Der Hüne auf dem Drachenstuhl

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Atemlos schlug ich die Augen auf. Ich lag in einer riesigen Steinhalle. Die Halle hatte in etwa die Ausmaße von fünf Fußballfeldern und war so hoch wie zwei normale Häuser übereinanderstapelt. Die Decke wurde von Säulen aus Totenköpfen getragen, die einen Durchmesser von gut einem Meter hatten.

Ruckartig setzte ich mich auf. Sofort begann wieder alles zu schmerzen. Mein Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren. Mein rechtes Auge, oder besser gesagt, die Überreste dessen, was einmal mein rechtes Auge gewesen war, brannten höllisch. Meine rechte Hand strahlte einen pulsierenden Schmerz aus. Ich hatte solche Schmerzen, dass mir erneut übel wurde.

„Ich begrüße dich, Jack Springer. Willkommen in meinem Reich",

riss mich eine Stimme aus meinen Gedanken. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich nicht allein in der riesigen Halle war. In der Mitte der Halle stand ein Thron, der wie ein Drachenkopf geformt zu sein schien. Auf dem Thron saß ein Hüne von einem Mann. In der rechten Hand hielt er ein Kriegsbeil, als wäre es ein Zepter und an seiner linken Hüfte hing ein Breitschwert. Er trug eine emeraldfarbene Kutte, die mit einer braunen Schnur an der Hüfte festgebunden war. An diese Schnur war ein dreiköpfiger Hund gekettet, der geiferte und bellte.

Wie alles an dem Mann, war auch sein Gesicht eindrucksvoll. Es war grobschlächtig und ein mächtiger, rostroter Bart bedeckte seine Wangen und sein Kinn. Die Haare des Mannes waren ebenfalls rostrot und sahen aus wie ein Vogelnest. Seine Augen glühten feuerrot über seiner großen Nase.

„Woher kennst du meinen Namen? Und wer bist du überhaupt?"

Etwas Besseres fiel mir in dieser Situation wirklich nicht ein.

„Hahahaha, du hast Mumm, Kleiner! Das gefällt mir. Ich bin der Totengott Nergal. Und du..."

Weiter kam Nergal nicht. Bestürzt unterbrach ich ihn.

„Totengott? Heißt das, dass ich tot bin?"

„Würdest du mich ausreden lassen, dann wüsstest du jetzt schon mehr"

, knurrte Nergal bedrohlich. Dann fuhr er fort:

„Du bist nicht tot. Aber deine Tat heute hat mich beeindruckt. Nicht viele Leute überleben einen Kampf mit einem Gesegneten der Demeter. Vor allem, wenn sie selbst keine Magie beherrschen. Deshalb möchte ich dir ein Angebot unterbreiten. Ich gebe dir einen Orden und dafür dienst du mir."

„Warte kurz. Ich bekomme einen Orden und dafür soll ich dir dienen? Das werde ich nicht tun. Erstens muss ich zurück zu meiner Familie und zweitens, was fange ich denn schon mit einem Orden an?"

, erwiderte ich empört. In mir brodelte es wie in einem Ozean. Für wen hielt sich dieser Typ eigentlich. Und wenn er mir 20 Orden verliehen hätte, ich hätte abgelehnt!

„Ah, wie ich sehe bist du noch nicht mit dem System vertraut. Lass es mich dir erklären. Die Welt, wie du sie kennst ist eine einzige große Lüge. Alles ist wissenschaftlich erklärt. An Magie und übernatürliches glaubt sowieso keiner. Und an Götter und andere mythische Wesen schon gar nicht. Tatsache ist allerdings, dass wir Götter genauso real sind wie ihr Menschen es seid. Wir gehören einfach einer anderen Rasse an. Und natürlich sind wir unsterblich und verfügen über besondere Fähigkeiten. Vollbringt nun ein Sterblicher eine Tat, die uns gefällt, so haben wir Götter die Möglichkeit ihn unter unsere Fittiche zu nehmen und ihm unseren Segen in Form eines Ordens zu geben. Dieser Orden enthält einen Teil der Magie des Gottes, der ihn hergegeben hat. Er besteht sozusagen aus Magie und wird von deiner Seele getragen. Durch einen Orden können sich auch körperliche Veränderungen einstellen, aber das wichtigste ist, dass derjenige, der einen Orden verliehen bekommt, die Magie des Ordens einsetzen kann.
Hat man einmal einen Orden akzeptiert, so kann er einem nie wieder genommen werden. Dafür ist man dann der Champion desjenigen, der den Orden verliehen hat. Ein Gott kann mehrere Orden verleihen und so seine persönliche Familie zusammenstellen.
Nun, was sagst du? Nimmst du das Angebot an und trittst meiner Familie bei?"

Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Wie sollte ich das alles auf einmal bloß verarbeiten? Mein Kopf summte und meine Gedanken flogen umher wie aufgescheuchte Schmetterlinge.

„Es tut mir leid, aber ich werde ablehnen müssen. Ich habe schon eine eigene Familie, zu der ich auch zurückmuss",

brachte ich schließlich heraus. Und das würden vermutlich meine letzten Worte sein. Immerhin hatte ich gerade das großzügige Angebot eines Totengottes abgelehnt, in seine Familie aufgenommen zu werden.

„Da wäre ich mir nicht so sicher. Du hast Demeter verärgert. Hätte ich dich nicht hierhergebracht, dann hätte sie dich vermutlich schon vernichtet. Und nun, da du für sie unerreichbar bist, an wen wird sie sich wohl wenden?",

erwiderte Nergal ruhig.

Bestürzt blickte ich ihn an. Es konnte doch nicht sein, dass meine Familie wegen meiner Taten leiden musste, oder etwa doch? Ach was, der will mir doch sicher bloß Angst einjagen und mich dazu bringen seiner bescheuerten Familie beizutreten.

„Ich werde mich einfach vergewissern, dass es meinen Eltern und meinem Bruder gut geht. Ich bin mir sicher, dass sie wohlauf sind. Und dann werde ich für immer auf sie aufpassen",

entgegnete ich bestimmt.

Nergal musterte mich ungläubig und meinte dann:

„Na gut, wie du willst. Solltest du mich jemals erreichen wollen, so denke einfach daran, dass ich neben dir stehe und ich werde neben dir stehen. Aber hüte dich davor so etwas zum Spaß auszuprobieren."

Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, dass ich Nergal jemals wiedersehen wollte, war doch das Einzige, das ich momentan wollte ein normales Leben, doch ich nickte artig und versprach ihm, ihn nicht aus Jux herbeizurufen.

Nergal schnippte mit den Fingern und ein schwarzes Portal entstand in der Luft. Zögernd ging ich darauf zu. Schließlich gab ich mir selbst einen Ruck. Was war ich denn? Ein kleines Kind, das sich vor der Dunkelheit fürchtet? Entschlossen trat ich durch das Portal und stand bei mir zu Hause.

Das Buch der OrdenOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz