Wer ich bin

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Ich lag eine Stunde später immer noch im Bett und versuchte, meine Gedanken zum Schweigen zu bringen. Heute Nacht konnte ich an der Situation, in der ich mich befand, sowieso nichts mehr ändern. Es wäre besser, wenn ich einfach hätte schlafen und mich etwas erholen können, damit ich den morgigen Tag überstehen würde, aber das war mir wohl nicht vergönnt. 

Ich seufzte auf, fuhr mir durch die braunen Haare und stand frustriert auf. Vielleicht musste ich einfach nur ein wenig Wasser trinken und frische Luft schnappen, damit ich endlich schlafen konnte. 

Durfte ich das Zimmer überhaupt ohne Erlaubnis verlassen? Ich konnte es nicht genau sagen, aber die meisten von ihnen waren ja anscheinend sowieso bei....der Arbeit. 

Ich hoffe bloss, Narbengesicht war nicht der Einzige, der noch da war. Dieser Typ jagte mir unheimliche Angst ein, dass es mir durch Mark und Bein fuhr. Wenn ich ihm hier im Dunkeln begegnen würde, hätte ich wohl einen Herzinfarkt. 

Ich überlegte noch kurz und wog das Für und Wider ab, entschied mich aber schlussendlich dazu, in die Küche zu gehen. Sie konnten mich ja wohl schlecht dafür bestrafen, dass ich noch etwas trinken und essen wollte. Schliesslich hatte mir niemand gesagt, dass ich in meinem Zimmer bleiben musste. 

Aber ich erwartete auch nicht, dass mir das Derjenige, der mich erwischte, glauben würde, um ehrlich zu sein, aber ich hoffe das Beste. 

Ich versuchte einfach, nicht über mögliche Konsequenzen meines Handelns nachzudenken, das war die logischste Lösung. Fynn hatte ihnen sicherlich gesagt, dass er mich noch brauchte und dass mir niemand was tun durfte....

Im Flur war es stockdunkel und ich tastete mich vorsichtig an der Wand entlang in jene Richtung, an die ich mich noch von vorhin erinnerte. Desto näher ich der vermeidlichen Küche kam, desto heller wurde es und schlussendlich kam ich an meinem Ziel an. 

Glücklicherweise war niemand anderes dort, aber ein kleines Licht, das an der Wand hing, war eingeschaltet und beleuchtete den Raum so ein kleines bisschen. Gerade genug für mich, obwohl ich mich sowieso nicht getraut hätte, das andere Licht auch noch einzuschalten. Ich wollte niemanden auf mich aufmerksam machen. 

Langsam und vorsichtig bahnte ich mir einen zum Waschbecken und suchte mir aus dem obersten Schrank ein sauberes Glas. Das letzte, was es anscheinend nach gab, denn überall in dieser Küche stand nun dreckiges Geschirr herum, dass vorher noch nicht da gewesen war. 

Wahrscheinlich hatten alle nochmal richtig zugeschlagen, bevor sie arbeiten gegangen waren. Wenn man das überhaupt Arbeit nennen konnte...

Ich gönnte mir einige Schlucke kaltes, erfrischendes Wasser und spürte sofort, wie sich mein Körper etwas entspannte. Das tat gut, endlich konnte ich wieder klarer Denken. Ich drehte mich einmal im Kreis und liess meinen Blick über die Küche schweifen. 

Ich sollte hier Putzen. Ja, das war eine gute Idee, Putzen würde mich von meinen Gedanken ablenken. Ich würde wenigstens für ein paar Minuten das Gefühl haben, als würde ich hierhin gehören und genau das brauchte ich jetzt. Ich musste mich sicher  fühlen, wenn auch nur für einige Augenblicke, sonst würde ich es nicht mehr länger aushalten. 

Ich atmete tief durch und suchte längere Zeit nach einem Lappen, der nicht schon voller Dreck war, und hielt ihn unter laufendes Wasser. Als ich etwas Seife draufgetan hatte, begann ich, die schmutzigen Teller zu waschen und abzutrocknen. Ich machte mit den Gläsern weiter und hatte vor, mich nachher dem Tisch und dem Fussboden zuzuwenden, sobald ich alles andere erledigt hatte. Vielleicht würde ich heute Nacht sogar noch die Fenster schaffen, wer wusste schon, wie lange ich für das alles hier brauchen würde. 

Das Putzen lenkte mich tatsächlich ab. Ich wusste nicht, wie lange ich schon hier war, aber ich war zum ersten Mal für heute richtig gelassen und nicht in Panik. Es tat gut, nicht immer in Alarmbereitschaft sein zu müssen. 

Gangs - Taken Innocence Where stories live. Discover now