Kapitel 44

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Belle

Wir liefen unerschütterlich weiter. Wir legten keine Pausen ein, tauschten kein Wort miteinander aus und hielten den größtmöglichen Abstand zu einander. Es war, als würde er die Frust von unserem Gespräch heute Morgen an unseren Beinen auslassen. Denn sie schmerzten mir bis ins Unendliche. Ich hatte das Gefühl, meine Beine könnten jeden Moment einknicken und mir den Gehorsam verweigern. Anstatt ihn auf die vielen Stunden, die wir allein heute gelaufen waren zu erinnern oder ihn an die erneut anbrechende Nacht aufmerksam zu machen, folgte ich stumm seinen Anweisungen und protestierte nicht, als er weitere Stunden ohne Pause ankündigte. Protestierte nicht, sagte nichts, als er erklärte, dass wir in ungefähr sechs Tagen Fußmarsch im roten Viertel ankamen.

Er hatte sich Shanes Handy geschnappt und sich in seinem Namen mit seinen Kollegen verständigt. Shane folgte dem Farblosen und der Violetten, Belle, ginge es gut, hatte er geschrieben. Daraufhin hatten sie angerufen und Jack überließ Shane das Reden. Natürlich wiederholte Shane wie ein Papagei was Jack ihm vorkaute, mit einer Waffe an den Schädel gedrückt. Ich war heilfroh darüber gewesen, dass der Rote tat was er sagte. Denn heute war wirklich nicht gut auf den Farblosen zu sprechen. Nicht nach all den, noch immer offen stehenden Fragen zwischen uns. Unsere Geheimnisse standen wie eine riesige, eiskalte Mauer zwischen uns. Wir sprachen miteinander, aber nichts kam bei dem jeweils anderen an. Niemand erreichte sein Ziel. Niemand kam auch nur einen Schritt näher an dieses Ziel.

»Wir sind immer noch im blauen Viertel.«, äußerte Jack sich. »Uns sind die Vorräte ausgegangen. Wir müssen in ein Geschäft und Nahrung besorgen.« Wir blieben stehen. Wir waren wieder an einem Waldrand.

Ich nickte nur, sagte nichts dazu. Er hatte sicherlich schon etwas im Kopf.

»Und wir bezahlen mit deinem Geld«, zog Jack Shanes Portmonee aus der Hosentasche. »Während du hier warten wirst.«

Wir. Meinte er damit ihn und mich? Konnte er nicht alleine hin? Ich könnte doch bei Shane bleiben.

Shane sagte nichts, bevorzugte es wie ich, Jack heute nicht zu widersprechen und ließ sich erneut an einen Baum fesseln, mit Mundknebel.

Jack drehte sich nicht zu mir als er fertig mit dem Roten war und sich in die Richtung der Stadt wagte. Verwirrt folgte ich ihm. »Soll ich mitkommen?«, fragte ich sicherheitshalber.

»Ja.« Mehr nicht.

Genervt, dass er sich nicht darauf hinablassen konnte mehr mit mir auszutauschen, lief ich neben ihm her. Sich umschauend suchte er ein Geschäft, das Lebensmittel verkaufte und im Moment nicht von vielen Bürgern besucht war. Es war abends, weswegen allgemein nicht viele unterwegs waren. Auch wenn Geschäfte 24/7 geöffnet hatten.

Mich wunderte es eher, dass diese Stadt die Geschäfte noch geöffnet ließ, wenn doch in der Hauptstadt eine sofortige Schließung aller nicht lebenswichtige Läden angeordnet worden war. Vielleicht war die Erlaubnis wieder eingekehrt oder aber es galt nur in der Hauptstadt.

Es kam mir so surreal vor um diese Uhrzeit noch draußen unterwegs zu sein. Normalerweise wäre ich zuhause und würde mich irgendwie anderweitig in meinem Zimmer beschäftigen. Entweder an einem neuen Werk arbeiten, deprimiert aus dem Fenster starren oder mit Shelly telefonieren. Aber keins davon bereitete mir ansatzweise so viel Freude wie unter freiem Nachthimmel in der Innenstadt zu shoppen. Nun shoppen konnte man das nicht wirklich nennen, aber es war so ähnlich. Ich würde liebend gerne von einem Kleidungsgeschäft ins Nächste gehen bis die Läden, bis auf Lebensmittelgeschäfte, in ungefähr zwei Stunden schlossen.

Als ich mich mit Shelly an dem einen Abend raus schleichen wollte, wollte ich genau so eine Erinnerung schaffen. Ich traute mich schließlich Jack am Arm zu packen und aufzuhalten. »Können wir da rein?« deutete ich mit dem Kopf auf ein Geschäft in dessen Schaufenster schöne Abendkleider präsentiert wurden.

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinWhere stories live. Discover now