Dublin, 27. Juli 2013

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And all the words that you've told,
are what killed it at last.

Mono Inc. - In the End

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Er war weg.
Eine Tatsache, mit der sie sich noch immer nicht abgefunden hatte. Mit der sie sich nicht abfinden konnte. Mit vom Schnäuzen roter Nase saß sie auf dem weichen Sofa, das ihr David als Zufluchts- und Übernachtungsort überlassen hatte.

Dank Erkältung und Fieber unfähig, einer sinnvolleren Tätigkeit nach zu gehen, starrte sie auf den Notizblock, der auf ihren Beinen lag und dessen noch blütenweiße Papier schon seit geraumer Zeit darauf wartete, beschrieben zu werden.

Zum gefühlt hundertsten Mal putzte sie sich die Nase, knüllte das Taschentuch dann fest in ihrer Hand. Egal, was sie schreiben würde – ER würde den Brief eh niemals erhalten, war er es doch gewesen, der um Schweigen gebeten hatte.

Nach weiteren, schier endlosen Minuten legten sich ihre Finger endlich um den Kugelschreiber und begannen, mit geschickten Bewegungen, Worte zu formen. Worte, die nie jemand zu Gesicht bekommen sollte. Worte, die dennoch zu Papier gebracht werden mussten ...

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Dublin, 27. Juli 2013

Wie soll ich nur beginnen?
So, wie es geendet hat?
Damit, dass du mich einfach hast stehen lassen? Alleine, im Regen, in der Dunkelheit ...

Ich verstehe nicht, was ich getan habe, dass du mir so etwas antust! Ich verstehe nicht, was zwischen uns falsch gelaufen ist! Ich verstehe es einfach nicht ...

Du warst immer mein Fels in der Brandung. Der rettende Ast, an dem ich mich fest klammern konnte, wenn ich zu ertrinken drohte. Der letzte Halt, wenn ich fiel und fiel ...

Tom, was nur ist passiert?

Drei Tage ist es nun her, dass du mich verlassen hast, drei unendlich lange Tage. Oft habe ich mit mir gekämpft, dich einfach anzurufen, dir all die Fragen zu stellen, die seitdem in meinem Kopf umher schwirren. Doch irgendwie weiß ich, dass du eh nicht ran gehen würdest. Dass du mich ignorieren würdest, dass ich nur schweigen von dir erhalten würde.

David, bei dem ich untergetaucht bin, kümmert sich wirklich rührend um mich ... ich bin froh, dass wenigstens er als mein Freund geblieben ist. Ohne groß zu fragen, hat er mich noch am selben Abend pitschnass in seine Wohnung gelassen, mir ein Bad eingelassen und einen Tee gekocht.

Aber weißt du noch, wie du all das für mich getan hast? Es ist noch kein ganzes Jahr her, als wir uns kennen lernten – am selben Ort, an dem wir uns nun verloren haben. Seitdem fühle ich mir so leer ... und daran ist nicht die Erkältung Schuld, die ich dem eiskalten Regen zu verdanken habe.

Nein, ich habe einfach so wahnsinnig viel verloren in den letzten Tagen. Rachel, weil sie ihre Eifersucht wohl nie überwinden kann ... Fiona meidet den Kontakt mit mir, ich habe mehrmals versucht, sie anzurufen ...

Am meisten schmerzt es jedoch, dich verloren zu haben ... ohne zu wissen, was genau ich eigentlich falsch gemacht habe. Ich weiß, es ist nicht immer leicht mit mir, aber mein Leben ist einfach ein einzige Chaos. Immer wenn ich denke, dass es nun endlich besser wird, passiert wieder etwas, was alles durcheinander bringt. Wie jetzt ...

Ich weiß gar nicht, wie ich weiter machen soll. Dad und Fiona brauchen mich, bis Dad wieder ganz gesund ist. Doch im Oktober geht das neue Schuljahr los und dann wäre ich wieder zig Kilometer entfernt von ihnen. Und ich müsste mich endlich anständig auf die Ausbildung konzentrieren. Meine bisherigen Noten könnten wirklich besser sein ...

Aber kann ich das? Kann ich wirklich meine Familie im Stich lassen? Erneut?
Und was ist mit mir? Will ich meine Wünsche wirklich hinter denen meiner Familie stellen? Was will ich überhaupt?

Tom, ich brauch' dich so sehr! Deinen Rat, deine weisen Worte, deine Hilfe! Wie soll ich das alles nur alleine schaffen? Ich brauch' dich doch ...

~*~

Ungeschickte Briefe | Tom HiddlestonWhere stories live. Discover now