Das "Addison-Prinzip"

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>> Addison Schätzchen, bleib bitte nicht zu lange wach und wenn etwas sein sollte, ruf an! <<

Genervt rollte ich mit den Augen, >> Mom, ich bin 27 Jahre alt. <<

Das Klackern ihrer hohen Absätze auf dem Fliesenboden hörte auf der Stelle auf, seufzend lächelte sie mich an, >> Ich weiß, ich mache mir nur immer Sorgen. <<

Ihre Überfürsorglichkeit war auf ihren Beruf zurück zuführen, sie arbeitete als Neurochirurgin in einem Krankenhaus in New York, sie hatte schon viel gesehen, zu viel, soviel, dass es laut Ihren Aussagen für mehr als ein Leben reichen würde. Meine Mutter, Dr. Molly East, war eine Könnerin auf Ihrem Gebiet und deshalb wurde sie auch zu fast jeder Dinnerparty eingeladen, um dort über ihren Erfolg zusprechen.

>> Begleite mich doch. <<

Die Worte meiner Mutter jagten mir einen Schauer über den Rücken, der mich frösteln ließ. Ich verzog mein Gesicht zu einer Fratze und winkte ablehnend mit der Hand, >> Nein danke ich verzichte! << Diese Treffen waren einfach nichts für mich, so viele Menschen, so viele Doktoren und Professoren.

>> Vielleicht würdest du neue Kontakte knüpfen. <<

Die Stimme meiner Mutter hatte mit einem Mal diesen fordernden Unterton, diesen > Mach was ich sage. < - Ton, den ich schon seit meiner Kindheit kannte und daher genau wusste wie ich diesem entkommen konnte. Meine Taktik war ausgeklügelt, lange getestet und mit einem gewissen Risiko verbunden.

Lächelnd stand ich vom Küchenstuhl auf und ging auf meine Mutter zu, ich legte ihr meine Hand auf die Schulter und guckte ihr freundlich in die Augen. Nun kam der schwierige Teil meines Plans, quasi der Hauptteil, das Goldstück, die Schnittstelle.

>> Ja, nein, danke. << sagte ich schnell, klopfte meiner Mutter noch einmal auf die Schulter und ging dann schnellen Schrittes Richtung Haustür. Der Trick des Manövers, dass ich zu meinen Ehren „Das Addison- Prinzip" nannte war, jetzt so schnell wie möglich zu verschwinden, in der entscheidenden, dritten Phase sollte man auf keinen Fall sprechen und niemals Augenkontakt herstellen, der Blick sollte auf die Türklinke gerichtet sein. Nur darauf!

Nur noch einen Schritt und ich hatte mein Ziel erreicht, in meinem Kopf hatte ich mir bereits ausgemalt, wie ich die Tür öffnete, ich sah alles genau vor mir. Ich wollte die Klinke betätigen, dann eine halbe Drehung machen, meiner erstaunten Mutter noch einmal zulächeln, nur um dann so schnell wie möglich zu meinem Auto zu hetzen. Gleich war es soweit, gleich.

>> Addi. << ertönte es plötzlich, mit einem unfassbaren Bass, hinter mir. Die Stimme wirkte lähmend auf mich und ich wusste genau, Phase drei, war fehlgeschlagen. Mein Vater stand, die Fliege bindend, in der Schlafzimmertür. Seine Augenbrauen waren inzwischen so buschig, dass man seine braunen Augen kaum noch erkennen konnte.

>> Dad? << flüsterte ich, als ich mich zu ihm drehte. Meine Augen waren zugekniffen und ich wusste genau was jetzt passieren würde.

>> Du kommst mit, wenn deine Mutter es möchte. <<

Verdammte kacke!

Genervt und mit vor der Brust verschränkten Armen pustete ich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Meine Mutter hatte meine langen, braunen Haare zu einem Dutt gebunden, allerdings waren ihre Fähigkeiten in diesem Bereich eher unterdurchschnittlich gut entwickelt, daher fiel die Frisur bereits beim Einsteigen ins Auto in sich zusammen.

Kleidungstechnisch steckte mich meine Mutter in eins Ihrer alten Kleider, es war mir etwas zu groß und warf daher Falten.

>> Mom, hättest du so dringend gewollt, dass ich mitkomme, hätte ich mir doch vernünftige Sachen von zu Haus mitgebracht. <<

>> Hättest du gewusst, dass ich möchte, das du mitkommst, wärst du am heutigen Abend nicht zu Besuch gekommen sondern hättest dir eine Ausrede einfallen lassen. << konterte meine Mutter.

Recht hatte sie, musste ich mir selbst eingestehen, ich gehörte einfach nicht in diese Welt voller Ärzte, doch leider war ich nun mal einer von Ihnen, zumindest fast, nach meinem Abschluss, begann ich, meinen Eltern zu liebe, ein Studium in einer der Medizin Schulen. Am Ende des Jahres würde ich meine Facharztausbildung beginnen.

Nach einer endloslang wirkenden Fahrt fuhren wir auf den Parkplatz des Veranstaltungshauses. Ich konnte nicht anders als das riesige Gebäude zu betrachten, im Vorhof brannte helles Licht und Menschen tummelten sich an den Stehtischen im Außenbereich.

>> Wenn hier mal ein Rohr verstopft, merkt man es erst nach Monaten. << bemerkte ich beim Betreten des Gebäudes, mein Vater schmunzelte, versuchte dies aber vor den Augen meiner Mutter zu verbergen.

>> Addi Schätzchen, ich will dir ein paar meiner engsten Freunde vorstellen. <<

Meine Mutter war hier wirklich in ihrem Element, endlich hatte sie mal wieder die Chance mich vorzustellen und herum zuführen. Brav folgte ich ihr, mein Vater hatte es sich inzwischen an der Bar gemütlich gemacht.

Der Glückspilz.

Nach ein paarMinuten stand ich bereits vor einem älteren Herren mit mausgrauen Haaren undSchnauzbart. Er trug einen feinen Anzug und eine fliederfarbene Krawatte. SeineAugen waren braun und blickten über eine dezente Brille ohne Rahmen auf mich.>> Addison East. << stellte ich mich mit seriöser Stimme vor, ichwollte meine Mutter schließlich nicht blamieren oder sie irgendwie inVerlegenheit bringen. Der Mann streckte mir seine faltige Hand entgegen.>> Professor Ketley. Ich leite das Memorial Sloan-Kettering Cancer Centerin New York. <<

Ich nickte dem Professor freundlichen entgegen, diesen Namen werde ich mir nicht merken können, niemals! Er sprach ihn mit solcher Geschwindigkeit aus, dass es eher wie ein Wortgebrabbel klang.

>>Faszinierend. << stimmte ich seinen Formulierungen zu und verabschiedete mich dann höflich. Nachdem ich noch ein paar Hände geschüttelt hatte ging ich zu meinem Vater, mit einem Bier in der Hand witzelte er mit dem Barkeeper.

Mein Vater sah diese Karriere Geschichte nicht so ernst wie meine Mutter, er war sich sicher, dass ich meinen Weg gehen würde. >> Hey. << sagte ich lässig und setzte mich zu ihm. Er schob mir sein Glas Sekt entgegen.

>> Schon einige kennen gelernt? <<

>> Ja, Professor Catering vom Slogan Cancer Center. <<

Irgendwie klang der Name vorhin noch anders...

>> Faszinierend. <<

Es verging noch einige Zeit bis das Essen begann, dann betrat ein alter Mann nach dem anderen die Bühne. Ich konnte meinen Vater nur bewundern, der mit interessiertem Blick den Worten der Redner folgte. Ich flüsterte meiner Mutter zu, dass ich einen Moment frische Luft schnappen gehen würde und verließ das Gebäude, zu meiner Verwunderung musste ich verstellen, dass nicht nur ich eine Pause brauchte.

An einem der Stehtische stand ein Mann, er telefonierte. Es überraschte mich einen so jungen Mann vor mir zu haben, alle anderen, die ich bisher kennen gelernt hatte waren meist weit über vierzig. Der Mann vor mir allerdings... Er hatte eine fantastische Körperhaltung und der schwarze Smoking saß perfekt. Während des Telefonats spielte er mit dem Zeige- und Mittelfinger an der Dekoration des Tisches.

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⏰ Last updated: May 03, 2019 ⏰

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