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Ich war noch nie verliebt

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Ich war noch nie verliebt.

Oberflächlich verknallt ja. Aber so richtig verliebt mit Herzklopfen und Achterbahngefühlen im Bauch? Nein, definitiv nicht.

24 Jahre lang hat mir das nichts ausgemacht. Ich glaube dieser Umstand resultierte irgendwann daraus, dass ich davon ausgegangen bin, dass sich niemand in mich verlieben könnte.

Weil die Jungs immer an mir vorbeigeschaut haben. Zu meiner dünnen Schwester, ihrer extrovertierten besten Freundin oder dem geschminkten Mädchen, mit dem hübschen Gesicht.

Ich bin noch nie besonders aufgefallen. Ich bleibe mehr für mich und traue mich nie, von mir aus auf andere Leute zuzugehen.

Ich war noch nie schlank, sondern schon immer pummelig. Um Kleidergröße S musste ich schon seit meiner frühsten Jugend einen großen Bogen machen. Weil ich dazu neigte, meinen Frust in mich hineinzufressen.

Ich gelte Allgemeinhin nicht als besonders hübsch. Mein Gesicht ist so asymmetrisch, dass es auffällt – vor allem wenn ich mir die Haare zusammenbinde – und nicht mehr unter den allgemeinen Leitsatz jedes Gesicht ist ein bisschen schief, fällt.

Nuckelflaschenkaries und die Nachlässigkeit meiner Eltern brachten schiefe Zähne hervor, an denen nicht mal die feste Zahnspange, die mich von meinem 15. Lebensjahr bis zum 19. Geburtstag begleitet hat, etwas ändern konnte. Und zusätzlich sind meine Zähne durch das Metall und die fehlerhafte Behandlung der Kieferorthopädin kaputt und unansehnlich. Meistens traue ich mich nicht, mit offenem Mund zu lächeln.

Das ich in den Spiegel gesehen habe und nicht mochte, was ich sehe, fing bei mir schon sehr früh an. Vor allem, wenn andere bemerkten, wie hübsch meine Schwester wäre und ihnen zu mir nichts anderes einfiel, als das ich aussehen würde wie mein Vater. (Nichts, dass man als junges Mädchen oder Frau gerne hört.)

Erwachsene gaben sich wenigstens noch Mühe, sich gewählt auszudrücken. Bei den Kindern sah das schon anders aus. Nicht umsonst sagt man, dass Kinder die bösartigsten Lebewesen auf dieser Erde sein können.

Der Krieg gegen mich selbst wurde nicht besser, als ich älter wurde. Nur die Waffen veränderten sich. Statt der Meinung von Erwachsenen, wurde plötzlich die der gleichaltrigen wichtig. Social Media schuf einen ganz neuen Kriegsschauplatz. Kleidung von KIK war genauso verpönt, wie kein Smartphone zu besitzen. Und wenn du dich als Mädchen nicht geschminkt hast, warst du quasi per Gesetz nicht hübsch. Natürliche Schönheit kannte damals keiner. Die Illusionen von Make-Up, die in den Köpfen meiner Mitschülerinnen tief verankert war, habe ich bis heute nicht verstanden.

Als die anderen Mädchen damit anfingen, Jungs nicht mehr blöd zu finden, war ich ihnen allen zum allerersten Mal einen Schritt voraus. Denn das letzte Mal, dass ich einen Jungen blöd fand, war im Kindergarten. Ich habe ihre Existenz schon in der Grundschule akzeptiert und auch, dass sie eben etwas anders sind als wir Mädchen.

Natürlich gab es auch immer Jungen, die ich mehr mochte als die anderen, aber Herzklopfen hatte ich bei keinem.

In der Oberschule gab es einen Jungen in meinem Jahrgang, den ich süß fand. Diese oberflächliche Verknalltheit, begleitete mich vier Jahre lang. Bis eine Klassenkameradin und ihre beste Freundin das herausgefunden haben.

Für Mona und Selin war das über viele Monate hinweg das gefundene Fressen. Weil sie zu den hübschen und beliebten Mädchen gehörten und ich eben nicht.

Ihren Höhepunkt, fanden die Hänseleien, als Selin eines Tages zu mir kam und sagte: »Der ist viel zu hübsch für dich, der wird niemals was von dir wollen. Du spielst einfach nicht in seiner Liga!«

Von da an wiederholte sich dieser Satz in meinem Kopf immer wieder, wenn mir der besagte Junge über den Weg lief.

Am Anfang wehrte ich mich noch dagegen, der Stimme zu glauben. Aber als plötzlich alle Mädchen aus meiner Klasse einen Freund hatten und ich nicht, fing ich an, an das, was die Stimme sagte, zu glauben.

Und ich sah den Jungen nicht mehr an, wenn er mir über den Weg lief, ich senkte stattdessen den Blick.

Mit den Jahren wurde mir zunehmend egaler, was die Leute von mir hielten, zu mir sagten oder über mich dachten.

Ich kümmerte mich nicht um mein Aussehen oder die Kleidung, die ich trug. Ich akzeptierte, dass die Jungen wohl immer an mir vorbeisehen würden. Ich gewöhnte mich an den Gedanken, dass es zu meinem Topf wohl keinen passenden Deckel gab.

Es gab ein paar Männer in meinem Leben, für die ich aber nichts weiter war als ein schneller Flirt oder die Gelegenheit für eine weitere Kerbe in ihrem Bettpfosten. Wenn es um Sex geht, ist heutzutage alles gut genug. Selbst die Dicken und Hässlichen, wie wohl die Gesellschaft zu denken scheint.

Es gibt Momente, da bin ich froh über meine Unabhängigkeit, meine Möglichkeit spontan Entscheidungen zu treffen und niemandem Rechenschaft schuldig zu sein, außer mir selbst.

Aber dann gibt es auch Momente – und die häufen sich in den letzten Monaten -, in denen ich meine Schwester und ihre Freundinnen beneide. Sie sind nie allein, sie haben immer jemanden, der sie in den Arm nimmt und sie etwas fühlen lässt, dass ich noch nie gefühlt habe: Liebe und verliebt sein.

Ich hätte es besser wissen müssen, als ich Parker kennengelernt habe. Ich hätte auf die Warnungen derjenigen hören sollen, die ihn länger und auch etwas besser gekannt haben.

Ich hätte seine Nummer blockieren sollen, bevor ich jedes Mal Herzklopfen bekam, wenn WhatsApp eine Nachricht ankündigte.

Weil die Menschen mich nicht hübsch finden, versuchen sie mich immer damit aufzuheitern, dass sie mich für sehr klug und intelligent halten.

Obwohl das eins von den Komplimenten ist, die man macht, wenn einem nichts anderes einfällt, habe ich den Leuten immer geglaubt.

Aber nach allem, was mit Parker passiert war, bin ich mir nicht mehr so sicher, ob sie wirklich recht haben.

Vielleicht hat Parker das auch als allererstes erkannt und von dort an schamlos ausgenutzt.

Ich habe mich vor ihm monatelang zum Vollidioten gemacht, aber mittlerweile glaube ich, er war nicht der Einzige, der sich über mich lustig gemacht hat.

Ich war schon immer ein pessimistischer Realist. Manchmal war es gruselig, dass Leben wie durch eine Glaskugel zu sehen. Immer schon vorher zu wissen, dass etwas, dass man noch so sehr will und sich wünscht, schief gehen wird. Nur um sich dann von anderen anhören zu dürfen Das wird schon, während sie von einer Glücksträhne in die nächste stolpern und du von einer Pechpfütze in die nächste fällst.

Obwohl die krankhaften Optimisten es nicht hören wollen, bin ich der festen Überzeugung, dass es Menschen gibt, die ohne den kleinsten Funken Glück geboren werden. Wenn ich an etwas glaube, dann an das. Nicht an irgendeinen Gott oder das Schicksal.

An den guten Tagen bin ich davon überzeugt, nicht dazu zu gehören. Es gab Momente mit Parker, da gehörte ich zu den glücklichsten Menschen dieser Welt.

Aber schon bevor die Geschichte von Parker und mir wieder vorbei war, wurde ich eines Besseren belehrt.

Die Enttäuschung ist ein ständiger Begleiter in meinem Leben. Man müsste meinen, ich hätte den richtigen Umgang damit bereits gelernt. Habe ich nicht.

Mit Parker habe mich bloß zum ersten Mal seit langer Zeit wirklich gesehen gefühlt.

Aber wie sagt man so schön: Hochmut kommt vor dem Fall! Und in meinem Fall war der sehr tief.

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⏰ Last updated: May 27 ⏰

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Das Herz so weiss wie KokainWhere stories live. Discover now