2. Kapitel

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Ben

Ich biege in die Einfahrt meines neuen Hauses in Winter Falls ein und stütze meine Hände auf den Oberschenkeln ab. Der Lauf am frühen Morgen hat mir gutgetan. Ich konnte meine Gedanken ein wenig sortieren, die unentwegt um meinen Neuanfang in dieser gottverlassenen Kleinstadt kreisen. Ich habe keinen Bock als Allgemeinmediziner in diesem Loch zu versauern, aber meine Chancen wieder in Los Angeles Fuß zu fassen, stehen relativ gering. Der Mist, den ich gebaut habe ist einfach zu groß. Die Affäre mit meiner verheirateten Patientin war keine gute Idee. Noch mieser wurde es, als rauskam, dass ihr Mann der amtierende Bürgermeister von Santa Monica ist. Kourtney hat mir gesagt, dass ihr Mann noch einige Tage auf Geschäftsreise sein würde, als er plötzlich im Schlafzimmer ihrer Villa stand und uns in flagranti erwischt hat. Das ist nun zwei Monate her und seitdem ging es mit meiner Karriere in Hollywood steil bergab. Ich war meinen Ruf als guter Mediziner schneller los als ich ihn erhalten habe. Es war dumm von mir, mich auf Kourtney einzulassen. Sie ist eines dieser Reality-TV Sternchen, die selbst nichts auf dem Kasten haben, aber verdammt gut aussehen, um einen reichen Mann um den Finger zu wickeln. Mit ihren siebenundzwanzig Jahren hatte sie den schlappe zwanzig Jahre älteren Politiker schnell an der Angel. Der Sex war gut, aber meine Karriere war er definitiv nicht wert. Es war mein Todesurteil und um überhaupt nochmal einen Fuß in die Tür zu bekommen, habe ich das Angebot von meinem Onkel Peter angenommen und bin nach Winter Falls gezogen. Neben dem Job hat er mir auch ein zweistöckiges Häuschen angemietet. Mit der weißen Veranda, dem schwarzen Schieferdach und den vorwitzigen Blumen im Garten, deren Samen noch von den Vorbesitzern keimen, ist es das Kleinstadtidyll überhaupt. In Los Angeles hatte ich ein schickes Apartment mit allerlei Luxus in einem modernen Wohnkomplex in Strandlage. Sogar meinen Porsche 911 habe ich gegen einen Range Rover tauschen müssen, weil mein tiefergelegter Liebling im Winter von Colorado, nahe den Rocky Mountains, nicht das beste Auto ist.

Meine Mom Jeannette ist Onkel Peters jüngere Schwester und hat in Kalifornien studiert. Während des Studiums hat sie meinen Dad Michael kennengelernt. Er stammt aus Sacramento und wollte den Sunshine Statenicht verlassen. Meine jüngere Schwester Beverly ist sechsundzwanzig Jahre alt. Sie studiert im letzten Semester Wirtschaft an der Stanford University.

Moms Familie stammt seit Generationen aus Winter Falls. Onkel Jasper ist der Bürgermeister der Stadt und Tante Holly ist mit Colorados Senator Harry Statham verheiratet.

Dennoch würde ich Winter Falls als nettes Ferienziel in den Sommerferien sehen. Ich habe mich nie heimisch gefühlt. Onkel Jasper hat keine Kinder und Onkel Peters Töchter Clarence und Janice leben in Florida. Sie sind ein paar Jahre älter als ich und wir hatten nie einen engen Draht zueinander. Lediglich mit meinem Cousin Collin verstehe ich mich gut. Er ist ein Jahr älter als ich. Er strebt eine Karriere als Politiker an, sowie sein Dad.

Onkel Peter möchte zum Jahresende seine Praxis verlassen und sie mir übergeben. Nach langem Überlegen, ob ich es wirklich tun sollte, habe ich ihm vor einem Monat zugesagt. Er hat sich wahnsinnig gefreut und gemeint, dass ich die Menschen in Winter Falls sofort ins Herz schließen werde. Aber ein Anruf aus Hollywood und man sieht mich hier nie wieder.

Neben Onkel Peter gehört auch noch Dr. Atkinson, die Sprechstundenhilfe Lucy Arnold, eine Studentin im Praxisjahr sowie zwei weitere Arzthelferinnen, deren Namen ich mir nicht gemerkt habe, zum Team.

Ich richte mich wieder auf und sehe an meinem Auto vorbei auf das Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Es steht ein schwarzer Mercedes Kleinwagen davor und Spielzeug liegt im Vorgarten herum. Ich schätze, dass ich in einer Nachbarschaft mit Familien gelandet bin. Die Haustür wird geöffnet und ein kleines Mädchen kommt heraus. Ich würde sie auf drei Jahre schätzen. Ihre langen blonden Haare gehen ihr bis zur Mitte des Rückens. Sie trägt eine Jeans Jacke und eine Jeans mit weißen Turnschuhen. Ihr folgt eine grazile Frau. Sie hat den Rucksack der Kleinen locker in der Hand. Die langen blonden Haare sind zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Die schwindelerregend hohen High Heels führt sie mühelos aus. Sowie die Kleine, trägt sie ebenfalls eine Jeans Jacke aber statt einer Jeans eine knallenge schwarze Lederleggings. Scheiße, die Lady ist heiß und ich soll verdammt sein, dass ich mir wünsche, dass sie eine Single Mom ist.

Winter Falls Beginning (Leseprobe)Where stories live. Discover now