BETRAYAL

De AlloraFiore

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Triggerwarnung! Das Buch spricht Themen wie Missbrauch, häusliche Gewalt, Drogenkonsum, SVV, Suizid und psyc... Mais

R Y O U
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XLI
XLIII
S O R A Y A
C A S T - I N T E R V I E W
C A S T - A N S W E R S

XLII

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De AlloraFiore

× 20 Minutes ×

«Darf ich dich etwas fragen?» Meine Stimme drohte, als wäre sie eine zu Boden fallende Weinflasche, zu zersplittern. So sehr, dass es sich sogar anfühlte, als würde ich mit Scherben in der Kehle sprechen, die mich innerlich aufschnitten und quälten.

Ryou nickte langsam und wartete mit gesenktem Blick auf meine Frage. Er hatte mir erklärt, warum er es tat, warum er Leute tötete, aber wie kam es zu Kian Walker? Wieso ein Praktikum bei Leuten, die man angeblich hasst?

«Wieso hast du Kian Walker erschaffen? Waru-» «Warum habe ich ein Praktikum bei der Polizei angefangen?» Ich nickte ihm zu und wich seinem Blick aus, als er mich komischerweise aus vergnügten Augen ansah.

«Du bist auf bestem Wege, selbst eine super Polizistin zu werden. Das solltest du doch schon längst durchschaut und verstanden haben.» Wieder nickte ich, denn er hatte recht, aber ich wollte es von ihm hören. Seine Worte würden meine Neugierde befriedigen und ruhigstellen können. Meine Vermutungen und Spekulationen konnten das nicht.

Ich wusste nicht, was ich Ryou antworten könnte, weshalb ich ruhig geblieben war, jedoch wartete er auf irgendetwas. Er erhoffte sich, dass ich es für ihn aussprechen würde, aber ich tat es nicht. Deswegen bewegte er sich zwei kleine Schritte von mir weg und ein Seufzen entfloh seinen eigentlich so rötlichen Lippen, die heute ein dumpfes, lebloses rosé verkörperten.

Ryous Glanz verblasste. Oder, um es richtig zu sagen: Kians Glanz, den er als Schutzschild um sich geschaffen und getragen hatte, war verschwunden. Ryous Freude und Sonnenstrahlen, die er sicherlich als Kind in sich beschützt hatte, waren schon längst von ihm gegangen. Wahrscheinlich in dem Moment, als seine Mutter es auch getan hatte.

«Weißt du, am Ende des Tages bin ich immer noch ein Mörder, der so viele Leute wie möglich mit sich in den Tod reißen wollte. Auch jetzt. Ich denke, du verstehst nicht, wie laut die Schreie in meinem Kopf sind und wie schwer es mir fällt, nicht in dir und deinem Leiden das High zu ergattern, dass mir jetzt gerade helfen könnte.»

Er kam wieder auf mich zu und lehnte sich weit zu mir herunter. «Meine Fingerspitzen kribbeln, meine Augen zucken hin und her und dieses grässliche Gefühl von Sandpapier, das meine Haut grob und mit jedem Zug aufreißt , kann ich nur loswerden, wenn ich diesen Kick verspüre.» Ich bewegte mich nicht, als Ryou seine Hand um meinen Hals legte und begann mich milde zu würgen.

Seinen Atem, den ich auf meinen Lippen spürte, ließ mich erschaudern, aber nicht aus Angst. Seit ich wusste, wer Ryou war, konnte ich mich nicht mehr vor ihm fürchten. Die Wahrscheinlichkeit, dass er mich hier und jetzt töten würde, war minimal.

Es bestand noch immer eine Chance, aber auch dies schüchterte mich keineswegs ein. Wenn er es tun würde, dann wäre es halt so. Ein Schicksal, das mir so dicht auf den Fersen hockte, würde ich nicht mehr versuchen zu verhindern. «Dir steht nichts im Weg. Ich halte dich nicht auf. Wenn es dir hilft, so tu es, töte mich.»

Ich nahm wahr, wie sein Atem stoppte, da ich ihn nicht mehr auf meinem Mund spüren konnte. Knappe 10 Sekunden vergingen, bis der Mann vor mir sich wieder regte. Seine Augen klebten an meinen fest und gerne hätte ich die Worte, die sie von sich gaben, entziffern können, aber dieses Mal ging es nicht. Ich konnte nicht. Es war so, als wäre alles in einer anderen Sprache, seiner Sprache.

Der Griff um meinen Hals wurde stärker, als er mich so näher an sich heranholte. Er schloss seine Augen und neigte seinen Kopf zur Seite. «Kian war meine Möglichkeit die Außenwelt zu verstehen, ohne von meiner Vergangenheit zurückgehalten zu werden», fing er an.

«Die Taten meines Vaters, sie sind wie eine dicke Metallkette, die an meinem Fußgelenk hängt und mich an einem bestimmten Ort festhält. Dieser Ort ist mein altes Badezimmer, meine Eltern vor mir.» Sein Griff wurde fester und mir entkam ein Krächzen, denn, auch wenn ich keine Angst vor Ryou hatte, kappte er mir langsam die Luft ab.

Er bemerkte es, stoppte jedoch nicht. «Kian war meine Chance, dieser Hölle zu entkommen und das Praktikum war schlichtweg meine Informationsquelle für die Morde. Da gibt es keine andere, tiefere Bedeutung dahinter. Der Zugriff auf alle Systeme, der Einblick in die Ermittlung gegen mich und mein Input, der jegliche Hinweise darauf, dass ich es bin, aus dem Weg schaffen konnte. Das alles hat es mir möglich gemacht, so lange durchzuhalten. Das Vertrauen anderer hat mir so viele Türen geöffnet. Dein Anruf, nachdem wir nachts aufeinander getroffen sind, hat mir die Möglichkeit gegeben, einen Fehler meinerseits zu beheben, ohne, dass es irgendjemand bemerkt hat.»

Die Bluse, meine Bluse. Mir ging ein Licht auf. «Du hattest recht. Ich habe damals keine Handschuhe getragen, als ich dich gesehen habe. Meine Fingerabdrücke waren auf deiner Bluse, aber da du bei mir übernachtet hast, konnte ich diese vernichten.» Er stoppte kurz und dachte nach.

Ein Kopfschütteln zeigte mir, dass da noch vieles mehr von ihm beeinflusst wurde, aber er selbst konnte nicht mehr alle aufzählen. «Weißt du, ich habe dir so viele Hinweise gegeben, aber du und die anderen konnten diese, für mich klaren Anspielungen, nicht erkennen.»

«Als Franzose muss er schon fast Französisch können und wenn er hier arbeitet, können wir ja mal ein bisschen austesten, wer die Sprache der Liebe kennt und beherrscht.» Ich musste anhand Kians Wortwahl auflachen und meine rechte Augenbraue sprang kokett in die Höhe, als ich für einen kurzen Moment vergaß, wie scheiße es mir eigentlich ging. «Lass mich raten. Du sprichst die Sprache der Liebe fließend.» Kian befeuchtete seine Lippen und sah zu Morris, der sein Gesicht in seinen Händen versteckte. «Genau», scherzte Kian.

Vorsichtig legte ich meine Hand um Kians Handgelenk von seiner Hand, die mich würgte. «Du hast Hinweise gegeben und Anspielungen gemacht, aber trotzdem wolltest du nie gefasst werden, bis-» «Bis du es unbewusst geschafft hast, dass ich nicht mehr Kian sein wollte.»

Er hörte auf, mich zu würgen und seine Handfläche, streichelte ihren Weg zu meiner Wange, die er, im kompletten Gegenteil von eben, ganz sanft und liebevoll hielt und fühlte. «So bizarr es auch klingen mag, aber ich habe mich in dich verliebt, während du dasselbe getan hast, aber nicht mit mir, sondern mit einem anderen Menschen, den du zu kennen geglaubt hast.»

Seine andere Hand tat dasselbe und ein sanftes Kribbeln wanderte unter meiner Haut durch. «Und während Kian dachte, dies sei die perfekte Möglichkeit, um alle zu töten, wollte ich tief in meinem Inneren nicht, dass ich dich in dasselbe schwarze Loch ziehe, in dem ich schon seit Jahren lebe.» Sein Daumen streichelte über meine Wange und ich schloss meine Augen.

«Was denkst du, warum ich den Kontakt abbrechen wollte? Aber da dies nicht geklappt hat, nehme ich es gerne in Kauf getötet zu werden, denn so kann ich sichergehen, dass ich dich nicht noch tiefer in meine Welt ziehe und sind wir mal ganz ehrlich miteinander, lebendig bin ich schon lange nicht mehr. Das weißt du. Jetzt zu sterben, wäre nichts schlimmes für mich.»

Er machte es mir unmöglich Worte zu finden, die ich ihm sagen könnte. Ich denke, er verstand nicht, wie schwer er es mir machte, mich damit abzufinden, dass es ihn nicht mehr lange geben würde. Wir beide ließen uns von dem Schweigen, dass plötzlich auf uns niederprasselte, einhüllen und ich versuchte zu nicken, aber selbst das ging nicht mehr. Auf Ryous Gesicht bildete sich urplötzlich eine gewisse Unsicherheit, als er mir einfach nur entgegenblickte.

«Ich weiß, du erwiderst meine Gefühle nicht, aber d-darf-» Er neigte sich zu mir herunter. «Darf ich dich küssen?» Noch immer fehlten mir die Worte und mein Herz schlug mir bis zum Hals, doch jetzt schaffte ich es wenigstens, ein Nicken von mir zu geben und der Mann vor mir führte meine Lippen zögerlich an seine heran. Ich wollte ihm sagen, dass ich seine Gefühle sehr wohl erwiderte, aber es ging nicht. Zu viel, aber doch beinahe gar nichts, schwirrte in meinem Kopf umher.

Seinen Mund auf meinem zu spüren, auch wenn nur knappe 5 Sekunden, wühlte mich so sehr auf, dass ich ihm nicht mehr entgegensehen konnte. Ich hielt meine Augen geschlossen, als ich Ryous Stirn an meiner spürte.

Die Tatsache, dass er ein Mörder war, hatte ich die letzten Minuten gekonnt übersehen. Um ganz ehrlich zu sein, flüsterte eine ganz feine Stimme in mir, dass er es nicht verdiente, zu sterben. Er sollte nicht bestraft und getötet werden, denn sein ganzes Leben bis hierhin war bereits eine Strafe für sich.

Dieses Flüstern ließ mich weinen. So sehr, dass Ryou sich etwas von mir entfernen musste, um mich genauer ansehen zu können. «Warum weinst du?» Ich hatte es schon zuvor getan, aber jetzt flossen meine Tränen unkontrollierbar ihren Weg über meine Wangen runter und kein Finger auf dieser Welt war dazu imstande, diesen Fluss zu unterbrechen.

«Du hast das alles nicht verdient! Das alles ist nur wegen deines Vaters passiert», erklärte ich und rieb mir selbst kurz über meine Augen. «Das ist nicht fair!» Ich schluckte den immer größer werdenden Kloß in meinem Hals herunter und suchte dann den Blick meines Gegenübers, denn dieser wartete schon auf mich.

«Ich kann das nicht akzeptieren, dass dir nicht zugehört wird! Man kann dich deswegen doch nicht einfach töten! Ich will das nicht!» Ich geriet in Rage, was ihn dazu führte, seine Hände wieder auf meine Wangen zu legen und mich näher an sein Gesicht heranzuführen.

«Stopp.» Plötzliche Stille schmolz über meinen Gefühlsausbruch und starr versuchte ich Ryous traurige Augen zu enträtseln. Was wollte er mir jetzt sagen?

«Hör auf.» Er seufzte und sah auf den Boden, als er sich aber gleich wieder aufrichtete. «Tu das nicht. Rede mein Töten nicht schön. Das will ich nicht.» Unsere Nasenspitzen streichelten einander, während ich meine Augenlider fest aufeinander presste, um versteckte, zurückgebliebene Tränen hervorzuholen und loszuwerden.

Da ich laut einatmete, wusste Ryou, dass ich etwas zu sagen hatte. «Lass uns verschwinden. Bitte, nur wir zwei. Ein anderes Land, andere Namen und ein neues Leben. Zu dritt.» Es schien mir so, als würde ihn mein Vorschlag erschüttern. Und er sah kurz auf meinen Bauch, seine Hand sehnte sich danach, ihn anzufassen, aber er hielt sich zurück.

«Sag das nicht. Erzähl mir nicht, was hätte sein können, hätte ich keine Menschen getötet, Soraya. Denk rational.» Er kam mir noch näher und ich spürte seinen Atem wieder auf meinen Lippen, die noch vom Weinen zitterten und etwas salzig schmeckten.

«Für mich gibt es keinen Ausweg mehr. Das weißt du schon lange, nur willst du das gerade nicht wahrnehmen und darum schlägst du Dinge vor, die dich in das Schwarze ziehen werden, von dem ich eben gesprochen habe.»

Sein Mund streifte meinen und ich zuckte zusammen, da es schön, aber doch so schmerzhaft war, ihn an mir zu spüren. Ryou muss es auch gespürt haben, denn er hielt kurz inne und atmete gequält aus. «Und ich möchte nicht, dass du dich meinetwegen, einem Menschen, der unmenschliches getan hat, aufgibst. Leb dein Leben weiter. Tu das für mich, okay?»

Sein Griff um meine Wangen wurde fester und ich legte meine Hände über seine. «Es gibt nichts, was mich im Moment glücklicher machen würde als das Versprechen, dass du dich weiter durchs Leben kämpfst.»

«Aber ich kann das nicht mehr ohne dich! Wie soll ich sorgenlos und freudig weiterleben können, wenn ich weiß, dass eine Seele wie deine nie die Erlaubnis hatte überhaupt zu leben?» Wieder stoppte er mich.

«Ich habe gelebt. Ich habe jede verdammte Sekunde, die ich bei dir verbringen durfte, ausgelebt und das mit wahrer Freude. Man hat es mir vielleicht nicht angesehen, aber ich war glücklich. Selbst jetzt bin ich es, weil du hier stehst und mir zuhörst. Du verstehst nicht, wie viel mir das bedeutet, welch Unmengen von Druck du mir von den Schultern nimmst. Das mag jetzt komisch klingen, aber ich denke, so kann ich beruhigt gehen. Es gab jemanden, der mich verstanden und akzeptiert hat.»

«Es gibt mich noch immer.» Meinen Konter ließ ihn sanft auflächeln und zum ersten Mal sah ich Ryou Mercier mit einem Lächeln auf den Lippen. Es war anders als das Lachen von Kian, welches nicht einmal ansatzweise an das sanfte Glitzern, was er jetzt von sich sprühte, herankam. Ehrlicher, offener und vor allem entspannter.

«Ich weiß und es soll dich auch noch nach mir geben. Also lass mich los.» Er bat mich darum, ließ mich jedoch in diesem Moment selbst nicht los. Ich wusste, was er meinte und mir wurde ganz mulmig zu mute. «Jetzt mag es dir vielleicht unmöglich erscheinen, aber glaub mir, du kannst es.»

Ich zog den Mann vor mir an meine Lippen und küsste ihn erneut. So eng aneinander stehend, legte ich meine Handfläche auf seine Brust, um seinen Herzschlag spüren zu können. Sein Herz, es schlug so gleichmäßig und ruhig, was mir zeigte, dass er mir die Wahrheit sagte.

Er wollte es. Er wollte, dass ich ihn durch meine Finger gleiten und gehen ließ. Und auch, wenn ich es nicht wollte, würde ich es für ihn tun.

Ihm wurde so oft widersprochen und er wurde so oft verletzt, da möchte ich ihm in seinen letzten Stunden, Minuten oder sogar Sekunden, genau das geben, was er von mir möchte.

Wir lösten uns wieder voneinander und Ryou muss es gespürt haben, meine endgültige Entscheidung muss bei ihm angekommen sein, denn er umarmte mich innig und versteckte sein Gesicht in meiner Halsbeuge. «Danke.»

*schluchz*

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