𝐏𝐑𝐎𝐋𝐎𝐆

67 5 0
                                    

FLANDERS MOSS ESTATE
Schottland
Januar 1800

Es war ein kalter Tag im Januar. Viel kälter als die Winter zuvor und so unerbittlich, dass sich die Menschen kaum vor die Tür trauten.

So kalt und dunkel, dass selbst die Mittagssonne, die ab und zu am Himmel stand, nicht vermochte, auch nur einen kleinen Teil des Eises auf den Dächern und Seen zu schmelzen. So tot und erstarrt, dass Mütter ihre Kinder nie allein hinaus sandten.

Kalte Füße, klamme Hände, laufende Nasen und Feuchtigkeit. All das bedeutete den Tod hier auf dem Lande.

Bis zum nächsten Dorf waren es Meilen und jeder Arzt, der die Absicht hatte, hierherzukommen, fürchtete die hohe Schneedecke aus Angst, sie könnte ihre kostbaren Kutschenräder ruinieren.

Doch selbst in der Stadt hatten es die Menschen nicht besser.

Wenn sie nicht in der Kälte starben, dann an den furchtbaren Arbeitsbedingungen der Fabriken oder dem Typhus, der sich wie ein Feuer durch die Straßen fraß und genau jene mit sich zog, die es gewagt hatten, sich ihm in den Weg zu stellen.

Wenn sie so darüber nachdachte, war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis er auch Flanders Moss, den herrschaftlichen Wohnsitz der Familie Stewart, welche dort seit Generationen mit ihren Angestellten lebte, erreichte.

An diesem Tag saß die 11-Jährige Catriona Stewart am Bett ihrer erkrankten Mutter Isobel. Alle Versuche ihrer Gouvernante Greer, sie aus dem Zimmer zu entfernen, waren gescheitert.

Man wollte verhindern, dass das kleine Mädchen ebenfalls am Nervenfieber erkrankte. Doch ein Kind von seiner Mutter zu trennen, war kein leichtes Unterfangen.

Catrionas Vater schien desinteressiert am Zustand seiner Frau. Er mied das Zimmer — nur ein Mal am Tag steckte er seinen Kopf durch die große Flügeltür, warf einen Blick auf die bleiche Gestalt und verschwand anschließend.

Das kleine Mädchen hatte fieses Flüstern vernommen, Gerüchte in der schützenden Dunkelheit des Anwesens. Die Leute machten sich keine Mühe, es vor ihr zu verbergen.

Man sagte, dass ihr Vater bereits eine neue Frau hatte und nur darauf wartete, dass Isobel endlich starb.

Nur so war er in der Lage neu zu heiraten, denn alles andere war ein Frevel. Es war eine Beleidigung an den Herrn, der sie im Bunde der Ehe für die Ewigkeit vereint hatte.

Doch diese Ewigkeit schien langsam ihr Ende zu nehmen. Catriona wusste nicht viel mit ihren 11 Jahren, aber sie hatte von Greer erfahren, wann die kranken Menschen nicht mehr heilten und letztendlich in die Herrlichkeit übergingen.

In ihrer Naivität hatte sie gedacht, ihre Mutter würde gesund werden und dass sie nicht wie die anderen Menschen war, die an dieser grausamen Seuche starben.

Doch das Leben war selten gerecht.

Catriona drückte die Hand ihrer Mutter fest. Die blasse Frau war fest eingewickelt in gesteppten Decken und säuselte allerlei Unsinn vor sich hin.

„Oh, liebe Frau Mama. Es ist so unsagbar ungerecht", sagte sie und ihr kleines Gesicht verzog sich zu einer traurigen Grimasse. „Ich war mir so sicher, dass du gesund wirst."

𝐓𝐇𝐄 𝐁𝐑𝚰𝐃𝐄 𝐎𝐅 𝐖𝐘𝐍𝐃𝐌𝐎𝐎𝐑Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt