Winter Falls Beginning (Leseprobe)

3. Kapitel

Amy

Entnervt lasse ich meinen Stift sinken und unterschreibe zum wiederholten Mal in diesem Monat eine mehrtägige Krankschreibung, die ich Dexter nicht mehr ausstellen dürfte. Mittlerweile glaube ich, dass er nur in die Praxis kommt und explizit einen Termin bei mir vereinbart, um sich mit mir zu treffen. In meinem Kopf hat sich dieses Stimmchen eingenistet, dass er es als »Date« ansieht, mich einmal in der Woche aufzusuchen. Seit Monaten geht das schon so, dass er immer wieder reinkommt und einen Termin hat. Dabei ist er nicht krank, nicht mal ansatzweise. Meistens sind es fadenscheinige Beschwerden, die er hat. Halsschmerzen ohne eine Rötung, dasselbe gilt für seine immer wiederkehrenden Ohrenschmerzen. Bauchschmerzen täuscht er nicht so oft vor. Was ich nicht verstehe, weil ich Bauchschmerzen am schwierigsten diagnostizieren kann.

»Amy, ich ...«, startet er einen erneuten Versuch, mir sein Leid zu klagen, aber ich kanzle ihn direkt ab.

»Dexter, hör zu«, sage ich und sehe ihn fest an. »Das ist die letzte Krankschreibung, die ich dir ausstelle. Du bist nicht so krank, sodass du die Gelder, die mir zur Verfügung stehen, aufbrauchen kannst. Es gibt Patienten, die sie dringender benötigen und die vor allem dringender einen Termin benötigen, den du blockierst.«

Ganz die Wahrheit ist das nicht, aber ich hoffe es schreckt ihn so weit ab, dass er mich nicht mehr wöchentlich aufsucht und untersucht werden möchte.

»Ach ja?« Er hebt skeptisch die Augenbrauen. »Wer denn?«

Meint er das ernst? Ich soll ihm sagen welche Patienten eine Krankschreibung dringender brauchen als er? So ziemlich alle, die herkommen.

»Das kann ich dir nicht sagen, da es unter die Schweigepflicht fällt«, presse ich hervor. »Und das weißt du auch.«

»Also gibt es keine«, resultiert er aus meiner Aussage. »Aha.«

»Du bist nicht krank«, stelle ich klar. »Und auch das weißt du nur zu gut.«

»Du hast einen Eid geleistet und musst mich untersuchen«, sagt er und ich verdrehe die Augen. »Ich muss gar nichts«, erwidere ich. »Ab nächster Woche kannst du dich von Dr. Craft untersuchen lassen.«

Er presst die Lippen zusammen und antwortet mir nicht. Ich habe es schon einige Male versucht, dass er sich von Peter untersuchen lässt, aber Dexter schafft es immer wieder, dass unsere jungen Sprechstundenhilfen ihn in mein Behandlungszimmer bringen. Wir waren zusammen auf der Highschool. Dexter war Kapitän des Basketballteams und damals eine ziemlich große Nummer auf dem Schulhof. Er sieht nach wie vor gut aus, mit seinen kurzen dunkeln Haaren, dem knappen einen Meter neunzig und dem durchtrainierten Körper. Noch dazu ist er beruflich erfolgreich. Er arbeitet im Büro des Bürgermeisters, ist in dessen Beraterstab und ein Kollege von Audrey. Auch wenn meine Schwester das nicht gern hört. Sie findet sein Auftreten anmaßend und schleimig. Das verleitet mich weiterhin dazu, dass es nichts auf der Welt gibt, das mich dazu verleiten würde, mit ihm auszugehen.

»Also dann ...« Ich erhebe mich von meinem Platz und reiche ihm die Krankmeldung. »Nimmst du die mit oder nicht?«

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