Es kommt so anders als man denkt

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Liebe ist geduldig und freundlich. Sie kennt keinen Neid, keine Selbstsucht, sie prahlt nicht und ist nicht überheblich.
Liebe ist weder verletzend noch auf sich selbst bedacht, weder reizbar noch nachtragend.
Sie freut sich nicht am Unrecht, sondern freut sich, wenn die Wahrheit siegt.
Diese Liebe erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles und hält allem stand.

- Paulus erster Brief an die Korinther

Die Tür zu der Mädchenumkleide fiel laut ins Schloss, während gleichzeitig eine junge Frau drinnen sich mit dem Rücken an die nahe Wand lehnte und sich an ihr hinunter rutschen ließ. Das lange feuerrote Haar diente wie ein Schleier, der die unaufhörliche Tränenflut über das schmerzverzerrte Gesicht verdeckte. Bei jedem Schluchzen bebte ihr gesamter zierlicher Körper.

„Ginny?", rief eine männliche Stimme.

Schwer atmend lehnte Ginny ihren Kopf gegen die Wand. Sie hatte Harry endgültig verloren und sie wusste nicht einmal warum. Hatte sie irgendwas verkehrt gemacht, war sie nicht attraktiv genug? Egal was es letztendlich war, die Gewissheit ihre große Liebe verloren zu haben, schmerzte unsagbar. Über Wochen hatte sie gehofft, dass Harry sich endlich wirklich für sie entscheiden würde. Aber vielleicht lag es auch gerade an den Entscheidungszwang, der ihn in die Arme von Hermione getrieben hatte.

„Ginny, bist du hier drin?", kam erneut die überaus besorgte Stimme von Neville, dies Mal jedoch direkt von der anderen Seite der Tür.

Ein weiterer Schluchzer kam ungehindert ihr über die Lippen.

„Ich komm jetzt rein.", warnte er und die Klinke wurde betätigt.

„Geh weg!", sie wollte nicht, dass sie irgendwer so sieht.

Doch Neville schien auf dem Ohr völlig taub zu sein. Für einen Augenblick war es als käme seine alte Unsicherheit bei ihm durch, sobald er die Tür geöffnet hatte und Ginny völlig aufgelöst auf dem Bodensitzen sah. Doch er besann sich eines besseren und eilte zu ihr, wie so viele Male zuvor auch, zu Seite. Sobald er saß, legte er einen Arm um ihre Schultern und sie lehnte sich in seine Umarmung.

„Harry?", unterbrach er die Stille.

Ginny nickte nur gegen seine Brust, viel zu aufgewühlt war sie.

„Was ist es dieses Mal?" Unterschwellig schwang Wut mit in seiner Stimme.

Es war möglicher Weise, diese leise Entrüstung, was sie am meisten tröstete. Wie kaum ein anderer war Neville ihr im vergangenen Jahr, oft auch gegen ihren Willen, zur Seite gestanden.

„Er hat sich für Hermione entschieden.", begann sie und sah ihn nun an.

„Endlich.", flüsterte Neville zwar aber Ginny hörte ihn trotzdem.

Verletzt, dass selbst er offenbar gegen sie war, wollte sie ihn wegstoßen, von ihm weg. Doch hielt er ihre Hand fest.

„Endlich hast du Gewissheit und die Chance wieder glücklich zu werden.", setzte er nach und sie beruhigte sich für einen Moment.

„Ich versteh es aber nicht, Neville? Bin ich denn so unausstehlich, was habe ich denn falsch gemacht?", verzweifelt fragte sie ihn während frische Tränen ihr über das Gesicht schossen.

„Nichts", Neville lächelte traurig, „rein gar nichts, Ginny."

„Aber-„

„ Man kann gewisse Dinge nicht mit jemanden durchleben ohne am Ende zu erkennen, dass man ohne diesen Menschen nicht mehr sein will." Unterbrach Neville sie bestimmt.

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