Kapitel 1: 1. Rückfall!

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Frau Karper steht streng, die Schultern zurück und den Bauch eingezogen vor mir.

Jeden Tag dasselbe Bild. Sie steht da in ihrer Strumpfhose, dem Röckchen und einem Top, darüber eine dünne Jacke. Ihre Haare streng zu einem Dutt gemacht und mustert so jeden Schüler mit einem strengen Blick.

Seit 3 Jahren dasselbe Bild. Immer wieder sehe ich dieselbe Falte zwischen ihren Augenbrauen.

"Los, Los, Mädels! Ab an die Stange und fangt an mit den ersten Übungen. Erste Position, ins Plié, wieder Strecken, das ganze in allen Positionen. Danach Jeté's in alle Richtungen, Fondu, das Battementdéveloppé, Plié und Grand-plié und zum Schluss Révérence, die Verbeugung. Danach gehen wir in die Mitte und ihr zeigt mir jeder einzeln eure Fouetté en tournant, die Drehungen.", wieder mal eine lange Liste.

Für die Neuen, die dieses Jahr erst gekommen sind, sicher schwer sich alles zu merken, aber Fragen werden hier nicht geduldet.

"Was sind Fouettén?", fragt ein kleineres Mädchen neben mir.

"Das meine kleine, sind Drehungen auf ganzer Spitze, wobei du mit deinem Spielbein immer Schwung holst!", erklärt Frau Karper geduldig und zeigt ihr die Drehungen.

"Dankeschön!".

Anscheinend hat sie heute einen guten Tag!

"Loona, du musst bei dem Grand-Plié den ganzen Fuß aufsetzten!", ermahnt mich Frau Karper und ich befolge ihren Rat, eher gesagt dem Befehl.

Es geht ab in die Mitte und los mit den Fouettén.

Ich merke selber das ich nicht gut bin, leider. Aber Frau Karpfen, wie ich Frau Karper auch gerne in Gedanken nenne, muss mir immer noch einen reinwürgen und mich anmeckern.

Wir hatten die letzten 2 Wochen frei, sozusagen Sommerferien, aber selbst die habe ich zum Üben genutzt, denn ich musste noch ganz viel Training nachholen.

Alle beenden ihre Drehungen, Frau Karper ist anscheinend so genervt von Ihnen, dass wir uns schon ausdehnen können und uns umziehen können.

"Loona! Ich muss mir dir reden. Allein und jetzt sofort!", höre ich die Stimme von Frau Karper.

Es kann nichts guten heißen!

Ich nicke stumm, schnappe mir meine Spitzenschuhe und meine Jacke und laufe zu Frau Karper und Herr Leek.

Wenn sogar der Chef des Tanztheaters hier ist, muss etwas schlimmes passiert sein.

Ich sehe ihn selten in einen der Tanzräume.

"Also Loona, es ist besser, wenn du nur Nachmittags richtig trainierst und morgens und abends Muskeltraining machst. Du musst deine Muskeln aufbauen. Ach und Morgen kommen 2 neue Schüler, etwas verspätet, sie haben die Einführung verpasst und das könntest du ja dann machen!", erklärt mir Frau Karper.

"Und das Muskeltraining gilt auch schon für heute Abend!", fügt Herr Leek hinzu.

"Ich werde mich daran halten und regelmäßig meine Übungen machen!", verspreche ich ruhig.

Am liebsten wäre ich ausgerastet und hätte ihnen mal so richtig meine Meinung gesagt, aber ich verkneife es mir. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich deswegen eine Verwarnung bekommen würde.

"Du kannst jetzt gehen. Viel Erfolg!", meint Frau Karper und ich verlasse den Tanzsaal.

Im Flur stehen viele Tänzer und Tänzerinnen, hauptsächlich die Neuen und glotzen neugierig.

Wie immer.

Sie werden schon früh genug lernen, wie es ist, wenn man fertig gemacht wird.

Ich sitze in meinem Zimmer, allein!

Tanzen hat Macht!Where stories live. Discover now