3. Schwesternliebe

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»Hey. Ich bin zuhause«, schreie ich und lasse unsere Apartmenttür hinter mir zuknallen. Der Tag war lang und mein Magen knurrt seit Stunden »Hey, ist jemand da? Mom?«, wiederhole ich, während ich meine Tasche in die Ecke schleudere.

»Mom ist beim Arzt. Die Arme hat sich was eingefangen,« kommt es von Chloe aus der Küche.

Chloe ist meine große Schwester. Sie ist neunzehn Jahre alt und besucht in Columbus das College. Vor ihrem Auszug sind wir uns nahe gestanden und neben Rosie habe ich sie zu meinen engsten Verbündeten gezählt. Anfangs haben wir häufig telefoniert, aber über die Dauer und die Entfernung entfremdeten wir uns etwas. Dennoch bin ich froh, wenn sie für ein Wochenende nach Hause kommt.

Ich gehe in die Küche und setze mich an unseren Esstisch. Chloe hat gekocht und ganz ehrlich: Es ähnelte mehr einem Trank aus einem Hexenkessel als einer Suppe.

»Wie war die Schule?«, fragt meine Schwester und schlürft an ihrem Gebräu.

»Ganz gut. Ness Thompson hat mich auf ihre Party eingeladen«, erzähle ich wenig begeistert. Chloe ist in der Highschool auch nicht an Partys interessiert gewesen, doch im Gegensatz zu mir, war sie im Debattierclub und arbeitete bei der Schülerzeitung. Sie war nicht eine von den Beliebten, aber sie ist vielen in Erinnerung geblieben. Erst gestern hat mich wieder eine Lehrerin gefragt, ob ich ihre Schwester sei.

»Aber das ist doch toll, oder? Das wäre eine Gelegenheit, neue Leute kennen zu lernen«, erklärt Chloe zuversichtlich.

»An sich schon, aber...«, ich zögere, »aber ich weiß nicht, was ich da soll. Außer Ness kenne ich niemanden und ich glaube kaum, dass sie sich mit mir unterhalten will.« Die Angst, dass die Einladung einer von Ness' Scherzen sein könnte, behalte ich für mich. Chloe würde sich Sorgen machen, wenn sie davon wüsste.

»Ach Quatsch, du bist freundlich und nett. Du findest schon wen zum Reden. Kommt dieser Chris auch?« So als hätte sie kein sensibles Thema angesprochen, löffelt sie ihre Suppe weiter.

»Ja, er wird auch dort sein. Immerhin ist er mit Ness zusammen...« Meine Stimme verliert gegen Ende der Aussage hin die Kraft und mein Blick wandert zu Boden.

Ungläubig schüttelt Chloe den Kopf. »Ness hat heute einen Kuchen für Mom vorbeigebracht und war in Begleitung eines jungen Mannes. Er war blond und klein. Das passt nicht auf deine Beschreibung von Chris, oder?«

Ich wurde hellhörig. »Bist du dir sicher?« Hoffnung erwacht in mir, dass ich mich heute Morgen geirrt habe. Sogleich wird mir bewusst, wie unwahrscheinlich das ist. Es war kein schöner Anblick, doch er hat sich in meine Erinnerung gebrannt. Das Bild von Ness' Zunge in Chris' Mund werde ich wohl nie vergessen können.

»Vielleicht sind sie nur befreundet«, versuche ich Ness' Besuch mit dem blonden Jungen zu erklären. Hoffentlich bremst sie meine Aussage etwas. Sie liebt es, Situationen zu analysieren und aus Mücken Elefanten zu machen.

»Sicher nicht, sie konnten die Finger nicht voneinander lassen.« Chloe legt den Löffel auf den Tisch und reibt sich die Hände. »Lilly, du musst auf diese Party. Das ist deine Chance bei Chris!«, versucht sie mich zu überzeugen, doch ich überdrehe die Augen. Ich weiß, worauf das Gespräch hinauslaufen wird.

»Ich werde dir helfen, das perfekte Outfit dafür zu finden.« Chloe schnipst und springt vom Stuhl auf, um ihren Teller in die Spüle zu stellen. Genau das habe ich befürchtet. In diesen Situationen ist es wichtig, Chloe einfach machen zu lassen, ohne zu protestieren.

»Ich habe vorhin mit Rosie telefoniert und sie hat das Gleiche vorgeschlagen«, erzähle ich und lasse offen, ob ich auf die Party gehe oder nicht.

Nach heute Morgen musste ich Rosie sofort von den Ereignissen am Spind erzählen. Immerhin kann ich von Glück reden, einen Rückzieher gemacht zu haben. Rosie hat mir geraten, auf die Party zu gehen und mich an Chris ran zu machen. Dass Chris mit Ness zusammen ist, hat Rosie wenig interessiert.

Me, my Lover and I ✔️Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz