• epilog •

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Wie so oft in den letzten Monaten nahm Spencer sein iPhone in die Hand und wählte Finn Morgans Telefonnummer- ohne Erfolg.

Seit Monaten hörte er nur die Stimme von der Mailbox, hin und wieder sprach Spencer etwas drauf. Auch diesmal wollte er etwas erzählen, doch es kam die Meldung, dass die Mailbox keine weiteren Nachrichten aufnehmen konnte.

Frustriert legte er das iPhone weg und schaufelte weiter den Kuchen in sich hinein.

"Spencer? Deine Familie kommt gleich." Der junge Mann zuckte mit den Schultern und schob sich unbeeindruckt die nächste Gabel Kuchen in den Mund.

Seine Tante Eldora setzte sich mit ihrer neugeborenen Tochter Maeve neben ihn. "Du isst seit deiner Ankunft nur noch. Wir machen uns Sorgen." "Na und? Bin ja sowieso Single!", knurrte Spencer und aß seinen Teller leer.

"Aber du hast zugenommen. Man sieht es dir an. Wir könnten doch mal wieder öfter schwimmen gehen. Was hältst du davon?" "Kein Interesse", antwortete er knapp und sah in den Himmel.

Seit Monaten saß er jeden Tag auf dem Balkon, welcher an sein Zimmer in Spanien grenzte. Manchmal las er ein Buch, manchmal stopfte er Essen in sich hinein und sah dabei in den Himmel.

Und manchmal weinte er, wenn er ganz alleine war.

Spencer fühlte sich betrogen und verraten. Niemand hatte ihm ein Wort gesagt, was damals wirklich in der Hütte vorgefallen war. Immer wieder hörte er die Stimme seines Vaters, wie er erklärte, dass es ein Autounfall war, welchen Alex verursacht hatte.


Während Spencer wieder alleine auf dem Balkon saß und in den Himmel schaute, wurde Leonard immer nervöser. Er musste das mit seinem Sohn klären, so viel stand fest. "Das wird schon, Mr James", erwiderte Milo vom Rücksitz. Leonard war davon überzeugt, dass Milo Spencer helfen könnte.

"Das Lustige ist, als meine Eltern mir einen Nachhilfelehrer für Spanisch besorgen wollten, habe ich gemeint, dass ich niemals in so ein Provinznest fliegen würde und ich deswegen kein spanisch beherrschen muss. Und wo bin ich jetzt? In einem Provinznest in Spanien." Milo lachte. "Scheiße, hoffentlich können die Leute hier englisch sprechen", fügte er leicht verzweifelt hinzu.

Ein Wochenende hatten die beiden Zeit, Spencer zurück nach Hause zu holen.

"Ich hoffe einfach, dass er wieder mit nach Hause kommt", seufzte Louise traurig.

Als Leonard den Mietwagen auf dem Grundstück vor der Finca geparkt hatte, staunte Milo nicht schlecht. "Wenn es hier nicht so verdammt warm wäre, dass ich am liebsten nackt herum laufen würde, würde ich glatt hier her ziehen." "Dann müsstest du aber spanisch lernen", erwiderte Leonard und stieg aus. Milo und Louise taten es ihm gleich, während Kayden noch immer friedlich auf der Rückbank schlief.

"Leonard! Louise!" Die Eltern von Leonard hatten bereits die Haustür aufgerissen und kamen mit zügigen Schritten auf sie zu. Dann redeten Sie spanisch und Milo bekam etwas Panik, als er kein einziges Wort verstand.

Doch nach ein paar Rügen von der Großmutter, warum Milo denn kein spanisch könne, war es überstanden und er durfte seinen besten Freund auf seinem Zimmer besuchen.

Als Milo Spencer auf dem Balkon sitzen sah, umarmte er ihn von hinten. "Hey, mein Herzchen!" Doch noch im selben Moment war Milo auch leicht geschockt, als er bemerkte, dass Spencer zugenommen hatte. Natürlich ließ er sich nichts anmerken.

"Was tust du hier?", fragte Spencer überrascht. "Ich habe dich vermisst. Und als ich gehört habe, dass deine Familie hier her fliegt, habe ich so lange gebettelt, bis ich mit durfte." Milo setzte sich. "Erzähl mal, wann kommst du wieder? Die Schule ist der letzte Dreck ohne dich. Die haben sogar Liam eingebuchtet." Spencer sah auf. "Warum das denn?" "Sie haben ihn erwischt, wie er sich in eine Datenbank der Navy eingehackt hat. Seine Eltern haben ihn sofort enterbt, als Sie von seinem illegalen Hobby gehört haben und helfen ihm auch nicht. Er muss jetzt sehr viele Jahre sitzen und es ist unklar, ob er je wieder raus kommt. Er ist quasi ein Staatsfeind."

Einige Sekunden war es zwischen den beiden still. "Spencer?" "Milo?" Beide sahen sich an. "Es tut mir leid", sagte Milo bedrückt. "Was tut dir leid?" "Das ich damals nicht mehr wusste, was mit dir passiert ist. Ich habe einfach deinem Vater vertraut. Ich habe geglaubt, dass es ein Autounfall war, welchen Alex verursacht hat."

"Ich weiß", sprach Spencer leise und sah wieder in den Himmel. "Ich habe viel darüber nach gedacht." "Als du mich damals im Wald zurückgelassen hast, hast du mir eigentlich einen Gefallen getan. Ich weiß, es klingt bescheuert, aber du hast mir geholfen, mit meiner frühen Kindheit abzuschließen. Und jetzt will ich dir helfen." "Das verstehe ich nicht."

Milo seufzte. "Mein Dad und Nate sind los gegangen, um mich zu suchen, als sie hörten, dass du abgehauen bist. Sie fanden mich im Wald. Ich habe im Boden gegraben. So doll, dass alle meine Fingerkuppen aufgeschürft waren. Ich hatte eine starke Unterkühlung und anschließend eine Lungenentzündung. Aber in diesen Tagen wurde mir klar, dass meine biologische Mutter nicht abgehauen war, wie Tommy und Patrick gesagt haben. Ich habe damals beobachtet, wie er sie ermordet und anschließend begraben hat. Ich habe es alles von dem Schuppen aus beobachtet gehabt."

Der Blonde machte eine Pause. "Sie haben ihre Leiche geborgen, Spencer. Genau an der Stelle, die ich gesagt hatte. Er hatte sie damals bei einem Sturm erschossen und an der Stelle vergraben. Der Psychologe der Polizei meinte, dass damals genau so ein Sturm war, wie an dem Tag, wo wir wandern waren. Als du im Flieger saßt, und ich halbtot in meinem Bett lag, muss es richtig gekracht haben. Es gab sogar einen Stromausfall."

Spencer sah seinen Kumpel an. "Das tut mir leid." "Muss es nicht. Ich bin innerlich so erleichtert und fühle mich wie ein neuer Mensch. Und meine Eltern haben Patrick aufgenommen. Sie haben sich bereit erklärt, sein Vormund zu sein. Und Tommy? Ist sogar nur ein paar Straßen entfernt in eine Wohnung gezogen. Wir sind eine kleine Familie. Wenn auch total kaputt."

Der Schwarzhaarige sah auf sein iPhone und sah auf das Bild von Finn und ihm. "Und jetzt muss ich dir helfen. Als erstes musst du die Fotos von ihm los werden, Bunny. Lösch die Bilder. Er wird nicht wieder kommen. Es tut mir leid."

Spencer fing an zu schluchzen und vergrub sein Gesicht in seinen Händen, dann flossen die ersten Tränen. Milo war sofort zur Stelle und umarmte seinen besten Freund. "Es tut mir so leid", flüsterte er.

The Tape ∣ boyxboy ✔️Where stories live. Discover now