1. Kapitel

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"Nein!!"
Jedes Mal erhielt mein Manager die selbe einfache Antwort. Ich leugnete nicht, dass ich das Geld bräuchte, jedoch war das für mich keine Option. Täglich laufen wir mit all unseren Sinnen durchs Leben;
Fühlen, Riechen, sehen, schmecken und hören dabei, ohne es bewusst wahr zu nehmen, weil es für uns eine Gewohnheit geworden ist und schlicht ausgedrückt, dazu gehört. Natürlich bin auch ich mir durch aus bewusst, dass nicht jeder dieses Geschenk hat, aber zu meinem Vorteil, sind bei mir alle vorhanden und dafür bin ich sehr dankbar.
Jeden Tag, wenn ich nach Hause komme, spüre ich die Weichen Lippen meiner Freundin auf meinen, höre sie aus ihrem Bett meinen Namen rufen, rieche das Vanille Shampoo in ihren Haaren und sehe ihren zarten, dunkelhäutigen Körper, der nun immer knochiger erscheint. Vermutlich ist es nicht nur die Unlust, die mich davon abhält, das Angebot an zu nehmen, sondern auch die Angst, sie in ihren letzten Monaten nicht mehr sehen zu können, um sie in meinem Gedächtnis zu bewahren. Sie ist ein herzensguter Mensch, mit riesiger Lebensfreude, trotz ihres wahrscheinlich, baldigen Abschieds. Das ist auch mit einer der Gründe warum ich ihr davon nichts erzählt habe, denn so wie ich sie kenne, hätte sie mich sofort dazu gedrängt es anzunehmen, nicht nur des Geldes wegen, sondern auch, damit ich wieder ein neues Buch schreiben würde. Vielleicht würde meine Blockade damit aufgelöst und mein merklicher Pessimismus sich ebenfalls verringern. Dennoch war für mich mein oben genanntes Argument, dass ich sie nicht mehr sehen könnte, um einiges stärker, weswegen ich auch jedes Mal verneinte. Ihr etwas zu verschweigen fiel mir schwer. Täglich hoffte ich auf ein neues Angebot, damit ich das annehmen und mich von diesem entfernen könnte, um sie nicht mehr anlügen zu müssen. Aber kein Glück. Jeden Tag schaut mein Manager mich mit dem gleichen Blick an, der die Bitte deutlich zeigte, ich solle es machen. Ich hatte mir fest vorgenommen, dass falls er morgen keinen neuen Vorschlag hat, ich es ihr bei einem Abendessen im Bett, mitteilen würde.
Auch an diesem Tag gab es keine erfreuliche Nachricht, sondern nur eine weitere Rechnung, die abzubezahlen ist. Heute habe ich vermutlich die doppelte Zeit nach Hause gebraucht, da ich in nur langsamen Schritten an Geschäften vorbei ging und obwohl ich wusste, ich könnte mir nichts leisten, hinein ging, einfach nur um Zeit und schinden. Doch irgendwann stand auch ich vor der Haustür, steckte die Schlüssel hinein und betrat unser kleine Wohnung. Ich hörte sie aus dem Bad, hörte die Klospülung und ohne daran zu denken, dass sie vielleicht wirklich nur auf die Toilette musste, hatte ich das Gefühl, dass sie wieder erbrochen hat. Ihr erging es grauenvoll, ihr Zustand verschlechterte sich und sie behielt immer weniger Essen bei sich. Trotz all dem versicherte sie mir immer wieder aufs neue, dass das alles ein Ende haben würde, wir den Krebs überstehen und uns in einem Jahr nur noch schleierhaft an die harte Zeit erinnern würden. Dies sei unsere Lebensaufgabe und wir hätten sie nicht erhalten, wenn wir sie nicht auch überstehen könnten. Ich bewunderte ihren Optimismus trotz ihrer schweren Lage.
Die Badtür öffnete sich und Jessi kam mit langsamen Schritten auf mich zu. Sie lächelte leicht. Ihr weißer Bademantel, der ihren schmalen Körper umhüllte, hob sich stark von ihrer dunklen Haut ab. Ihre knochigen Finger richteten ihr blauen Tuch, das sie um ihren kahlen Kopf gebunden hatte, zurecht. Vor einiger zeig hatte sie die chemi Therapie abgebrochen, als fest stand, dass sie ihr zum einen nichts bringen würde und wir sie uns nicht leisten können. Seit dem liegt sie im Bett und kuriert sich hier aus. Manchmal kommt ein Arzt, den sie noch von ihrem früheren Job als Krankenschwester kennt, und sieht nach ihr. Sonst versuche ich ihr Leben möglichst schön zu gestalten, trotz ihren Schmerzen und ihrer fehlenden Energie. Sie möchte nicht über die Krankheit reden und einfach so tun, als hätte sie nur eine Erkältung und wäre deshalb zu Hause. Wenn sie es Kraft technisch schafft besuchen wir den Gottesdienst oder das Grab ihrer Eltern.
Schwach fiel sie mir in die Arme, hab mir einen Kuss und presste ein leises -hallo- hervor. Heute war einer ihrer schlechten Tage. Ihre Augen nur noch halb offen, ihre Energie fast völlig ausgeschöpft udn dann kommt noch der Vorfall mit dem Erbrechen dazu. Stützend brachte ich sie wieder ins bett, zog mich schnell um und gesellte mich neben sie.

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⏰ Last updated: Nov 22, 2016 ⏰

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