How To Kill A God - Step One:...

By Xenoe1

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Ein misslungener Überfall verbannt Kassandras Schwester in eine unbekannte Sphäre. Ihr wird Hilfe versprochen... More

Prolog
Von Kolander
Durch's Portal

Von Kassandra

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By Xenoe1

Au. Au. Au.

Müde lugte die Sonne zwischen den Tannenwipfeln hindurch, vom Abendwind sanft in den Schlaf gewiegt. Der Pfad schlängelte sich einer Mutprobe gleich in den düsteren Wald.

Ich sank auf einen Stein, zog die Stiefel aus und massierte meine geschundenen Füße. Werd mir noch ne Blase laufen. Wenigstens meine helle Leinenhose und das dünne Baumwollhemd behaupteten sich heldenhaft gegen den kühlen Wind. Wär schön, wenn man mit Portalen überall hin käm. Au.

Wie von der Kreatur beschrieben hatte ich den Templer gefunden. Am Abend desselben Tages saß ich nun hier auf dem Stein und betrachtete meine neuen Reisegefährten. Marlen und Issa kamen gerade den Pfad entlang. Marlen erläuterte ihrer Tochter die Wege des Zoik. Sofort zuckte mein Kopf zu Gerole, der Templer aber mischte sich nicht in ihre Lektionen ein.

Ein waschechter Templer in Kettenhemd und Langschwert. Ziemlich sicher kann er Magie wirken. Gerole von Hagen war eine beeindruckende Gestalt. Seine Locken klebten verschwitzt an Kopf und Nacken, seine Brust hob und senkte sich ob des langen Marsches, doch mit sicherer Stimme erklärte er den Waldrand zum Platz der Abendrast.

Marlen beendete ihre Predigt, irgendetwas über den Wert des Vergänglichen, und suchte nach Alax. Der Magier war zurückgeblieben und untersuchte einige Pflanzen.

Komische Reisegruppe, bestaunte ich die orangen beleuchteten Hügel, aber besser als allein ...

"Auf, komm mit."

Ich blickte an Marlen hoch. Mit strengem Blick nickte sie zur Seite.

"Wir kümmern uns um das Essen und machen ein Feuer."

Ich zwang meine Füße zurück in ihre ledernen Gefängnisse – Au – und humpelte ihr nach. Dabei hielt ich mich unauffällig von Gerole fern.

Einerseits hatte mich der Templer bereitwillig in seine kleine Gruppe aufgenommen, wie auch schon Marlen und Issa. Doch stellten ihn meine Antworten auf seine Fragen nicht wirklich zufrieden. Was weiß ich auch über Zoik den Stoischen? Etwa so viel wie ein Panagea von höherer Beschwörungsmagie.

Bereits bei unserem Treffen heute Mittag hatte er mich über meine spirituelle Seite ausgefragt.

Ob ich denn eine Folgerin des großen Zoik sei, wenn ich mich ihnen schon angeschlossen habe. Noch nicht, hatte ich brav geantwortet. Ernst war er fortgefahren, eine junge Frau solle zwischen Markt und Herd Platz für den Tempel haben. Gerade noch hatte ich mir verkniffen zu fragen, wo er denn Platz für meinen Stiefel habe. Er offenbarte mir, Zoik sei einer der Alten Acht, der hohen Götter, der Schirmherr der Beständigkeit.

Von da an war die Unterhaltung abwärts gegangen, aber er hatte die Hoffnung an mir nicht aufgegeben. Marlen als eifrige Gläubige unterstützte ihn gerne in seinen Ausführungen. In Gegenwart des Templers wurde sie nie müde, ihr Wissen über Zoik mit ihrer Tochter und mir zu teilen. Still lauschte ich ihren Bräuchen und Traditionen.

Issa kümmerte sich bereits um Geroles Pferd. Erleichtert machte ich mich an die Feuerstelle. Pferde auf Ferun sind so massig und ham so große Zähne. Weiß nich was mit Issa falsch ist, dass sie so vernarrt is in die Viecher.

Kurze Zeit später saßen wir um die Feuerstelle. Zwar war das Feuer nicht von mir, Marlen hatte mir nach einigen Versuchen den Feuerstein entnervt aus der Hand gerissen. Aber ich kann sitzen und meine neuen Gefährten teilen ihr Essen mit mir. Erfreut nahm ich zur Kenntnis, Zoik der Stoische bestand auf keine langatmigen Reden vor, nach oder während des Essens.

Gerole fragte munter drauf los, er kannte Marlen und Issa auch noch nicht. Sie hatten sich ihm erst an diesem Morgen angeschlossen, kurz bevor sie mich getroffen hatten.

Die Pfadfinderin Marlen begleitete ihre heranwachsende Tochter zu den Tempeln nach Talahir. Im gesegneten Land werde sie ihre Hochzeit feiern. Da Zoik auch der Gott der Ehe und der Traditionen war hatte Gerole sie gerne aufgenommen.

Gerole von Hagen war nach eigenen Worten auf einer Reise durch die Bergdörfer. Als Templer stelle er Wort und Schwert in den Dienst der Gläubigen, um Wehrlose zu schützen, Streit zu schlichten, bla, bla, bla. Ich weiß, du bist auf einer viel größeren Reise. Relikt und so. Die Stimme Sareas flüsterte mir zu, er ist vorsichtig, aber er kennt uns ja noch nicht. Seit Sareas Tod meldete sich hin und wieder ihre Stimme. Nicht immer hilfreich, nicht immer nett, aber sie war da. Keine Ahnung wie oder warum. Noch hat sie's mir nicht verraten.

Gerole betonte noch, er wache über alle treuen Folger Zoiks. "Und natürlich", nickte er in meine Richtung, "Über alle, die Zoik vielleicht in Zukunft zu ehren lernen."

Der Magier Alax war ein junger, aber ernster Avon. Wie alle Avon bedeckte ihn kurzes, weiches Fell, bei ihm ein dunkles Braun mit kräftigem grünem Streifenmuster. Er zog seine Reisejacke eng um seine schmächtige Gestalt, der Abend zu kühl für Hemd und Hose. Seine abstehenden Brauenbüschel und die gespreizten Barthaare zuckten kurz.

"Ich reise gemeinsam mit dem Prediger Gerole in diesen gefährlichen Zeiten."

Auf seine wenigen Worte folgte ein Schweigen, welches weder er noch Gerole mit einer Erklärung zu füllen gedachten. Seine mandelförmigen Augen mit den geschlitzten Pupillen suchten in unseren Gesichtern. Ich suchte zurück.

Er verrät ja weniger als Gerole. Wir ham nich viele Avon auf Ladrae. Aber vielleicht kann ich unter vier Augen mit ihm reden, weg vom Templer.

Schließlich richtete Gerole seine tiefe Stimme an mich.

"Und was führt Euch in diese Gegend, Kassandra? So ganz ohne Begleitung? Welches Heim nennt Eure Sippe ihr Eigen?"

Aller Augen wandten sich mir zu. Unsicher strich ich durch mein Haar. Mein Dorf ist zerstört und ich will meine Schwester retten? Ein Rieseninsekt hat mich hergeschickt, um für den Priester Asternis ein Relikt zu finden? Aber all das wollte ich vorerst für mich behalten. Templer reagieren empfindlich auf Leute, die Relikte ergaunern wollen. Erst mal rantasten.

"Ich bin auf dem Weg ins gesegnete Land Talahir. Genau wie Ihr." Seid Ihr doch, oder?

Gerole hakte direkt nach.

"Woher kommt Ihr denn, so Ihr schon länger unterwegs seid? Und was erwartet Euch in Talahir?"

Bin durch ein Portal gekommen. Lange Geschichte.

"Im gesegneten Land gibt's allerlei wundersame Dinge. Viele Wege zum Glück." Eins dieser Dinge würd ich mir gern ausleihen. Ihr könnt mir gewiss den Weg dahin weisen, oder? "Ich will Orte sehen, die nich jeder sieht. Mich nützlich machen und arbeiten für mein Glück. Ursprünglich komm ich aus ..." Die Stirn in Falten gelegt durchforstete ich meine Erinnerung nach Orten auf Ferun. "... Den Freien Städten."

Selbst Gerole war überrascht.

"Und da seid Ihr hier? Wie habt Ihr das geschafft, Kassandra? Von den Freien Städten führt kein Weg durch diese Gegend nach Talahir. Wo hat Eure Reise denn begonnen?"

Heiße Panik schoss mir ins Gesicht.

"Ja, ich weiß", antwortete ich zerknirscht, "Hab einen unfreiwilligen Umweg genommen und mich verlaufen. Ein Unwetter hat den Weg ausgespült. Dann war die Nacht voller Rufe und Schatten. War mir nicht geheuer."

Gerole zog die Augenbrauen hoch.

"Die Wälder in diesen Höhen sind nicht bekannt für ihre Gefahren. Einige Dörfer, Rehe und Füchse. Gäbe es hier Raubtiere oder Wegelagerer, ich würde mich derer annehmen. Eure Sinne haben Euch sicherlich einen Streich gespielt. In der Nacht wird eine knorrige Eiche zu einem Monster, ein Schatten zu einem Dämon."

Templer hin oder her – das lass ich nicht auf mir sitzen! Auch Sarea meldete sich. Nutz die Aufmerksamkeit. Erzähl ihnen was sie hören wollen. Damit sie dir vertrauen. Und lenk das Gespräch darauf, was du wissen willst.

Ich stocherte mit einem Stock im Feuer herum, während ich fieberhaft nachdachte. Das Relikt ist an einem Ort der Macht. Was auch immer das ist, eine arkane Zuflucht oder eine heilige Enklave oder so. Irgendwas wo nicht jeder hinkommt. Gerole weiß mehr darüber. Er muss mir nur vertrauen!

"Wenn ich's Euch sage! Ein reisender Zauberer hat erzählt, sie heuern Leute an in etwas, das er Ort der Macht nannte. Gefährliche Arbeit, aber ehrenvoll und gut bezahlt. Ich war auf dem Weg, den er beschrieben hatte. Es war schon nachts und es gewitterte."

Angestrengt suchte ich nach brauchbaren Erinnerungen. Lange her, vor den Toren irgendeiner Stadt. Das Portal, dass sich damals öffnete ...

"Es war bestimmt nich mehr weit, da blitzte es fürchterlich! Über dem Weg erschien ein Loch in der Luft! Oval mit Funken am Rand. Es schimmerte, als wären die Bäume dahinter noch da, aber eben auch nicht. Dann galoppierten Reiter heraus. Und eine Kutsche sprang hinterher!"

Mit ausschweifenden Handbewegungen erweckte ich meine Worte zum Leben. "Mit schwarzen Nieten war die Kutsche beschlagen. Und ein Banner hatten sie wehen! Die Reiter waren bewaffnet! Dann bin ich gerannt so schnell ich konnte."

Gerole wechselte einen unleserlichen Blick mit Alax. Ein Kräuseln brachte das Fell des Magiers in Unruhe. Der Templer wandte sich mir mit ernster Miene zu.

"Was Ihr beschreibt, Mädel, klingt nach einem Portal. Gelegentlich tun sie sich auf. Meist speien sie Unheil und Verderben. Das sind beunruhigende Neuigkeiten. Könnt Ihr Euch an dieses Banner erinnern?"

"Natürlich! Also, war zwar nachts, aber grün war es. Ein gelber Kreis in der Mitte und vier Zeichen drumherum. Sicher eine Räuberbande ..."

Marlen zog eine Augenbraue hoch, als hätte ich eine falsche Antwort gegeben. Geroles Miene entspannte sich sichtlich. Still amüsiert fragte er weiter.

"Grün. Ein gelber Kreis. Diese vier Symbole, sie waren eine Brücke, eine Sonne, ein Oval und eine Welle? Alle in blau?"

Für Alax wich schlagartig die Spannung aus dem Gespräch. Sein Fell glättete sich, wortlos rieb er seine Stupsnase. Verunsichert rollte ich die Seiten meiner Zunge nach oben.

"Jaaa ...?" Mir war, als hätten alle anderen einen Witz verstanden, der auf meine Kosten ging. "Oy, Ihr scheint ja Bescheid zu wissen! Vielleicht wollt Ihr mich einweihen!?"

"Kassandra, Ihr seid einer Handelskarawane begegnet, von den Drei Wegen. Sie reisen über Wasser, Luft und Land. Häufig auch durch Portale in andere Sphären. Die bewaffneten Reiter hatten wohl weiße Umhänge mit blauen Symbolen? Dann waren sie Söldner der Helfenden Hand. Sie verdingen sich vielen Anliegen. Auf ihren ausgedehnten Reisen sind die Händler vorsichtig. Nicht zuletzt", ein versöhnliches Augenzwinkern, "Ist dies auch eine Eurer lobenswerten Eigenschaften. Auch wenn Ihr in diesem Fall zu behutsam wart."

Ich zog einen Schmollmund und senkte meine brennenden Wangen. Das damals war nur eine langweilige Handelskarawane mit ein paar Söldnern? Hatte ich anders in Erinnerung. Sarea schwieg dazu. Zwischen einigen Haarsträhnen betrachtete ich die Anderen.

Marlen runzelte die Stirn, wie ein Vormund, deren Schützling gerade bei einer Prüfung versagt hatte. Ihre Tochter unterdrückte ein Kichern, aber Issa konnten keine bösartigen Wesenszüge unterstellt werden.

Alax' mandelförmige Augen hielten sich von mir fern, aber sein gesträubtes Fell verriet mir, er war nicht entspannt.

Gerole lag zurückgelehnt und kämmte sich den lockigen Bart. Seinen Augen entging nichts, während er gleichzeitig auf Abstand blieb, als stünde er über diesen weltlichen Dingen. Er is ne harte Nuss. Ich will wissen wie ich zu diesem Ort der Macht komm, und er weiß es. Immerhin, wirklich ernst nimmt er mich nicht mehr.

"So sagt, Kassandra. Ein fahrender Zauberer hat erzählt über diesen Ort der Macht? Was wolltet Ihr dort wohl erreichen?"

Jetzt gilt es. Er muss merken, unsere Ziele sind gar nicht so verschieden!

"Der Zauberer hat erzählt, Priester wollten ihn anheuern. Er hat abgelehnt. Doch für mich ist das genau das Richtige. Ehrenvolle Arbeit für pfiffige Kerlchen wie mich. In diesen Orten der Macht müssen wichtige Dinge sein", legte ich einen Köder aus, "Relikte der Götter! Die wollen beschützt werden. Vielleicht braucht ein hoher Priester Hilfe, eines zu transportieren oder einzusetzen ...?"

Gespannt sah ich ihn an. Der Templer sagte nichts. Er kämmte seinen lockigen Bart und nickte leicht vor sich hin. Dann war der Moment vorbei.

"In der Tat", lenkte er das Gespräch weg vom mysteriösen Ort der Macht, "Zauberer werden angeworben. Für wichtige Aufgaben, und viele folgen dem Ruf." Er schaute lange zu Alax hin. Der Zauberer ist in die Sache verwickelt. Er ist nicht zufällig hier. Gerole breitete die Arme aus.

"Die Welt ist im Wandel. Zauberer und Priester stehen gemeinsam in diesen gefährlichen Zeiten. Einige zumindest, welche die Tragweite der Ereignisse verstehen."

Auf unsere fragenden Blicke hin setzte Gerole sich auf.

"Zoik der Beständige erreicht mehr Gläubige denn je zuvor. Nicht alle anderen Götter sehen dies wohlwollend. Allen voran Talbur der Geblendete befindet sich im freien Fall und gönnt seinem Bruder Zoik nichts. Niedere Götter versuchen in die Lücken aufzustoßen. Und wo stolze Götter an Macht verlieren, schlagen ihre Diener um sich. Doch", schloss er mit einem Seitenblick auf Alax, "Genug davon."

Geroles Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf mich.

"Wie auch immer. Schließlich seid Ihr in eines der Dörfer gelangt. Sagt, wie wurdet Ihr empfangen, bevor wir uns trafen?"

Bedacht überlegte ich mir jedes Wort.

"Ich war nicht lang dort. Grad seit gestern Abend erst. Die Einwohner waren sehr gastfreundlich", folgte ich einer Eingebung, "Eine Lage in der Scheune und eine heiße Suppe. Sie meinten, in Zoiks Armen sei jeder willkommen."

Marlens Stirnrunzeln wich einem zufriedenen Lächeln. Alax' Fell jedoch sträubte sich, als hätte er auf etwas Saures gebissen. Gerole betrachtete meine verschiedenfarbigen Augen, mal das blaue, mal das grüne. Er weiß noch nicht was er von mir halten soll. Seine selbstgefällige Stimme durchdrang die Nacht.

"Zoik ist der Gütigste der Alten Acht, der Gefährte des Wanderers, der Liedersänger am Lagerfeuer. Ihr kamt zu uns mit Worten, Euch nützlich machen zu wollen. Ich bin ehrlich, jenseits dieser Höhen sind die Gefahren zahlreich. Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, Euch in der Nähe eines Ortes der Macht zu sehen. Ihr könnt uns bis in eines der nächsten Dörfer begleiten. Dann trennen sich unsere Wege, zumindest kurzzeitig. Vielleicht könnt Ihr dort auf uns warten. Danach gehen wir tiefer nach Talahir hinein."

Eher wird Ladrae so grün wie Ferun. Zurück gibt es nicht mehr. Ich unterdrückte den Drang auszuspucken und wandte mich neuen Lügen zu.

"Wisst Ihr, in den Freien Städten aufwachsen bedeutet Acker pflügen, Fallen stellen, Wild ausnehmen. Ein paar Ehemänner gegen die Raubritter verlieren, neue Fallen stellen. Hab genug davon gesehen um zu wissen, das brauch ich nich. Ich bin abgehauen um die Welt zu sehen, das ganze Sphärenrund! Ich kann mich behaupten, und das werd ich beweisen."

Im Nachhinein wurde mir klar, den Folgern des Sesshaften zu offenbaren, ich wolle mit Tradition und Familie brechen um neue Wege zu gehen, war nicht besonders schlau. Nur Alax' Fell kräuselte sich amüsiert. Egal. Die Fragen ham ein Ende. Sie glauben mir. Soweit. Und ich weiß, Gerole kennt diesen Ort der Macht.

Das Gespräch wandte sich der bevorstehenden Hochzeit zu, ein hohes Freudenfest bei den Folgern Zoiks. Schließlich verkündete Gerole, er würde die Nachtruhe antreten, was in allen den einvernehmlichen Wunsch weckte es ihm gleich zu tun. Mürrisch verbarg ich meine Enttäuschung.

***

Gerade hatte ich meine Decke um die gröbsten Wurzeln herum gelegt, als Alax den Pfad hinunter schritt. Schnell prüfte ich die Lage – Marlen schob noch Erde über die restliche Glut, die anderen sah ich nicht. Leise erhob ich mich und folgte dem Magier. Hat er irgendwas Magisches vor? Oder trifft er sich im Geheimen mit Gerole?

Doch er bückte sich nur nach ein paar Setzlingen am Wegesrand. Ich trat neben ihn, seine geschlitzten Pupillen schweiften von oben bis unten über mich. Das dünne Baumwollhemd is grad lang genug als Nachthemd. Egal, die langen Ärmel verstecken meine Tätowierungen.

Ich ging neben ihm in die Hocke. Er stellte mich seinen grünen Freunden vor.

"Lohecho. Man sagt, es wandere nicht mit der Sonne, sondern mit dem Mondschein. Es zieht aus der Nacht mehr Kraft als andere Pflanzen aus dem Tage."

"Mmh ... hm ...", murmelte ich und versuchte die eine Sorte Unkraut von den anderen zu unterscheiden. Hab Pflanzen noch nie wandern sehn. Bin aber auch nich grad Experte dafür. Wahrscheinlich würd ich eine wandernde Tanne erst bemerken, wenn sie mich freundlich grüßt und nach dem Weg fragt.

Der Avon hatte sich damit genauer beschäftigt oder besaß als Magier die Eleganz und Würde so zu tun als ob. Er war nur etwas größer als ich, das kurze und weiche Fell glatt und gepflegt. Die abstehenden Haarbüschel an seinen Brauen zitterten, als spüre er meine Augen auf sich. Wie groß ist seine Macht? Sucht er zusammen mit dem Templer nach diesem Relikt? Oder ham sie doch andre Ziele?

"Lohecho ist ein wirksames Mittel gegen Albträume und", ein Seitenblick auf mich, "Gegen Monster, Hexen und Dämonen. Zumindest dem Volksmund nach."

Ich zuckte zusammen. Lass dir nichts anmerken, hauchte Sarea. Vielleicht spürt er Deine Magie. Aber er weiß nix über Dich. Sonst würd er nich so entspannt dasitzen.

"Ihr seid also nicht nur ein Zaubermeister, sondern auch Alchemist?"

"Nun ja, nicht wirklich. Aber man nimmt einiges mit. Magie ist nicht immer die Lösung, wisst Ihr." Oh ja. Nur zu gut.

Vielleicht war Alax misstrauisch, aber noch fischte er im Trüben. Vielleicht meine Augen. Die meisten irritiert das.

"Dennoch müsst Ihr ein mächtiger Magier sein, wenn Ihr mit einem gesegneten Templer reist. Gerole scheint nicht jeden um sich zu dulden und hält Euch in großem Respekt."

Wirkungslos prallten meine Komplimente an seinem Desinteresse ab.

"Ist das so? Und woran glaubt Ihr das erkannt zu haben?" Seine kühlen Augen schätzten mich ab, mir fröstelte leicht. Na schön, du Klugscheißer. Neuer Versuch.

"Nun, Ihr seid ein Zauberer, er glaubt an die heilige Macht. Dennoch reist ihr zusammen. Er vertraut Euch in diesen gefährlichen Zeiten ..."

Ich merkte, ich spielte wieder mit meinen Haarsträhnen und zwang meine Hand herunter. Zeit, was aus ihm heraus zu kitzeln.

"Ihr seid nich zufällig hier. Ihr habt ein Ziel. Ich hab ein Ziel. Vielleicht wollen wir dasselbe? Wenn wir doch schon zusammengekommen sind, hier im Land des Glaubens, erleuchtet und fromm?"

Erneut sträubte sich sein Fell, als hätte er etwas Saures geschluckt.

"Gerole von Hagen und ich haben gemeinsame Interessen. Er ist ein begabter Mensch mit einer Mission." Er rümpfte seine Stupsnase. "Wir respektieren und vertrauen uns."

Klare Ansage. Struppi verrät nichts ohne Geroles Zustimmung. Dennoch bohrte ich weiter.

"Ich war allein unterwegs. Das ist gefährlich. Ehrlich gesagt würd ich mich besser fühlen, wenn ich mich euch anschließen dürfte." Mit großen Augen fügte ich hinzu, "Und ich bin nich auf den Kopf gefallen. Ich kann euch helfen. Da bin ich sicher."

Unbeeindruckt nickte er zu meinem Handrücken.

"Ja, Gefahr scheint euer zweiter Vorname zu sein."

Schnell bedeckte ich die Narbe.

"Ich ... Ähm ..." Bin ausgerutscht und hingefallen?

Nein, gib ihm ruhig recht, winkte Sarea ab, Magier werden gern geschmeichelt.

"Ja. Allein können schlimme Dinge passieren-"

Scharf fuhr er dazwischen.

"In den Freien Städten? Daher kommt Ihr doch? Mir war als sagtet Ihr, dort würde man Fallen stellen und Acker pflügen?"

Stumm nickte ich. Seine grünen Augen blitzten.

"Die Freien Städte liegen am Meer, Kassandra."

Ein kühler Schweißtropfen rann meinen Nacken herab. Oh.

"Ähm, ja. Tun sie."

Unleserlich schaute er mich an.

"Tun sie?"

Verdammt. Erwischt. Keine Panik jetzt.

"Hört, Alax", fischte ich schnell nach einer Geschichte, "Ich komm nich aus den Freien Städten. Ich ..." Erzähl's Euch, sobald ich's mir ausgedacht hab.

Bleib nah bei der Wahrheit, raunte Sarea, das sind die besten Lügen.

"Meine Heimat. Mein Dorf. Nur noch Asche." Bitter rief ich Erinnerungen wach, nicht lange her. "Dieser reisende Zauberer, von dem ich erzählte", improvisierte ich, "Leute kamen und suchten ihn. Wollten von ihm über den Ort der Macht wissen. Er war dort gewesen. Sie waren Folger dieses Talbur", erinnerte ich mich an den Namen dieses anderen Gottes. "In unserm Dorf ham sie ihn gefunden. Sie ham gekämpft."

Alax Fell war angelegt, grün schimmerten die Muster in der Nacht.

"Als er ihnen nichts verraten hat, sind sie ausgerastet. Viele wurden getötet. Bekannte, Freunde, meine ..." Das Wort Schwester wollte mir nicht über die Lippen. Ich schluckte. "Meine Sippe hatte ihn aufgenommen. Als alles vorbei war, ham sie mir die Schuld gegeben."

Alax schaut ganz genau, er fühlt nach mir. Ich geb ihm noch ein Stückchen Wahrheit. "Ich bin magisch begabt. Sie meinten, ich hätt die Angreifer provoziert. Sie waren froh, mir die Schuld geben zu können." Magier als Sündenbock, das kennt er doch bestimmt? "Alle die ich kannte sind tot. Und ich bin im Exil."

Wachgerufene Erinnerungen ließen meine Unterlippe zittern. Bravo, Hingebung klatschte gerührt Beifall.

Alax suchte in meinen Augen nach Schwächen in der Geschichte. Er sah nur meinen Schmerz. Seine Stupsnase zuckte.

"Deshalb wollt Ihr nach Talahir? Um es Talbur heimzuzahlen? Warum gebt Ihr vor, aus den Freien Städten zu sein?"

"Wir hams nich groß mit Göttern, da wo ich herkomm. Hier ist alles neu und fremd. Ich wusste nicht, wer Gerole genau ist. Wie er zu der Sache steht. Was für Leuten ich in Talahir noch begegnen werd." Den Kopf gesenkt starrte ich ihn unter den Augenbrauen hervor direkt an. Jetzt gilt's. Verrat mir was, irgendwas. "Ich will zu diesem Ort der Macht. Die Folger Talburs wollten was. Und ich will nicht, dass sie's kriegen. Ihr wollt auch dahin oder wisst wenigstens, wo das ist! Lasst mich euch helfen. Oder helft mir."

Er zögerte kurz. Sein Blick schweifte zu Boden, wellenförmig kräuselte sich sein Fell. Aber seine Stimme blieb fest.

"Mein Beileid zu Eurem Dorf. Das Ihr zwischen die Fronten Zoiks und Talburs geraten seid. Sicherlich könnt Ihr uns ein Stück begleiten. Wie Gerald sagte, wir suchen ein Dorf. Von dort aus haben wir etwas zu erledigen. Wenn Ihr dort warten wollt, bis wir weiterziehen, gerne. Aber lasst ab von Orten der Macht, von Göttern und Relikten. Nichts Gutes wird daraus kommen. Nicht für Euch, nicht für uns. Es gibt so viel, dass Ihr nicht wisst. Sucht Euer Glück woanders. Vielleicht bei der Helfenden Hand oder einer Karawane der Drei Wege. Wie die aussehen, wisst Ihr ja jetzt."

Er erhob sich und blickte nicht nur aufgrund des Höhenunterschieds auf mich herab.

"Bis dahin wünsche ich Euch eine geruhsame Nacht. Solltet Ihr unter Albträumen leiden, ich hab noch etwas Lohechobalsam."

Zielstrebig ging er zum Lager zurück. Nun, das war ernüchternd. Aber ich erfahre eure Geheimnisse noch. Wie mir aufgetragen wurde.

So ging ich schlafen. Nicht wirklich schlauer als vorher. Und wie jede der letzten Nächte mit Gedanken an meine Schwester. Wo bist du nur? Wie geht's dir wohl?

Die dunkle Stimme antwortete. Washab ich getan, um ihr zu helfen? Nichts. Und Sarea? Sie ist tot, wegen mir.Meine Schuld.

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