Sommer

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"Es wird heute heiss, keine Wolke am Himmel und die Temperaturen steigen auf bis zu 45°C! Sucht euch also schon mal eine Abkühlung!" kam es euphorisch aus dem Radio. Barbara stellte das Radio leiser und kurbelte das Fenster ihres alten Ford Mustang runter. Normalerweise mochte sie keine protzigen Autos. Dieses hatte sie aber von ihrem Vater geerbt und da sie momentan knapp bei Kasse war, was sie eigentlich immer war, hatte sie es bereitwillig genommen. Es war nicht sonderlich gepflegt, denn sie legte auf sowas keinen Wert und jeder Automobilfan würde ihr wahrscheinlich dafür den Hals umdrehen.

Verträumt schaute sie sich die anderen Autofahrer an, welche mit ihr im Stau standen. Sie fluchten und hupten, fingen an zu gestikulieren und brüllten was das Zeug hielt. Irgendjemand weiter vorne an der Ampel wird wohl den Motor abgewürgt haben, oder zu langsam angefahren sein. So wie immer. Sie seufzte und drehte die Klimaanlage auf volle Stärke. Auch wenn ihr bewusst sein sollte, dass bei offenen Fenster die Klimaanlage wenig nützte, fiel es ihr nicht auf. Die stehende Hitze liessen ihr Gehirn nicht richtig arbeiten und somit übersah sie auch ihren groben Schnitzer. Barbara liess ihr Genick kreisen bis es knackte und streckte ihre Arme. Sie war verspannt, was daran lag, dass sie unter Zeitdruck war. Die Uhr zeigte zehn vor acht und sie sollte die überarbeitete Akte heute Mr. Clover vorlegen. Sie hasste es die Assistentin dieses Kerls zu sein, doch das Gehalt stimmte endlich mal und sie konnte es sich nicht leisten wieder den Job zu verlieren. Zwei Wochen arbeitete sie nun schon für einen der aufstrebenden Anwälte von New Jersey, selbst wenn er ein Arschloch war. Sie griff zur Handtasche, die auf dem Beifahrersitz lag und kramte ihr Mobiltelefon raus. Es war noch ein ziemlich altes, ein Smartphone konnte sie sich nicht leisten ohne noch mehr Schulden zu machen. Sie klappte es auf und suchte nach der Nummer von ihren Chef, als sie lauter werdende Stimmen vernahm. Barbara blickte vom Display auf und schaute in den Rückspiegel. Irgendein Typ ist ausgestiegen und hämmerte auf einen der Autos rum. Der andere Fahrer schien verängstigt und drückte sich an die Tür, als würde es etwas nützen. Andere stiegen aus ihren Fahrzeugen und gingen auf den, wahrscheinlich, ausrastenden Typ zu. Ihren Gesten zu beurteilen, wollten sie ihn wohl beruhigen. Sie schaute wieder auf ihr Telefon. Acht vor acht zeigte die Uhr oben rechts und sie ging ins Menü, um die Nummer anzurufen, die vielleicht ihr letzter Anruf in der Firma sein würde.

Kurz schaute sie vom Handy auf und sah dass der Verkehr weiter ging. Sie löste die Handbremse und fuhr langsam an. Wie im Schneckentempo bewegte sich die Blechkolone weiter Richtung Innenstadt. Als sie einen flüchtigen Blick in den Rückspiegel warf bekam sie gerade noch mit, wie sich einige Leute mit dem randalierenden Kerl prügelten. Doch das war gerade ihre kleinste Sorge. Das Telefon wählte. Sie fing an zu zittern und überlegte, ob sie nicht eine Lüge erfinden sollte, oder irgendetwas anderes um Mr. Clover zu beschwichtigen. Es klingelte. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis eine tiefe Stimme antwortete. "Clover. Sprechen sie!" Sie sprach leise, flüsterte fast und stammelte mehr, als sie klare Sätze hervorbringen konnte. "Mr. Clover hier ist .." sie machte eine Pause. Die Angst sass ihr im Nacken. "Ms. Parsly. Ich wollte ihnen mitteilen dass ich im Stau stehe und ungefähr fünfzehn bis zwanzig Minuten später komme." Barbara lief der Schweiss von der Stirn, stärker als vorher und sie wischte sich mit der linken Hand durch ihre blonden lockigen Haare, welche offen ihr bis zu den Schultern reichten. Der regelmässige Atem und die unaufhörlich lange Pause von Mr. Clover kamen ihr unerträglich vor. Sie wollte Schreien. Sie mieses Arschloch! Stecken sie sich ihre Akte sonst wo hin und ficken sie sich ins Knie! Doch den Mut hatte sie nicht. "Ok. Dann müssen sie mich schneller instruieren. Den Rest besprechen wir dann, wenn sie da sind." sagte er und legte auf. Barbara sank in ihren Sitz ein und liess den Arm mit dem Telefon sinken. Sie war sich nicht sicher ob sie erleichtert oder beängstigt sein sollte.

Als sie endlich an der Kreuzung ankam, sah sie was den Stau verursachte. Ein Polizist regelte den Verkehr und leitete die Teilnehmer um die Unfallstelle um. Viel sah sie nicht, nur ein Rettungswagen, ein Auto mit offener Tür, doch ohne Fahrer und ein weisses Tuch auf der Strasse, was irgendwas verdeckte. Wahrscheinlich war der Fahrer des leer stehenden Autos unkonzentriert gewesen. Sei es durch die Hitze oder anderweitig abgelenkt und hat einen Fussgänger übersehen. Die Bremsspuren verrieten, dass er wohl viel zu schnell unterwegs war und die Ampel übersehen hatte. Tragisch. Mehr konnte sich Barbara dazu nicht denken und befolgte den Anweisungen des Polizisten. Dieser schien angespannt zu sein, denn er wirkte ziemlich genervt und schwitzte so stark, dass man die Perlen seine Stirn runter laufen sah.

Vier JahreszeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt