1. Kapitel

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Sie fragte sich immer noch, wie das passieren konnte. Es war schließlich ein ganz normaler Auftrag gewesen. Und dann war die Falle zugeschnappt, wer hätte das schon kommen sehen können? Das miese Schwein, das daran schuld ist! Ihre gesamte Truppe war verraten worden, nur von wem? So ging sie nun bereits schon zum dritten Mal in dieser Woche in das kleine Internetcafe, nahe ihrer Wohnung. Es lag lediglich drei Straßen entfernt und befand sich im untersten Stock, einer der Wolkenkratzer von Bayhedge. Ginge sie in ihrer Wohnung ins Internet, wäre dies leicht zurückzuverfolgen, daher kam ihr das kleine Cafe ganz gelegen. Sie bog um die Ecke des Hochhauses, einer neumodischen Glas-Stahl-Konstruktion, und fand sich in einer riesigen Menschenmenge wieder. Die Nebenstraße, von welcher sie kam, war fast komplett leer gewesen und stellte einen großen Kontrast zu diesem stark bevölkertem Fußgängerweg dar. Ein Schlipsträger rempelte sie an, er hatte ein Handy am Ohr und offenbar gerade genug Zeit, ihr noch einen genervten Blick zuzuwerfen, bevor er weiterging. Mehr als die Hälfte, der Leute auf dem Weg, bestanden aus solchen arroganten Typen, alle einen Becher Kaffee von Starbucks, oder ein Smartphone, in der einen Hand, einen Aktenkoffer in der anderen. Die meisten waren auf dem Weg ins Büro, manche waren auf dem Weg nach Hause, um sich vor ihren Heimcomputer zu setzten und weiter zu arbeiten. Fakt war, dass dank ihnen die U-Bahnen völlig überfüllt waren, und sie selbst noch glücklicher war, keine nehmen zu müssen. Die andere Hälfte Menschen waren zu einem Teil Straßenkünstler, manche traten mit Instrumenten, wie etwa Trommeln, Pianos oder Geigen auf. Andere hatten sich verkleidet, um für Geld Fotos mit Touristen zu machen. Besonders häufig sah sie irgendwelche Marvel- oder DC-figuren, wie Batman, Ironman oder Superman. Zum anderen Teil fand man jedoch auch Menschen, die zu fast jedem Stadtbild gehörten. Bettler saßen in regelrechten Scharen am Wegesrand und hielten Pappbecher hoch. Sie sahen ungepflegt und herunterkommen aus, so wie man sich seine Obdachlosen eben vorstellte. Viele hatten außerdem Hunde neben sich sitzen, welche die Passanten mitleiderregend ansahen.

Sie selbst kümmerte das alles jedoch nicht, weder der Businesstyp, der sie angerempelt hatte, noch der Bettler, der ihr einen Becher hinhielt. Jeder musste selber mit seinem Leben klarkommen, und sie wollte sich in keins einmischen. Mit ihrer linken Hand strich sie sich eine dunkelrote Haarsträhne aus dem Gesicht und steckte sie sich hinters Ohr, doch sie rutschte sofort wieder auf ihren Platz zurück. Auf der Straße, links neben ihr, startete ein regelrechtes Hupkonzert, als ein Autofahrer nicht binnen einer halben Sekunde auf die grüne Ampel reagierte. Auch, wenn das Hupen in den restlichen Lärm, welchen die Stadt verursachte, unterging. Schließlich erreichte sie die Glastür des Internetcafes und trat hinein. In dem Raum war es wesentlich leiser, auch wenn die Geräusche von Außen nicht ganz ausgesperrt werden konnten. Es gab 20 Computer, circa die Hälfte war besetzt und es war lediglich das Klicken von Tastaturen und Maustasten zu hören. Sie schlenderte zu der hellen Theke, am Ende des Raumes und kramte währenddessen ihr Portmonee aus ihrem dunkelbraunen Mantel. Die Frau hinter dem Tresen hatte einen Telefonhörer am Ohr und kreischte regelrechte hinein. Sie lehnte sich mit dem rechten Arm auf der weißen Tischplatte ab und wartete. Hinter der Frau hing ein Spiegel, in dem sie begann sich selbst zu betrachten. Sie hatte ein leicht rundliches Gesicht, mandelförmige, blaue Augen und schulterlange, dunkelrote Haare. Außerdem hatte sie einen, wie ihre Mutter immer gesagt hatte, Kussmund. Ich muss unbedingt mal wieder Färben. Der Ansatz ihrer Haare war bestimmt schon wieder drei Zentimeter rausgewachsen. Das hatte sie aufgrund der Ereignisse der letzten paar Wochen vergessen, aber ihre Haare wuchsen auch wie Stroh, trotzdem wurde sie für ihre dichte Mähne schon immer beneidet.

Dann war die Frau endlich fertig und legte den Hörer weg. "Guten Tag, wie kann ich ihnen helfen?" fragte sie mit einem freundlichen Lächeln. "Hallo, zwei Stunden Internet und einen Kaffee bitte." Ihre Stimme klang gleichgültig, genau wie beabsichtigt. Sie brauchte keinen, der in ihre Tonlage irgendetwas rein interpretierte. "Gut, das macht dann bitte 6,50€. Dürfte ich bitte noch ihren Ausweis sehen?" Während sie das sagte, war sie schon dabei, schnell etwas in die Kasse einzugeben, wobei ihre langen Nägel sie etwas zu behindern schienen. Sie zog einen Ausweis aus ihrem Portmonee. Darauf war ein Bild von ihr, daneben stand Susanne Taylor. Es war einer ihrer drei Ausweise. Diesen benutze sie für öffentliche Unternehmungen, wie Clubs oder ähnliches, den Zweiten fürs Fliegen und den Dritten für alle polizeilichen Sachen. Auf jedem stand ein anderer Name und ein anderes Geburtsdatum. Wirklich geboren wurde sie jedoch am 29.7.2001 und hieß Sheyda. Sie gab der Brünette den Ausweis, diese sah ihn sich kurz an und gab ihn ihr zurück. Sheyda gab ihr das Geld bar, sie bezahlte nie mit Karte, woraufhin ihr die Frau eine kleine Plastikkarte in die Hand drückte. Sie drehte sich herum und ging zum Computer in der hintersten Ecke. Dann steckte sie die Karte in ein Gerät neben dem Computer und drückte den Startknopf. Er leuchtete rot auf und der Bildschirm zeigte kurz ein Bild, daraufhin wurde er wieder schwarz, nur um wieder anzugehen. Als der Computer vollständig hochgefahren war, öffnete sie den Browser. Die Person, die sie suchte, war ein ehemaliges Mitglied ihrer Söldnertruppe und das Arschloch, dass sie alle verraten hatte. Also mussten als erstes alle Informationen zu jedem einzelnen rausgesucht werden, wobei sie bei manchen eine Ausnahme machte, Sascha zum Beispiel. Er war ihr Anführer und wie ein Vater für sie gewesen, er hätte sie niemals verraten. Am meisten im Verdacht hatte sie Andy, aber auch einer der anderen konnte es gewesen sein. Söldner taten vieles für Geld, wie fast alle Menschen.

Shattered Fates - IntertwinedWhere stories live. Discover now