Das Land lag verlassen und zerstört da. Hermine erwachte nach einem langen, ohnmächtigen Schlaf und fühlte sich im ersten Moment desorientiert. Wo war sie? Sie sah sich um. Staub tanzte im hereinfallenden Licht, das durch die zerstörten Fenster fiel. Neben ihr lag Ron und schnarchte ruhig. Im Bett daneben lag Harry auf der Seite und blinzelte sie müde an. Sie wandte sich um und sah, was sie geweckt hatte: Kreacher, Harrys Hauself, lächelte sie schüchtern an und reichte ihr ein Frühstückstablett.
"Danke, Kreacher",
lächelte sie zurück und nahm das Tablett. Sie biss gierig in ein Croissant und nahm einen Schluck Orangensaft. Alles war gut. Sie hatten gewonnen. Lord Voldemort war besiegt. Eine wohlige Wärme stieg bei dem Gedanken in ihrer Brust hoch. Sie blickte auf Ron neben sich hinunter. Sein Haar schwang sanft vor und zurück im Sog seiner Schnarcher. Liebevoll strich sie ihm die Haare aus dem Gesicht. Erschrocken setzte er sich ruckartig auf, griff nach seinem Zauberstab und blickte sich schreckhaft um. Dann entspannte sich seine Miene, als er Hermine und den erschrockenen Kreacher entdeckte.
"Morgen",
gähnte er. Kreacher schob ihm ein identisches Tablett auf den Schoß und trippelte zu Harry hinüber.
"Meister Harry",
flüsterte er und zupfte an Harrys Bettdecke. Harry streckte sich und grinste Kreacher und die anderen an. Dann machte er sich über sein Tablett her und blickte sich um. Auch hier im Turmzimmer gab es Kampfspuren. Kreacher hängte gerade die zerissenen Vorhänge ihrer Himmelbetten ab und ersetzte sie mit einem Fingerzeig durch neue, frisch duftende. Er kehrte herausgebrochene Mauerreste zusammen. Hermine, die fertig mit ihrem Frühstück war, sprang aus dem Bett. Sie stöhnte kurz auf vor Prellungen und kleineren Verletzungen, die sie sich im Kampf zugezogen hatte. Sie zückte ihren Zauberstab und begann Kreacher zu helfen, aufzuräumen. Ron biss genüsslich von einer Erdbeere ab und beobachtete sie dabei. Harry bekam einen Geistesblitz, er griff nach seinen zwei Zauberstäben und wählte den Elderstab. Er zeigte damit auf das Zimmer und dachte:
"Reparo Omnes".
Er blinzelte und alles erstrahlte in altem Glanz. Die Fensterscheiben waren wieder ganz, die Turmmauern intakt. Ihm kam eine Idee, das sollte die letzte große Tat des Elderstabs sein. Er zog sich an und bedeutete den beiden, mit ihm zu kommen. Auf dem Weg hinunter stiegen sie über Trümmer und Blutlachen. Hier und da waren schon andere wach und hatten, wie sie, angefangen, die Schäden zu beheben. Ron und Harry liefen einfach vorbei. Doch Hermine hatte versteckt unter Staub, Schmutz und Blut einen der Helfer erkannt. Er räumte gerade Schutt und Säulenteile von einem großen Gemälde eines Zentauren. Dieser feuerte ihn aus einem benachbarten Gemälde an.
"Ja, noch ein kleines Stück, danke Junge!"
In diesem Moment bemerkte Draco Hermine, die stehen geblieben war. Er hob seinen Kopf und erstarrte, als er sie erkannte. Einen kurzen Augenblick trafen sich ihre Blicke, er wurde rosa im Gesicht und blickte schnell zurück auf den Schutthaufen zu seinen Füßen. Hermine wollte etwas sagen, wusste aber nicht was. Sie wusste, dass er es bereute. Das wusste sie schon seit Harry ihr erzählt hatte, dass Malfoy im 6. Jahr auf dem Mädchenklo geweint hatte. Und als er Harry im Haus der Malfoys nicht identifizieren wollte. Aber was sagt man nach Jahren heftiger, gegenseitiger Abneigung, auch wenn die Hassgefühle erkaltet waren? Deswegen nickte sie ihm nur kurz zu und folgte Harry und Ron die Treppe hinunter. Draco blickte ihr hinterher, als er sicher war, dass sie weitergegangen war. Er dachte, dass sie etwas sagen hatte wollen. Wahrscheinlich, was es ihm einfiel, überhaupt noch hier zu sein, dachte er düster. Sowie wahrscheinlich alle hier. Wer würde ihm glauben, dass er schon lange Zweifel gehabt hatte? Sie würden ihn verachten und denken, er wäre wie die Todesser beim letzten Mal, die sich klug herausgeredet hatten. Er beschloss, sich nicht zu verteidigen und durch harte Arbeit vielleicht im Ansehen der Gemeinschaft wieder zu steigen. Mit schuldhaften Gedanken wandte er sich wieder seiner Arbeit zu.
Harry, Ron und Hermine hatten nun das Schlossportal erreicht, nur noch eine Tür hing schief in den Angeln. Sie traten hindurch und folgten Harry, der immer weiterging, bis er sich plötzlich umdrehte. Sie betrachteten Hogwarts. Zerstört lag es vor ihnen. Trümmerteile lagen auf dem Rasen. Auf einer Seite waren die oberen Etagen komplett weggesprengt worden. Die Fenster kaputt, aus manchen qualmte es noch leicht. Während sie zusahen, fiel ein weiterer Turm in sich zusammen. Ron blickte Harry stirnrunzelnd an, er wollte gerade eine Frage stellen, als Harry ihm bedeutete, ruhig zu sein. Er richtete den Elderstab auf Hogwarts und dachte fest
"reparo omnes".
Hermine und Ron blickten gespannt auf das Schloss. Eine sanfte Sommerbrise kam auf. Hermine schrie erfreut auf, als sich plötzlich die Fassadenstücke in ihrer Nähe erhoben und Richtung Schloss davon schwirrten. Auf ihrem Weg nahmen sie alle Bruchstücke mit sich. Vor ihren Augen setzte sich das Schloss wieder zusammen. Es war, als würden sie die Zerstörung von Hogwarts rückwärts und im Zeitraffer beobachten. Stücke, die gerade heruntergefallen waren, machten in der Luft kehrt und setzten sich an ihre angestammten Plätze. Innerhalb von Sekunden sah das Schloss aus, als wäre nie etwas geschehen. Ron und Hermine staunten nicht schlecht, und Harry war innerlich sehr erleichtert, dass es geklappt hatte. Während er zu Dumbledores geschändetem Grab hinüberging, kamen die Schlossbewohner nacheinander aus dem Schloss und bestaunten die wundersame Reparatur. Harry legte dem leblosen Körper Dumbledores den Zauberstab in die Hände. Daraufhin tippte er mit seinem eigenen Zauberstab gegen das Marmorgrab, und die Risse schlossen sich augenblicklich. Harry schickte einen Patronus zu den Weasleys, die noch im Schloss waren, nahm Hermine und Ron bei der Hand, und sie apparieren kurz hinter der Schlossgrenze.
2020
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