Weil Mauern nicht schützen sondern trennen

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Sie lächelte mich an, so voller Liebe und in diesem Moment wünschte ich mir, ich hätte damals eine Mutter wie sie gehabt.

„Ich werde darüber nachdenken, aber jetzt genug von mir. Immerhin bist du diejenige von uns, die an tausend Schläuche angeschlossen ist und mit Medikamenten zu gepumpt wird. Haben die Ärzte schon irgendwas gesagt, wie lang du hierbleiben musst?"

„Ach die Dummschwätzer in ihren weißen Kitteln haben doch keine Ahnung. Die haben mich ne Stunde zu getextet, ich hab halt nicht zugehört, aber wenn es nach denen ginge, würde ich mein restliches Leben hier bleiben. Die haben mit mir geredet, als würde ich jede Sekunde sterben. Nur weil mein Herz einen kleinen Wackelkontakt hat, machen die hier so ein Drama."

Maggie verdrehte die Augen, ich versuchte zu lächeln, doch meine Sorgen konnte ich nicht verstecken. Auf keinen Fall würde ich sie weiter auf der Straße wohnen lassen.

„Wenn du hier raus kommst, dann wohnst du bei mir. Sammy zieht sowieso bald mit Blondie zusammen, dann hab ich ein Zimmer frei."
Ich sah Maggies zweifelnden Blick, gerad als sie wiedersprechen wollte, unterbrach ich sie.

„Du brauchst dir erst gar nicht die Mühe machen mir zu wiedersprechen, das ist eine grandiose Idee und es gibt kein rationales Gegenargument. Ich meine, wir schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe, du hast endlich mal wieder ein Dach über dem Kopf und ich eine neue Mitbewohnerin."
Ich hoffte so sehr, dass sie zustimmen würde. Denn auch, wenn es mir dabei hauptsächlich um Maggie ging, hatte ich schon jetzt Angst vor dem Tag, an dem ich alleine in meiner leeren Wohnung sitzen würde, mit niemandem, der die beklemmende Stille vertreiben würde.

„Du willst wirklich mit einer alten Frau zusammen ziehen?" Sie hob eine Augenbraue skeptisch, als würde sie nicht verstehen, dass jemand so etwas Absurdes vorschlagen konnte.

„Nein, ich will mit dir zusammen ziehen! Du kannst kochen, hörst kein lautstarkes Gejaule von diversen Boybands, du bist ordentlich, immer ehrlich, hast keine Scheu mir auch mal in den Arsch zu treten und am wichtigsten, du bist meine beste Freundin." Und es war wahr, jedes einzelne Wort. Sie war meine beste und einzige Freundin, da ich mit den meisten Frauen nicht so gut zurechtkam. Ich war nun mal nicht dieser „Klischee-Schwule", der gerne shoppen ging und über Jungs redete, deshalb hielt ich mich so gut es ging von diesen Frauen fern, die unbedingt schon immer einen schwulen besten Freund haben wollten.

Sie lächelte. „Und du bist dir sicher, dass mein Musikgeschmack besser ist?"

„Das ist mir egal, ich habe Sammy und seine Fangirl-Anfälle überlebt, mich kann nichts mehr schocken." Ich winkte gönnerhaft ab. Auch wenn mich der kleine Zuckerwattekopf oft zur Verzweiflung getrieben hatte, wusste ich schon jetzt, dass es mir fehlen würde, seine quirlige positive Art ständig um mich herum zu haben.

„Na, dann mach dich mal auf was gefasst, du Großkotz." Grinsend holte sie mich aus meinen Gedanken, ich brauchte einen Moment, bis ich begriff, was ihre Worte bedeuteten.

„Das heißt, du ziehst bei mir ein?" Meine Stimme überschlug sich vor Freude, ich hörte mich ein wenig wie Sammy an, wenn er mal wieder irgendwelchen fiktiven Charaktere oder Prominenten unterstellt zusammen zu sein, er nannte es, glaube ich, 'shippen' und behauptet tatsächlich, dass wäre ein ernstzunehmendes Hobby.

„Nur unter einer Bedingung! Ich bezahle dafür." Ihre Stimme war ernst, ließ keine Wiederrede zu.

„Wenn du denkst, du könntest mich mit sexuellen Gefälligkeiten bezahlen, dann muss ich dir leider sagen, dass ich nicht interessiert bin. Sollte es sich bei der Bezahlung jedoch um Schokokuchen handeln, bin ich sofort dabei."

Ihr Mundwinkel zuckte kurz, dann begann sie zu erklären.

„Ich hab ein Bankschließfach, das mein ganzes Vermögen beherbergt. Ich weiß nicht genau, wie viel es ist, aber ich denke, ich werde gut davon leben können."

Optimisten werden immer zuerst gefressen Where stories live. Discover now