz machte einen winzigen Hüpfer in meiner Brust.

"Ich... Ich habe keinen Kamm in ihrem Bad gefunden, um die hier zu bändigen."

Ich hob dabei eine Haarsträhne hoch und sah ein flüchtiges Grinsen über sein Gesicht huschen. Vermutlich irgendeine Erinnerung an frühere Zeiten.

"Ich hatte mal einen Kamm, aber den hat mein Leihhund Boxer vor einigen Tagen verschleppt, so dass ich ihn bisher nicht wiedergefunden habe. Und bei meinen kurzen Haaren brauche ich eigentlich keinen Kamm..."

Dabei wuschelte er sich kurz durch sein wunderschönes kastanienbraunes kurzes Haar und sah hinterher noch süßer aus als zuvor - besonders mit diesem herrlich breiten Lächeln im Gesicht.

"Sie haben einen Leihhund?"

"Ja. Na eigentlich ist es der Hund meiner Nachbarn. Sie sind etwas älter und können nicht mehr so oft Gassi gehen, wie Boxer es gern hätte. Deshalb nehme ich ihn manchmal auf, um selbst mal hier raus zu kommen. Der Park ist schließlich ganz in der Nähe."

"Sie retten also gern jemanden, wie?"

Ich setzte mich zu ihm an den Tresen und genoss seine Nähe.

"Wollen sie etwas essen oder trinken?"

Just in diesem Moment knurrte mein Magen laut los ohne, dass ich überhaupt eine Antwort geben brauchte. Doc Fox sprang auf und eilte um den kleinen Küchentresen herum, wühlte in seinem Küchenschrank bis er eine Pfanne gefunden hatte, die er auf den Herd stellte ehe er zum Kühlschrank hinüber ging und nach einer Packung Eier, Schinken und Margarine griff.

"Mögen sie Rühreier? In der Akte konnte ich so etwas Einfaches leider nicht entdecken."

Ich lachte und nickte.

Doc Fox war mit meiner Antwort wohl zufrieden, denn im nächsten Augenblick machte er sich daran, den Schinken in kleine Würfel zu schneiden, die Eier in die Pfanne zu hauen, den Schinken und eine Prise Salz und Pfeffer zuzufügen, alles unterzuheben und dem Stocken der Eier zuzusehen. Bei jedem seiner Handgriffe sah er  so zufrieden, selbstsicher und elegant aus. Unwillkürlich suchte ich seine Hände nach einem Ehering ab und war erleichtert als ich weder einen Ehering noch einen Abdruck eines Ringes daran entdeckte. Wieso ich erleichtert war, konnte ich mir selbst nicht genau erklären. Aber ich war es.

Mein Therapeut und ichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt