9. Nachtregen

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„Wird er durchkommen?", fragte Louis vorsichtig möglichst leise und war erleichtert, dass Liam nickte.

„Ja, das wird er. Mach dir da keine Sorgen. Aber er wird sicherlich eine Weile brauchen, bis er wieder auf den Beinen ist. Dränge ihn zu nichts, aber versucht, ihn wenigstens einmal am Tag aus dem Bett zu bekommen, damit der Kreislauf in Schwung kommt."

Wenig später war die Behandlung fertig und Liam in der Küche, wo er gemeinsam mit Zayn eine Tasse Tee trank. Wobei man von gemeinsam eigentlich nicht sprechen konnte. Zayn saß wieder über seinen Büchern und gab sein bestes, freundlich genug zu Liam zu sein, damit der nicht durchschaute, dass er es nicht ernst mit ihm meinte.

Der Arzt schien das falsche Spiel allerdings nicht zu bemerken. Er war so in Zayn verschossen, dass er schon glücklich war, wenn er nur in seiner Nähe sein durfte.

Louis war in der Zeit mit Harry allein.

Er hatte ein Bild von der Wand genommen und versuchte nun den Beutel der Infusion an den Nagel zu hängen, damit er ihn nicht ständig festhalten musste.

„Ich muss mal eben über dich klettern, sonst komme ich nicht an den Nagel dran", sagte er und stakste vorsichtig über Harry. Dabei versuchte er, ihn nicht zu berühren und ihm nicht auf den Körper zu treten. Nicht, dass sie Liam gleich wieder rufen mussten.

Doch der Soldat hielt still und als Louis es endlich geschafft hatte, sah er, dass Harry eingeschlafen war.

Vielleicht war das auch ganz gut so. Immerhin hatte Liam ja gesagt, dass er Ruhe brauchte.

Und war nicht sowieso immer die Rede vom Schlaf als beste Medizin?

Leise verschwand er nach draußen und ging dann in die Küche, wo ihn eine ziemlich dicke Luft empfing. Zayn hob den Kopf, als er eintrat und sich eine Tasse Tee einschenkte.

„Schläft er jetzt?", fragte er.

„Ja, das sollte er. Schlaf wird ihm gut tun. Der Körper holt sich seine Kraft im Schlaf", fing Liam an, doch Zayn unterbrach ihn recht forsch: „Ich hatte eigentlich Louis gefragt."

„Oh, sorry, ich wollte nicht dazwischen funken", sagte Liam schnell beschämt und senkte den Blick. Obwohl Zayn nichts mehr von Liam wollte, schien es ihm nun doch leid zu tun, denn er sagte schnell: „Sorry, das war nicht so gemeint, Liam. Ich bin nur gerade auch ein bisschen im Stress. Wann hat man schon mal Besuch von einem Soldaten aus den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts?"

Liam nickte und sagte leise: „Also ich bin mir ziemlich sicher, dass er euch nicht veräppelt, falls ihr daran gezweifelt habt. Diese Splitterverletzungen stammen eindeutig von einer Granatexplosion und ich wüsste nicht, wo es hier in der Gegend eine gegeben haben soll. Das wäre sicherlich in den Nachrichten gewesen." Bei diesen Worten wurde Louis schwer ums Herz.

Auch, wenn er es nur ungern zugab, so hatte er doch immer irgendwie gehofft, dass es für Harrys Auftauchen eine plausible Erklärung geben würde.

Aber wenn jetzt sogar ein angehender Arzt diese Verletzungen als Kriegsverletzungen einstufte, musste man diese Geschichte wohl oder übel glauben – und das machte das Problem nicht kleiner. Im Gegenteil. Wie sollte man jemanden in der Zeit zurückschicken?

Louis setzte sich aufs Fensterbrett in der Küche und sah nach draußen. Viel zu sehen gab es nicht, außer die Backsteinwand vom Haus nebenan, doch er achtete auch gar nicht wirklich darauf.

Der Gedanke, dass Harry wirklich aus 1940 kam, schien erst jetzt wirklich in seinem Kopf eingerastet zu sein und er wusste einfach nicht, wie er damit umzugehen hatte.

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