Mein Therapeut und ich - Part III

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Doktor Fox saß mir während des Essens gegenüber und ließ es sich schmecken. Ich stocherte anfangs nur mit meiner Gabel in den Eiern herum.

„Schmeckt es Ihnen nicht?“

„Ähm… doch. Ja.“ gab ich kleinlaut von mir, denn das Essen war sehr lecker, dennoch hing ich meinen eigenen Gedanken nach. Ich dachte an meinen Vater, an sein Lächeln, seine von der Sonne gebräunte Haut, seine dunklen Haare, an seine lieben Worte… Ich vermisste ihn sehr. Außerdem wusste ich nicht, wie es mit mir weitergehen sollte.

Beinahe so als ob Doktor Fox meine Gedanken gelesen hätte, räusperte sich und sagte:

„Sie übernachten heute hier bei mir. Sie müssen nicht mehr in die Klinik zurück. Morgen früh fahre ich in die Klinik zurück, schreibe ihren Entlassungsbericht und hole all ihre Sachen ab. Sind Sie damit einverstanden?“

Ich wusste gar nicht, wie ich auf dieses Angebot reagieren sollte. Ich war erstaunt und überrascht zugleich.

 "Ich danke Ihnen. Müssen Sie morgen arbeiten?“

 „Eigentlich nicht, aber für Sie mache ich gern eine Ausnahme.“

Als er dies sagte, leuchteten seine Augen und kleine winzige Grübchen bildeten sich. Ich spürte, wie ich errötete, konnte meinen Blick aber nicht von ihm abwenden.

„Warum tun Sie das alles für mich?“

„Weil Sie dort nicht hingehören. Ich sehe es in Ihren Augen.“

Ich wusste, dass ich nicht wirklich in diese Klinik gehörte. Aber wohin gehörte ich wirklich?

„Nun essen Sie erst einmal auf. Dann beziehen wir das Bett im Schlafzimmer neu, in dem Sie schlafen und ich richte mich auf der Couch im Wohnzimmer ein.“

Ich wollte protestieren, er unterbrach mich jedoch mitten im Satz und meinte, ich sei sein Gast und deshalb würde ich das Bett heute Nacht bekommen.

Ich aß letztendlich doch den gesamten Teller ab, denn ich hatte wieder ein klein wenig Hoffnung geschöpft. Außerdem hatte ich Hunger und das Rührei mit Schinkenwürfeln schmeckte wirklich köstlich.

Später zeigte mir der Doktor das Schlafzimmer, welches er mir über Nacht überlassen wollte. Es war gemütlich eingerichtet. Ein großes Bett mit weißem Metallgestell befand sich an der Stirnseite des Raums. Rechts davon verströmte sanftes Abendlicht durch ein hohes schmales Fenster eine gemütliche Atmosphäre. Die Wände waren in ein zartes Hellgrün und weiß getaucht, welches zu dem hellen Kleiderschrank und der Kommode an zwei der anderen Wände passte. Ich fühlte mich in diesem Raum sofort wohl.

Der Doc zauberte aus einer Schublade frische Bettwäsche in lindgrün hervor und legte sie auf einen nahestehenden Stuhl. Anschließend widmeten wir uns dem Abziehen der alten Bettwäsche, wobei er die Bettdecke übernahm und ich mich an dem großen und der zwei kleinen Kissen annehmen durfte. Doc Fox sah irgendwie lustig aus, wie er versuchte, den Bettbezug von der Bettdecke zu entfernen, so dass ich schmunzeln musste, was er bemerkte. Gleich darauf hatte ich ein kleines Kissen im Gesicht und die Bettdecke samt Bezug lagen auf dem Boden. Ich griff mir sofort das andere kleine Kissen und warf es in seine Richtung, verfehlte ihn, doch er fing das Kissen auf. Ehe er jedoch auf mich zielen konnte, griff ich mir das große Kissen und schleuderte es in seine Richtung. Er fing es ebenfalls auf. Ich starrte ihn an und war völlig unbewaffnet. Ich hatte nun zwei Möglichkeiten. Entweder Ergeben oder Angriff. Doch ehe ich mich entscheiden konnte, flog bereits das kleine Kissen auf mich zu und ich duckte mich. Das große Kissen traf mich jedoch am Hinterkopf und drückte mich aufs Bett. Ich musste lachen. Richtig lachen.

Der Doktor ließ sich neben mich aufs Bett fallen und lachte herzhaft mit.

 „So etwas habe ich ja schon ewig nicht mehr gemacht!“

„Ich auch nicht, Herr Doktor.“

Wir grinsten und beide an, dann reichte er mir seine Hand und sagte:

„Nennen Sie mich Jaden.“

„Okay, Jaden. Ich bin Amanda.

„Hallo Amanda.“

Während ich es mir im Schlafzimmer gemütlich machte, richtete sich Jaden in seinem Wohnzimmer auf der Couch ein. Ich kuschelte mich in die Bettdecke ein, schloss die Augen und versuchte einzuschlafen. Meine Gedanken kreisten immer wieder um ein und das selbe Thema, welches mich bereits seit Monaten beschäftigte. Wer bin ich?

Ich wollte meinen Vater fragen. Ich wollte von ihm wissen, wo ich herkam, wer ich war und wer ich bin. Ich wollte wissen, ob ich ihm charakterlich ähnelte oder doch ganz anders war als er. Ich wollte mich von ihm verstanden fühlen, von ihm in die Arme genommen und geliebt werden.

Ich wusste jedoch, dass ich meinen Vater nicht mehr fragen konnte, weil er vor einigen Jahren gestorben war. Dennoch konnte ich ihn einfach nicht vergessen, ihn nicht gehen lassen.

Ich wollte mit ihm reden.

Ich wollte mich von ihm verstanden fühlen, mit ihm lachen, mit ihm reden, bis mitten in der Nacht in der Küche sitzen und mit ihm Karten spielen so wie früher, mich über Fotografie mit ihm austauschen…

Ich vermisste meinen Vater wie am ersten Tag seines Verlustes.

Ich weinte mich auch in dieser Nacht wieder in den Schlaf.

Mein Therapeut und ichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt