Kapitel 2

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Eine halbe Stunde später war ich fertig und lief schwer bepackt in den Gang, wo schon sieben andere Schüler warteten. In einer Gruppe standen sie zusammen und ich lehnte alleine an der gegenüberliegenden Wand, aber das war mir egal, schließlich war ich es nicht anders gewohnt. Endlich stolperten aus dem hintersten Zimmer die zwei letzten Schüler, auf die wir noch gewartet hatten und wir konnten losgehen. Der Oberstufenbetreuer Herr Freser ging mit uns ins Haupthaus und zeigte uns unsere Zimmer. Und wie ich erwartet hatte gab es nur Doppelzimmer. Das bedeutete, ich würde mit einem der drei Jungs in ein Zimmer kommen, die vorher wie ich ein Einzelzimmer gehabt hatten. „Ok, wegen der Zimmeraufteilung", fing Herr Freser gerade an, „Nathan, du wirst mit Felix ins Zimmer gehen und Tim, du mit Stegi. Ihr könnt jetzt eure Zimmer einrichten, die ersten zwei Stunden fallen dafür aus." Und mit diesen Worten drehte er sich um und lief den Gang hinunter. Betreten stand ich da und sah die Anderen fragend an. Die ersten liefen los und sahen sich die Zimmer an, um zu entscheiden, in welches sie gehen würden. Ich ging erst gar nicht mit, wir würden sowieso den kleinsten Raum bekommen und Tim würde mir dafür garantiert die Schuld geben. Als sich alle ihr Zimmer ausgesucht hatten, standen nur noch Tim und ich auf dem Gang. Zielstrebig steuerte dieser auf die letzte Türe zu und ich folgte ihm mit einigen Schritten Abstand. Als ich das Zimmer sah, rutschte mir mein Herz in die Hose. Es hatte eine Dachschräge und war total eng. Na super, Tim würde mich umbringen. Doch er machte keine Anstalten sich irgendwie über das Zimmer aufzuregen, stattdessen lief er zu den Betten und warf sein Zeug auf das, das näher am Fenster stand. „Hier penn ich!", rief er fröhlich und begann, seine Sachen auszupacken. Erschrocken stand ich immer noch wie angewurzelt da und konnte nicht anders als ihn verblüfft anzustarren. Plötzlich drehte Tim sich um und zog eine Augenbraue hoch: „Warum stehst du noch da? Willst du nicht auspacken?" „Ich, äh... ja...", stammelte ich und lief auf mein Bett zu. Vorsichtig legte ich meine Sachen auf meinem Bett ab. Ich war davon ausgegangen, dass mir jetzt erstmal gedroht wurde, ich vielleicht schon heute die ersten Schläge kassierte und Tim mich sofort hassen würde. Zugegeben, er war auch vorher keiner von denen gewesen, die mich bei jeder Gelegenheit schikanierten, aber das waren meine Mitbewohner in der neunten und zehnten Klasse auch nicht gewesen und trotzdem hatten sie mich bei jeder Gelegenheit unter Druck gesetzt. Dass Tim mich jetzt sogar fast schon freundlich behandelte, verunsicherte mich total, aber ich versuchte, mir nichts mehr anmerken zu lassen und packte meine Sachen aus. Wie selbstverständlich steuerte ich mit meiner Kleidung den kleineren Schrank unter der Dachschräge an, als mich Tims Stimme erneut erschrecken ließ. „Ist das Ok für dich wenn du den kleineren Schrank bekommst?" Ich nickte nur schnell, ohne ihn anzusehen. Schon wieder war er so verdammt freundlich zu mir gewesen. Wieso tat er das? Ich war verwirrt. Sollte ich mich jetzt freuen, dass endlich mal jemand nett zu mir war? Oder war es besser, misstrauisch zu bleiben, falls es nur ein Trick war? Die ganze Zeit während ich auspackte konnte ich nur über diese Frage nachdenken und irgendwie hatte ich jetzt schon Angst vor der Antwort. Denn ich konnte nicht verhindern, dass sich ein kleiner Teil von mir schon jetzt unbändig über Tims Freundlichkeit freute. Als meine Taschen und Koffer fertig ausgepackt und das Zimmer eingerichtet waren, ließ ich mich erschöpft auf mein Bett fallen und Tim setzte sich nachdenklich auf seinen Schreibtischstuhl. Ich hatte mich mit dem Gesicht zur Wand gedreht, aber trotzdem konnte ich seinen Blick auf mir spüren und leider ließ ich mich davon total verunsichern. Warum starrte er mich so an? Was hatte er vor? Und irgendwie war ich auch wütend auf ihn. Weil er mich verurteilte, weil er sich gerade so seltsam benahm und weil er mich so verwirrte. Nach zehn Minuten hatte ich keine Lust mehr, angestarrt zu werden, drehte mich mit einem Ruck um und blickte ihm wütend in die Augen. Er erschrak sich wegen meiner plötzlichen Bewegung und sah sofort weg. Aus irgendeinem Grund breitete sich in mir eine Art Genugtuung aus, als ich ihn so verunsichert über seinen Schreibtisch gebeugt sah. Zwischen uns herrschte eine seltsame Stimmung. Die allgemeine Angst vor meinen Mitschülern, die ich auch für ihn empfand mischte sich mit meiner Überlegenheit in dieser Situation. Ich wusste nicht, was ich hätte sagen können und er offenbar auch nicht, deshalb schwiegen wir uns eine gefühlte Ewigkeit an, bis endlich die Klingel erklang, die zur dritten Stunde läutete. Erleichtert sprang ich auf, schnappte mir meinen Rucksack und lief, ohne noch einen Blick auf Tim zu werfen, aus dem Raum. An unserem Klassenzimmer angekommen traf ich auf etwa die Hälfte der anderen Kursteilnehmer, der Rest trudelte nach und nach ein. Wieder bildeten sich kleine Grüppchen, nur ich stand alleine rum und starrte angestrengt auf meine Schuhspitzen, bis endlich ein Lehrer kam und den Klassenraum aufsperrte. Wie immer lief ich als Letzter mit gesenktem Kopf in das Zimmer, doch genau in dem Moment, als ich die Türe hinter mir zu ziehen wollte, kam Tim angelaufen und hetzte hinter mir ins Zimmer. Er kassierte dafür einen fragenden Blick von unserem Lehrer aber mehr passierte nicht. Ich zog mich auf meinen Einzelplatz in der letzten Reihe zurück und schrieb wie immer nur die Hälfte mit. Ich hatte in meiner Freizeit ja eh nichts zu tun, also würde ich alles nochmal aus dem Buch lernen, da brachte es nichts, jetzt mitzuschreiben. Und da meine Noten immer relativ gut waren, ließen mich die Lehrer im Unterricht auch meistens in Ruhe, sodass ich im Prinzip nichts tun musste, außer nach vorne zu starren und interessiert auszusehen. Das einzige Fach, in dem ich wirklich gerne mitmachte war Kunst. Ich liebte es, nur mit einem Stift eine eigene Welt erschaffen zu können und deshalb zeichnete ich oft, was mich gerade beschäftigte. Irgendwie bekam ich es auch immer hin, eine Parallele zu unserem aktuellen Thema zu schaffen, also konnte ich in Kunst meiner Kreativität freien Lauf lassen. Ich liebte es, durch winzige Details die ganze Stimmung eines Bildes zu verändern. Die meisten meiner Zeichnungen spiegelten meine Stimmung wieder und waren dementsprechend düster, sodass mich meine Kunstlehrerin einmal gebeten hatte, mein Talent doch für fröhlichere Bilder zu nutzen, doch ich gab nichts auf ihr Gerede. Wie um mich zu provozieren war das Thema für unser nächstes Bild damals 'Sommertag' gewesen. Scheinbar hatte sie gehofft, mich so zu einer fröhlicheren Zeichnung bewegen zu können, doch sie hatte den Fehler gemacht, uns den Tipp zu geben, doch eines unser eigenen Sommererlebnisse zu malen, so war an meinem Sommertag ein Junge gestolpert und wurde jetzt dafür ausgelacht. Von meiner Lehrerin hatte ich dafür einen kritischen Blick kassiert, aber es war eindeutig ein Geschehnis im Sommer abgebildet, also konnte sie mir keine schlechte Note geben. Aber Kunst hatten wir erst in zwei Tagen wieder, also musste ich warten. Oder ich würde später noch ein Bisschen im Zimmer zeichnen. In meinem Einzelzimmer hatte ich das nicht gerne gemacht, da die Lichtverhältnisse wegen dem winzigen Fenster ziemlich schlecht gewesen waren, aber jetzt hatten wir ein Dachfenster und mein Schreibtisch stand fast genau darunter also wäre das wohl kein Problem. Plötzlich freute ich mich darauf, heute Nachmittag einfach wieder loslegen zu können, mit einem Stift und einem Blatt Papier meine eigene Welt zu kreieren und mich zeichnerisch auszutoben. Dann könnte ich vielleicht die wirkliche Welt um mich herum vergessen, wenn auch nur für einen Moment. Die Vorfreude machte sich in mir breit und meine Sorgen bezüglich Tim rückten in den Hintergrund. Die restlichen sieben Stunden zogen sich ewig und als ich mich endlich durch die Hausaufgaben gequält hatte, war es schon fünf Uhr nachmittags. Doch durch das große Dachfenster schien noch genügend Licht, also kramte ich ein weißes Blatt Papier und einen Bleistift heraus und begann zu zeichnen. Ich fing mit einigen Bäumen an der Seite an, die an eine Wiese grenzten. Im Hintergrund war ein riesiger See zu sehen, hinter dem hohes Gebirge aufragte und im Vordergrund standen zwei Personen, die sich gegenüberstanden. Ich arbeitete immer mehr Details heraus, bis die Personen aussahen wie Tim und ich, doch irgendwie passte der fröhliche Ausdruck auf unseren Gesichtern nicht mehr, also änderte ich Tims Gesichtszüge zu einem hämischen Grinsen und mein eigenen zu einem eingeschüchterten und ängstlichen Aussehen. Anschließend fing ich an, Bäume, Berge und uns zu schattieren und fand dann, dass die entstandene Stimmung eher zu einem dunklen Himmel passte, weswegen ich den oberen Teil des Bildes grau schraffierte und dann einige Sterne herausarbeitete. Als es jetzt so vor mir lag, hatte das Bild eine seltsame Wirkung auf mich. Alles wirkte so friedlich, nur unsere Gesichter waren irgendwie fehl am Platz, mit ihren feindseligen Ausdrücken, deswegen radierte ich sie wieder weg. Jetzt hatten wir eine weiße Fläche an Stelle eines Gesichts, aber mir fiel wirklich nichts ein, was hier gepasst hätte. Ich wusste nicht, wie Tim und ich zueinander standen. Eigentlich sollten wir uns hassen, aber keiner von uns benahm sich wirklich so. Es war seltsam, aber im Moment wollte ich mir keine Gedanken darüber machen, zumal Tim, seit er heute Nachmittag schnell seinen Schulrucksack ins Zimmer gebracht hatte, nicht mehr hier aufgetaucht war. Irgendwie fühlte ich mich in diesem Zimmer verloren und falsch, ich vermisste jetzt schon mein altes Einzelzimmer. Um auf andere Gedanken zu kommen rief ich Kelly an. Sofort als sie abnahm, fing sie an aufgeregt zu erzählen, dass sie auch gerade vorgehabt hatte mich anzurufen, weil sie mir etwas erzählen musste. Das war mir nur recht, denn wenn Kelly einmal redete, hörte sie so schnell nicht mehr auf und ich liebte es, ihr einfach zuzuhören und meine eigenen Probleme zu vergessen. Da Kelly ziemlich aufgedreht war, vermutete ich, dass sie eine gute Nachricht hatte und tatsächlich: Nächste Woche hatte sie ein Date mit ihrem Schwarm Melina. Ich freute mich total für sie und wir redeten fast eine Stunde lang über jedes kleinste Detail des Gesprächs, darüber, was Kelly anziehen wollte und wie toll doch Melina war. Ich musste über ihre Schwärmereien grinsen, da ich wusste, dass sie schon seit längerem Gefühle für das Mädchen hatte. Zwar hatte sie mir das nie so direkt gesagt, aber inzwischen kannte ich meine beste Freundin gut genug, um das auch so zu erkennen. Irgendwann fragte mich Kelly, was gerade bei mir so abging und ich erzählte ihr schweren Herzens von unserem Umzug und meinem neuen Mitbewohner. Als ich davon berichtete, dass er so freundlich zu mir war, stellte Kelly wie zu erwarten die verrücktesten Theorien auf, die ich ihr aber erfolgreich wieder ausredete. Von geheimen Verschwörungen bis hin zu heimlicher Liebe war alles dabei. Kelly erfand mal wieder das verrückteste Zeug! Verliebt – warum sollte er? Ich war das Opfer schlecht hin und außerdem war er garantiert nicht schwul. Irgendwann wurde Kelly zum Essen gerufen und musste auflegen, sodass ich wieder alleine zurück blieb und anfing, mir seltsame Gedanken zu machen. Was, wenn Tim wirklich in mich verliebt war? Wenn er mich einfach aus Gruppenzwang ignoriert hatte? Konnte das sein? Und wollte ich das überhaupt? Und was war mit mir? Ich wusste es nicht. Jahre lang hatte ich überhaupt keine Bindungen zugelassen, weder freundschaftlich noch mehr, die einzige Ausnahme war Kelly gewesen. Wieso sollte ich da plötzlich innerhalb von einem Tag Gefühle für einen Typen entwickeln, den ich im Prinzip gar nicht kannte? Nein, das konnte nicht sein! Um auf andere Gedanken zu kommen zog ich mich um, machte das Licht aus und legte mich schlafen. Ich vergaß komplett, das Bild von mir und Tim wegzuräumen.


Äh hei...? Mich gibts noch xD

Hatte vier Tests diese Woche, deswegen war nicht viel Zeit für Wattpad :c

Kleine Frage: Ich schreibe grade eine Story, in der zwei erfundene Charactere die Hauptrollen spielen. Ist
auch BoyxBoy aber eben nicht über YouTuber. Wollt ihr das trotzdem lesen? Dann könte ich es hochladen wenns fertig ist ^^

Bye!

Stexpert - Nur in diesem ZimmerDove le storie prendono vita. Scoprilo ora