PURPLE RAIN

agustofwind द्वारा

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❝And baby, for you, I would fall from grace, just to touch your face❞ Jimin würde alles dafür tun, die verlor... अधिक

foreword - all we have is now
chapter one - (don't fear) the reaper
chapter two - i want to break free
chapter three - crime of the century
chapter four - surrender
chapter five - comfortably numb
chapter six - fox on the run
chapter eight - piano man
chapter nine - breakfast in america
chapter ten - stairway to heaven
chapter eleven - burnin' for you
chapter twelve - hotel california
chapter thirteen - somebody to love
chapter fourteen - lucky man
chapter fifteen - a whiter shade of pale
chapter sixteen - everybody knows
chapter seventeen - this town ain't big enough for the both of us
chapter eighteen - bye bye baby
chapter nineteen - both sides now
chapter twenty - heroes
chapter twenty-one - lake shore drive
chapter twenty-two - rhiannon
chapter twenty-three - california dreamin'
chapter twenty-four - enjoy the silence
chapter twenty-five - when i was young
chapter twenty-six - when doves cry
chapter twenty-seven - don't give up
chapter twenty-eight - oh! you pretty things
chapter twenty-nine - paint it black
chapter thirty - nowhere man
chapter thirty-one - hallelujah
chapter thirty-two - purple rain
epilogue - two years later
acknowledgement

chapter seven - yesterday

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agustofwind द्वारा




track no. 7 ♫
yesterday;
by the beatles


- — -

JIMIN HATTE NICHT DEN HAUCH einer Ahnung, welche Erwiderung er Yoongis Worten entgegenbringen sollte, in denen er gerade ebendas Massenmörder-Dasein zugab, das Jimin bis soeben erfolgreich verdrängt hatte—gut gemacht? Oder sollte er ihn in Berufung auf den allgemeinen gesellschaftlichen Kodex scharf anfahren und ihm vor Augen halten, dass ein zivilisiertes Land kein Ort für Selbstjustiz war?

Der andere schien offensichtlich auf eine Reaktion von ihm zu warten und Jimin musste zugeben, wie sehr ihn dieser Umstand beirrte. Yoongi blickte ihn geradeaus an; seine Augen ein einziges, spöttisches Glimmen, als hoffte er mit jeder Faser seines Herzens darauf, dass Jimin in eine idiotische Retorte ausbrechen würde, die von gewohnter Selbstgerechtigkeit durchwirkt war. Er wusste, was der Kkangpae von ihm erwartete—er wollte ihn in der Rolle der verblendeten Justiz sehen, damit er sich selbst in seiner sozialen und politischen Ächtung vor Augen halten konnte, was für ein Freidenker er doch war.

Und weil Jimin so genau wusste, was der Purple Rain von Daegu von ihm erwartete, tat er das Gegenteil. Er blickte Yoongi unbeirrt an und hob eine Augenbraue: „Du willst also alle getötet haben? Und wer genau hat dann meinen Vater auf dem Gewissen? Ist es doch Bigfoot?"

Später würde er diesen Augenblick als denjenigen Marker in der Zeit charakterisieren, in dem er endgültig jegliche Chance auf Amortisation verspielt hatte; der Sekundenbruchteil, der ihn von einem negativ behafteten Objekt in Yoongis Augen zu einer definitiven Persona Non Grata machte. (Viel später würde er noch etwas anderes über diesen Augenblick zu erkennen wissen; aber dafür ist es in dieser Zeitgebung noch entschieden zu früh.)

Der Clanführer schien einen winzigen Moment beinahe um Worte verlegen zu sein, während die anderen Kkangpae um Jimin herum (sogar Taehyung) konsterniert zwischen den beiden hin und herblickten, als erwarteten sie sich alles—von einer spöttischen, schlagfertigen Antwort, bis hin zu einer ruckartigen Bewegung von Yoongis Unterarm, in dessen Ausführung seine Faust mit Jimins Nasenrücken in heftigen Kontakt geraten würde. Jeongguk schien eindeutig auf die letztere Variante zu hoffen, aber er wurde enttäuscht; jeder, der eine Vorhersehung gewagt hatte, wurde enttäuscht, denn Yoongi hüllte sich in Schweigen—überließ Namjoon durch eine kaum merkliche Kopfbewegung das Gespräch und die Abfertigung dieses Störelements namens Park Jimin.

„Eine Mafia kann man nicht töten, Kleiner", schnaubte Namjoon ungeduldig, als wäre Jimin ein begriffsstutziges Schulkind, das die Grundlagen der Mathematik nicht verstehen wollte. „'s wie mit der Hydra. Hackt man einen Kopf ab—"

„...wachsen zwei neue nach", beendete Jimin seinen Satz mit derselben diffamierenden Ungeduld. „Ich weiß, ich weiß. Diese Trope verwendet so ziemliche kriminelle Untergrundorganisation, die etwas auf sich hält."

„Aber die Metapher ist dennoch zutreffend", warf Taehyung milde ein, und brachte sich damit zum ersten Mal seit einer langen Weile in das kriegszerrüttete, Minenfeld-artige Gespräch ein. „Allein, dass wir alle, ob Kkangpae oder Yakuza, einen Kopf besitzen; nach dessen säuberlicher Abtrennung wir eine Weile wie aufgescheuchte, schädellose Hühner herumrennen, hat einen ziemlichen Wahrheitsgehalt an sich."

Jimins Blick zuckte automatisch zu Yoongi, der just in diesem Augenblick den Kopf hob, als habe er seine plötzliche Aufmerksamkeit unlängst antizipiert. Ein feines Lächeln zog sich um seine Lippen, als wollte er ihm herausfordern: Willst du wirklich einen Versuch wagen?

Auch, wenn Jimin nach wie vor mit tausenden ungeklärten Fragen innerhalb von wild kreisenden Gedanken zu kämpfen hatte, deren Beantwortung doch eigentlich die allerhöchste Priorität innehatten, versank er zum wiederholten Male in eine unfreiwillige, intensive Betrachtung des Clanführers; die sich nur aus dem Grunde ereignete, dass sein Blick beinahe magnetisch von ihm angezogen wurde.

Er war durch Namjoons breite Gestalt halb verdeckt und so konnte Jimin in seiner jetzigen Position lediglich sein blondes Haar ausmachen, das—nun tatsächlich in einer direkten Gegenüberstellung—nicht diametraler zu Taehyungs goldenen Locken wirken könnte. Wo der Assassine gesponnenes Gold aufzuweisen schien; gerade so, als habe das Sonnenlicht entschieden, sich in Taehyungs Haar ein zweites Zuhause zu suchen, sich in jeder Krümmung, in jeder Strähne zu verwirklichen—gerade bei einem solch unmittelbaren Vergleich erschien Yoongi wie ein Transparent.

Er war so blass, so absolut alabasterweiß, dass Jimin überhaupt nicht etablieren konnte, ob sein natürliches schwarzes Haar oder doch das gefärbte Blond seine Blässe stärker betonen würden. Andererseits, je länger er die Situation beleuchtete, desto unwahrscheinlicher erschien es ihm, dass Yoongi bei Tageslicht jemals vor die Türen dieser Halle trat—und selbst wenn, dann geschähe das garantiert im Schutze der verspiegelten, getönten Scheiben eines Sportwagens. Als er nun neben Namjoon stand, der in jeder Hinsicht jegliche Überdurchschnittlichkeit an Körpergröße auffüllte; brachte Jimin ein zweites Mal in Erfahrung, dass Purple Rain tatsächlich beinahe so klein war wie er selbst. Anders als Jimin jedoch, der zarte, geschickte Mädchenhände besaß, für die sich jede Ringgröße mindestens zwei Nummern zu groß erwies, und zwei kleinen Fingern, die im Wachstum tatsächlich ein paar zu wenige Hormone erwischt hatte, besaß Yoongi die singulär schönsten Hände, die er jemals aktiv erblickt hatte. Die weiße Haut war so transparent, dass beinahe jede Ader wie mit dunkelblauen Aquarell auf papierenen Pergament gemalt erschien, sich kunstvoll um seine langen, schlanken Finger zog und entlang seines Handrückens wie in einem ornamentarischen Muster bis hin zu seinen Unterarmen verlief. Jeder Finger war zudem von einer stark ausgeprägten Sehne in seiner Mitte gesäumt, und seine Knöchel waren leicht gerötet, so, als habe er die letzten Minuten damit verbracht, sie durchgehend gegen etwas Hartes, Widerständiges zu hämmern—selbst, wenn die Rötung wahrscheinlich nur eine empfindliche Haut charakterisierte.

Jimin musste nicht lange suchen, bis er das Tattoo an seinem rechten Handgelenk entdeckte; ein schwarzer, durchgängiger Parallelstrich, der auf seinen ersten, raschen Blick geradezu etwas verzerrt wirkte—beinahe so, als prangte es schon so lange auf seiner Haut, dass es sich die letzten Jahre seines jugendlichen Wachstum mit ihm entwickelt hatte. Außerdem schmückte eine Reihe an silberner Armbänder sein Handgelenk, die sich halb über das schwarze Tattoo legten und so den unmittelbaren Blick auf das Gangzeichen eigentlich verhinderten.

„Aber", zwang Jimin sich zu sagen, während er seinen Blick beinahe gewaltsam von Yoongi löste, „wer will dann Rache? Wohl kaum diejenigen, die ihr damals getötet habt, oder?"

Taehyung schüttelte sofort den Kopf. „Nicht wir. Das war nur Yoongi."

„Ich kann nicht behaupten, dass ich folgen kann."

Der Assassine schien zu einer Antwort anzusetzen, aber als er einen kurzen Blick in Yoongis Richtung warf, schüttelte dieser beinahe unmerklich den Kopf. Da Jimins Augenmerk ohnehin beinahe konstant von dem Clanführer angezogen wurde, blieb ihm die kaschierte Gestik nicht verborgen und er biss sich verärgert auf seine Lippen.

„Wir schweifen vom Thema ab", warf Yoongi ein und fixierte Jimin durchdringend, was in einer unangenehmen Enge in seiner Kehle resultierte. Üblicherweise war er von Charisma oder menschlichen Magnetismus kaum behelligt—eine Konsequenz daraus, dass er selbst zu viel davon besaß und diese Waffen deshalb in einer schmerzlichen Expertise einzusetzen wusste—aber Yoongi musste ihn nur eine halbe Sekunde zu intensiv mustern, und er spürte, wie in seiner Brust als direkte Reaktion dazu sein Herzschlag sprunghaft anstieg. Alles in allem sollte ihn das nicht verwundern; der Kkangpae war nicht gerade ein farbloser Charakter, der durch Glück und Zufall die tödlichsten Männer des Landes um sich geschart hatte. Die verschwindende Winzigkeit einer Notion erinnerte er Jimin an sich selbst; an eine verhängnisvolle Version seiner—der nicht Freunde und Gesichter der Belustigung wegen gesammelt hatte, sondern Fähigkeiten. Er war sich vollkommen sicher, dass jeder aus der auf den ersten Blick keiner Logik unterstehenden Gruppe um ihn herum einen Mehrwert für Bang Tan Pa erfüllte, aufgrund dessen Yoongi sie in eiskalter Berechnung ausgewählt hatte.

„Was sind das für Dokumente?", fragte Jimin rasch, bevor Yoongi ihn wieder in das Spinnennetz seiner Eloquenz locken konnte.

„Im Grunde ein schlüssiges Portfolio, das jede Transaktion, jedes Gespräch mit Yakuza genauestens protokolliert. Es ist darauf ausgelegt, jeden zu belangen, jeden zu Fall zu bringen, der auch nur so viel wie einen halben Finger in dieser Sache zu tun hatte." Es war diesmal tatsächlich Yoongi, der ihm antwortete, und Jimin hatte die keine Mühe, die Handschrift seines Vaters in einer solchen Präventivmaßnahme zu erkennen.

Er war beinahe erleichtert: zum ersten Mal, seit der Skandal ans Tageslicht getreten war, identifizierte Jimin seinen Vater in den Taten, die ihm von der Weltöffentlichkeit angerechnet wurden. Wenn er aus irgendeinem idiotischen, unverständlichen Grund wirklich entschieden hatte, niemand Geringeres als die japanische Mafia in Boot zu holen, dann würde er genau das tun. Natürlich würde er Dokumente anfertigen, die akribisch genau den Verlauf dieses verhängnisvollen, mit Einfachheit in eine Katastrophe ausartenden Deals protokollierten—und er würde sie so sicher aufbewahren, dass sie im Fall seines Todes oder seiner Inhaftierung nicht dem erstbesten, x-beliebigen Stümper unterkämen, der danach suchte.

„Was die Yakuza damit will, erschließt sich mir jetzt vollkommen", begann Jimin schließlich. „Aber was interessieren euch ein paar Protokolle über die Korruption unseres Staates?"

„Hast du mir nicht zugehört?", fragte Yoongi ungeduldig und neigte den Kopf zur Seite. „Es gibt kein größeres Übel in dieser Welt als die Yakuza. Und es gibt niemanden, den die Yakuza mehr verabscheut als Kkangpae. Das hat historische Gründe."

„Und aktuelle", warf Taehyung grinsend ein und stützte seinen Kopf auf seinen Handflächen ab, sodass er seinen Blick mühelos zwischen Jimin und Yoongi schweifen lassen konnte.

„Taehyung...", grollte Yoongi leise. „Jetzt nicht."

„Du willst mir also weismachen, dass du aus purer Herzensgüte an den Dokumenten interessiert bist, weil du wahrscheinlich wieder einmal irgendeine verquere Form der Selbstjustiz anstrebst, mit der du die Regierung von dem Befall der Yakuza bereinigen willst? Tut mir wirklich Leid, wenn es mir ein wenig schwer fällt, das zu glauben." Jimin legte nun ebenfalls den Kopf schief, und wie als Erinnerung an die alten Manipulationstechniken, in denen er sich vor heute Abend schon eine ganze Weile nicht mehr geübt hatte, öffnete er die Lippen eine Winzigkeit, während ein spöttisches, herausforderndes Lächeln sich in seine Mundwinkel eingrub.

„Es ist mir reichlich egal, was du glaubst oder nicht, Park. Es ist mir auch wirklich, wirklich gleichgültig, ob du sofort redest, oder ich dich davor in eines der alten Kellerverliese einsperren muss."

Jimin glaubte an einen Bluff; er konnte sich keinen anderen Gedanken erlauben. „Was, wenn ich eine keine Ahnung habe, wo sich diese sagenumwobenen Dokumente befinden? Wie oft muss ich es noch betonen, bis hier irgendjemand einmal den Hauch von Rekognition zeigt: Mein Vater hat mich aus seiner Politik herausgehalten. In jedem Maße."

„Dann muss ich dich wohl der Lüge bezichtigen."

Jimin wandte sich ungläubig vom Clanführer ab und warf beide Hände resigniert in die Höhe, ehe er die Augen schloss und einen tiefen Atemzug tat. „Ich hätte wirklich nicht geglaubt, dass—"

„Dein Vater hat es selbst gesagt." Yoongis Stimme klang durchdringend durch den Raum und erreichte ihn in seinem Zustand der ungemeinen Aufgegebenheit. „Seine exakten Worte waren, glaube ich: Aber seien Sie unbesorgt, Präsident, ich habe alles aufgesammelt und gespeichert. Kein noch so winziges Gespräch mit Yakuza ist nicht in Obhut meines Sohns."

„Und du weißt von diesem Gespräch, weil...?"

Offensichtlich intendierte der Clanführer zu einer Antwort anzusetzen, ehe er sich keine Sekunde später eines Besseren besann und Jimin mit diesem lethargischen, vollkommen von jeglicher Empathie losgelösten Blick bedachte. „Ich muss dich von überhaupt nichts überzeugen."

„Gut. Dann muss ich dir auch nicht helfen", antwortete er wie aus der Pistole geschossen. „Du bist ein Kkangpae, ich bin dir überhaupt nichts schuldig."

„Wie grandios, das wir das etabliert haben", sagte Yoongi ohne eine Regung in der Stimme, ehe er sich an den Jungen unmittelbar neben Jimin wandte. „Jeongguk, bring ihn in den Keller. Sperr ihn in eines der hinteren Verliese, das wir mal für den Chil Sung Pa verwendet haben."

Der Jüngere sprang auf die Beine, als habe er auf nichts anderes gehofft und ein süffisantes Grinsen lag auf seinen Lippen. „Mit Vergnügen, Boss."

„Yoon!", rief Taehyung wütend und erhob sich ebenfalls in einer fließenden Bewegung, sodass er nun in seiner vollen Höhe mehrere Zentimeter über Yoongi aufragte, der jedoch trotzdem keine Schwierigkeiten zu haben schien, ihn unmittelbar zum Wegsehen zu zwingen. Es war ein fürwahr seltsamer Anblick; Taehyung, hochgewachsen, zornig und mit verschränkten Armen vor der Brust, Messer am Gürtel, musste nur einen winzigen Blick in Yoongis Richtung zu werfen, um zu zögern. „Das kannst du doch nicht machen!", fügte er beinahe zahm hinzu und blickte den Älteren aus flehenden Augen an. „Du kannst ihn doch nicht dafür bestrafen, dass er offensichtlich nicht den Hauch einer Ahnung hat, wie er zu der gesamten Situation kommt."

Jimin warf ihm einen flammenden, dankbaren Blick zu, den Taehyung jedoch nicht einmal zu bemerken schien—er war viel zu sehr damit beschäftigt, an Yoongis Unbewegtheit zu scheitern.

„Ich stimme Taehyung zu", bekam Jimin zweite unerwartete Unterstützung. Hoseok hatte sich aus seinem Stuhl erhoben und war durch den breiten Wohnraum langsam auf sie zugeschritten, bevor er sich in sicheren Abstand über der imaginierten Türschwelle platzierte und die Szenerie nachdenklich musterte. „Lass ihn gehen, Yoongi. Der Junge weiß nichts. Machen wir sein Leben nicht noch grässlicher als es ohnehin schon sein muss."

„Ich sag nicht, dass wir ihn gehen lassen sollen", meinte Taehyung wieder, der wohl entweder seine eigene verquere Agenda verfolgte oder ein Nullsummenspiel für ihn herauszuhandeln versuchte. „Aber gleich einsperren? Yoon, das haben wir schon ewig nicht mehr gemacht. Und Jimin verdient das nicht. Der Letzte, den wir da unten gefangen gesetzt haben, hatte ein paar mehr Vergehen auf der Kappe, wenn ich dich erinnern darf."

Trotz, oder gerade wegen der Proteststürme aus seinen eigenen Reihen, schwankte Yoongi nicht um einen Millimeter. „Jeongguk, bring ihn runter."

Der andere wollte wohl gerade Jimin am Kragen seiner Jacke packen und ihn auf die Beine ziehen, aber dieser wich ihm aus und erhob sich aus eigenen Antrieb. „Ich mach das schon, danke", sagte er gereizt. „Du musst mit keinem phänomenalen Widerstand rechnen, Labrador. Ich glaube nicht an Gewalt."

Noch bevor Jeongguk seine Hand wie einen Schraubstock um seinen Arm schließen konnte, blieb Jimin aufrecht vor Yoongi stehen—(sie waren tatsächlich fast gleich hoch)—und blickte ihn so abwertend und spöttisch an, wie er konnte. „Ich hoffe, du weißt, dass du einer Fehler machst."

Eigentlich hatte er mehr sagen wollen, mehr der subtilen Drohung in das Gemisch seiner vollkommenen Ungebrochenheit legen wollen, mit der er vorhatte, gegen Purple Rain aufzutreten; aber wie so oft verließ ihn sein Wagemut Zentimeter vor den humorlos verzogenen Lippen des anderen und seine Festgefahrenheit zerfiel zu maßloser Ziellosigkeit. Yoongi hatte etwas an sich, dass es ihm unmöglich machte, seine manipulative Mimik auf der Weise aufrecht zu erhalten, die er es all die Jahre zuvor perfektioniert hatte. Jimins wichtigste Waffe, dasjenige Kampfmittel, das ihn niemals im Stich gelassen hatte; ihm allzeit erlaubt hatte, seinen despotischen Willen durchzusetzen, verlor vor Yoongi an Wirkung.

Es erschien ihm, als habe er plötzlich keinen Schutz, keine Panzerung mehr, sei sie noch so unbedeutend, die ihn vor den vergifteten, spitzen Waffen des Gangleaders beschützte. Und der Gedanke jagte ihm eine so jähe, tiefe Angst ein, dass ihm die Worte im Hals stecken blieben, mit denen er sich sonst gegen ein solches kriminelles Festhalten gewehrt hätte. Jimins Argumentation, seine Logik und seine Dogmen, auf die er sich berief, die in seinem System diejenige Wahrheit darstellen konnten, die mehr als nur seine unlauteren Fähigkeiten speisten—vor Purple Rain verliefen sie zu Schein und Trug.

Er hatte sich selten so hilflos gefühlt wie in diesem Augenblick; als ihm bewusst wurde, dass er in eine Welt getreten war (oder war er in sie gestiegen, über den Edelstahl-Türschweller eines Lamborghini hinweg?), die all das mitleidlos zerschlugen, das er für sich etabliert hatte.

Und der Hass für den Clanführer stieg jäh in ihm auf, vergiftete sein Blut, das in raschen, impulsiven Bewegungen bis ins letzte Ende seines Körpers gepumpt wurde—bis er nichts mehr spürte, als eiskalte Lähmung. So war es Jeongguk ein Leichtes, ihn aus dem Raum zu bugsieren, um einiges härter und unnachgiebiger als es für seinen fehlenden Widerstand eigentlich von Nöten gewesen war.

Jimin hätte nicht sagen können, ob Yoongi ihm um eine Antwort verlegen blieb, weil er ihn überrumpelt hatte oder weil es ihn schlichtweg nicht genug kümmerte, was für leere Drohungen er ihm gegenüber ausstieß. Auf er sich auf der Schwelle noch einmal umwandte, bemerkte er, dass Taehyung und Hoseok ihm geradezu untröstlich hinterher blickten (vor allem Ersterer, Hoseok wirkte mehr resigniert), während Namjoon die Lippen zu einem unnachgiebigen Strich zusammengepresst hatte, aber in sich zufrieden, als sähe er keinen Fehler in der Logik seines Clanführers, und so, als würde er es auf genau dieselbe Art und Weise tun, wenn die Entscheidung bei ihm läge. Besagter Clanführer hingegen weilte schon längst nicht mehr unter seinem innersten Zirkel; er hatte sich ganz offensichtlich umgedreht und den Raum verlassen, ohne sicherzugehen, dass Jeongguk seinem Befehl nachkommen würde.

Dieser schien im Augenblick zumindest hinsichtlich Schadenfreude seinen Lebenszweck zu erfüllen. Jeongguk gab Acht, Jimin seine Fingerspitzen auf geradezu schon harpunenartige Weise in die Oberarme zu treiben und ihn in jeder Hinsicht vor sich herzutreiben wie ein Schaf auf dem Weg zur Schlachtbank.

Und dann tat Jimin etwas sehr Dummes, das wohl ausnahmslos durch den Stellvertreterzorn auf Purple Rain gespeist war und er wohl unter gewöhnlichen Umständen nach nur einer Sekunde der rationalen Überlegung verworfen hätte. Er begann, das zu tun, das er offensichtlich am besten konnte: er provozierte Jeongguk.

„Na, Labradoodle", zirpte er, als der Jüngere ihn gerade um die Ecke getrieben hatte, indem er ihm mitleidlos in die Hacken getreten war. Sie hatten das Loft hinter sich gelassen und waren der allgemeinen Logik folgend eine halbe Treppe hinab geschritten, um sich nun wahrscheinlich auf der Höhe der Garage zu befinden. „Und? Wie ist blinder, rückgratloser Gehorsam so?"

„Ich nenne es Loyalität", gab Jeongguk unbeirrt zurück.

„Wie eigenartig", fuhr Jimin fort, während eine unglücklicherweise viel zu schwache Stimme in seinem Hinterkopf flehte, dass er doch tunlichst schweigen sollte. „Ich sehe nur ein kleines Hündchen, das nach der Pfeife seines Herrchens springt, wann immer er ruft."

Der gezwungene, abgehackte Atem in Jimins Nacken war Anzeichen genug, dass er auf dem richtigen Pfad war. „Ich hätte dich nicht retten sollen", schnaubte Jeongguk, genau, wie Jimin erwartet hatte. „Ich hätte einfach seelenruhig zusehen sollen, wie die dir die beiden Idioten deine wunderhübsche Fresse einschlagen. Dann würden Inneres und Äußeres sich endlich angleichen."

„Das hättest du wirklich tun sollen, Pudel. Dann hättest du mir die Schmach erspart, dir etwas schuldig zu sein."

Jeongguk stieß den Atem aus, während er Jimin einen so unsanften Schubs in den Rücken versetzte, dass dieser zwei Stufen hinunterfiel und sich erst am Treppenabsatz wieder fing.

„Was sollen diese Hundenamen?", fragte er schließlich, offensichtlich bemüht, sich von ihm nicht weiter ins Bockshorn jagen zu lassen.

„Hast du dich mal im Spiegel gesehen?", spöttelte Jimin erstaunlich guter Dinge und wandte sich zu Jeongguk um, der sich sofort Mühe gab, einen herablassenden Blick auf ihn abzuschießen.

„Du bist tatsächlich ein noch größeres Arschloch, als die Öffentlichkeit es bereits von dir annimmt." Jeongguk spendete ihm höhnischen Applaus, der von den Wänden des Treppenhauses widerhallte und eine unheimliche Resonanz in der anderweitigen Isolation bot. Erst jetzt wurde Jimin bewusst, wie nackt und unverputzt sich die Wände in der Differenz von einzig zwei Stockwerken gewandelt hatten—von der behaglichen Ästhetik des Lofts war hier unten kaum mehr etwas zu erkennen und er meinte einen leichten, modrigen Geruch zu vernehmen, der sich wie ein Schwamm über seine Atemwege legte und seine Lunge rebellieren ließ. Als er den Kopf zur Seite wandte, kaum, dass Jeongguk ihn den letzten Treppenabsatz hinab geschubst hatte, erkannte er tatsächlich ein schmales Rinnsal an Wasser, dass die Steine hinabfloss und sich entlang der Fugen im verschmutzten Boden verlor. Genauso hatte er sich das Versteck eines Verbrecherzusammenschlusses vorgestellt; Moder, Schmutz und Lichtlosigkeit.

Es war äußerst düster im Keller und als Jeongguk in die Dunkelheit hinter ihm schlug und sich ein schwaches, trauriges Licht an der Decke aktivierte, fiel gerade so viel Schein auf ein schmales, schmutziges Kellerloch, an dessen Längsseite sich Metallstäbe entlangzogen, dass Jimin ihre Funktion zweifelsfrei erkennen konnte.

„Ich schätze du willst, dass ich mich hinter eines dieser Gitter bewege", seufzte er mit einem Blick auf die Metallstäbe, die sich offensichtlich durch einen Schnappmechanismus bedienen ließ. Wenn er richtig zählte, dann waren es mindestens fünf abgetrennter Kompartimente, die von nichts als soliden Gitterstäben und abgestandener Luft voneinander abgeschieden wurden. Der Boden war eindeutig feucht und Jimin fragte sich, ob er zuerst Opfer eines Pilzbefalls oder einer Lungenentzündung dritten Grades werden würde; die Möglichkeiten erschienen ihm divers und weitgefächert.

„Ich habe auch kein wirkliches Problem damit, wenn du dich weigerst und ich deshalb deine Arme hinter deinem Rücken verdrehen muss, bevor ich dich Kopf zuerst in eine der Zellen stoße", erklärte Jeongguk lebhaft und ein vergnügtes Summen löste sich in seiner Kehle. Jimin warf einen kurzen Blick auf die rauen Unebenheiten in der hinteren Mauer, bevor er widerstandslos einen Schritt nach vorne machte und sich kurz vor dem Eingang der Zelle noch einmal zu seinem Wächter umdrehte.

„Wie lange braucht Purple Rain üblicherweise, bis er aufhört zu schmollen?"

Jeongguk schnaubte lachend. „Das hier ist keine persönlich Vendetta, Jiminie. Er wird dich so lange hier behalten, bis du anfängst, ganz von selbst all das auszuspucken, das er hören will. Glaub mir, Yoongi ist geduldig." Er gab Jimin einen Schubs vor die Brust, sodass dieser zwei Schritte zurück in den abgetrennten Bereich stolperte und sich an den diagonalen Querstäben festhielt, ehe er auf den feuchten, schmutzigen Boden fallen konnte. Jeongguk knallte die Tür hinter ihm zu und das Geräusch hallte verzerrt von den Mauern wieder, deren dünner Feuchtigkeitsfilm in ihm die Notion auslöste, dass er unter Wasser befand. Die schwache Beleuchtung erlaubte ihm gerade, Jeongguks Gesicht hinter den Gitterstäben zu erkennen, durch den Lichtkegel hinter ihnen beiden kaum ersichtlich—aber sein breites Grinsen war dennoch unverkennbar.

„Schlaf gut, Jiminie", gab er zuckersüß zurück und rüttelte scherzhaft an den Stäben, die gegen ihre Fassungen schlugen und das Geräusch wurde beinahe unerträglich laut durch unterirdischen getragen. „Ich hoffe, du denkst an mich, wenn du vor Kälte das Gefühl in deinen Gliedmaßen verlierst."

„Ich hoffe, du denkst an mich, wenn du bei Call of Duty wieder einmal abkratzt."

Jeongguk zeigte ihm den Mittelfinger, das blasierte Lächeln immer noch nicht von seinen Lippen verschwunden. „Ich habe das ganz, ganz herzerwärmende Gefühl, dass du hier noch ein Weilchen unten sitzen wirst." Dann drehte er sich auf der Stelle um und wandte sich zum Gehen, seine Schritte laut auf dem durchnässten Boden und Jimin war sich beinahe vollkommen sicher, dass er ausgelassen über den Beton hopste, ehe er den Treppenabsatz erreichte und mit einer beiläufigen Handbewegung die einzige Lichtquelle in der Schwärze erstickte, die in diesem Verlies vorherrschte. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel und das Tröpfeln des unaufhörlichen Wasserfalls zu einem allumfassenden Rauschen anschwoll, ließ Jimin davon ab, seine Hände um die klammen Gitterstäbe zu schlingen, und versuchte mit seinem Fuß eine Stelle auf dem Boden aufzuspüren, an der das Wasser nicht mindestens knöcheltief stand: Jeongguk war offensichtlich so freundlich gewesen, ihm die Zelle zuzuteilen, die zu Fuße einer ziemlichen Schräge lag—das bedeutete, dass das Wasser sich aus allen verschiedenen Punkten dieses Kellerraums in den vier Quadratmetern sammelte, in denen er nun die nächsten paar Tage verbringen würde—bis er dem Clanführer der Bang Tan Pa dasjenige anvertrauen würde, das dieser aus einem Grund, der Jimin sich nicht ganz erschloss, mehr als alles andere auf der Welt in Erfahrung bringen wollte. Das Idiotischste an dieser gesamten Situation war jedoch, dass Jimin sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wieso sein Vater gegenüber dem Präsidenten behauptet hatte, dass er, Jimin, der Bewahrer all ihrer Geheimnisse sein sollte.

Es ergab schlichtweg keinen Sinn für ihn, dass er nach all den Jahren, die er Jimin mit aller Macht von seiner Politik ferngehalten hatte, plötzlich eine hundertachtzig-Grad-Wendung hinlegte und ihm das Wichtigste seiner gesamten politischen Laufbahn aufbürdete.

Das letzte Geschenk seines Vaters—unbefristete Gefangenschaft in einer feuchten Zelle mitten im stockdunklen Keller eines Kkangpae-Clans. Jimin hätte beinahe gelacht; es war so ironisch, dass er nun, nach dem Ableben seines Vaters, auf die rohste aller Weisen erfahren musste, wie viel Glück er während seiner gesamten Kindheit erfahren hatte.

Was für ein böses Erwachen.

Jimins Kleidung, die aufgrund seiner Wanderung durch den Regen in Gangnam-Gu, wie auch des plötzlichen Kollapses des Glashauses vollkommen durchgeweicht war, fand nun in den Feuchtigkeit der Zelle einen Weg, sich unangenehm an seine Haut zu kleben und durch die Verdunstungskälte zeitgleich als gewaltiges Kühlelement zu fungieren, dass seine Temperatur nur Minuten nach Jeongguks Verschwinden um gut drei Grad heruntergekühlt hatte.

Zudem war er so müde, dass er nicht länger zu stehen vermochte und so machte er die seichteste Stelle auf dem Boden ausfindig, ehe er sich erschöpft auf die leichte Erhöhung sinken ließ und darauf wartete, dass die Kälte aus dem Boden seine Beine emporkroch. Er lehnte den Kopf gegen die Gitterstäbe und zog die feuchte Jacke enger um sich, sodass er zumindest die Restwärme bei sich behalten konnte, die sein Körper noch produzierte.

Er erlaubte es sich keine Sekunde, seine Gedanken auf Jisoo oder Jihyun zurückkommen zu lassen, die vermutlich vor Sorge gerade ihren Verstand verloren. Möglicherweise glaubte Jisoo—und er hoffte mit jeder Faser seines Herzens darauf—dass er aufgrund ihrer letzten Auseinandersetzung bei einem Freund untergekommen war und erst am nächsten Tag nach Sillim-Dong zurückkehren würde. Die glückliche Unwissenheit würde nicht lange anhalten—aber zumindest würde sie Jisoo diese Nacht gut schlafen lassen.

Er musste noch erschöpfter gewesen sein, als er angenommen hatte, denn keine Sekunde später donnerte sein Kopf gegen die Gitterstäbe und er schreckte erschrocken auf. „Verdammte Scheiße", fluchte er höchst unflätig und hoffte, dass seine Halswirbel keine Langzeitschäden davon tragen würden. Inzwischen war ihm so kalt, dass er aufhörte, irgendetwas in seinen Fingern zu spüren, die sich taub und gefühllos in den Stoff seiner Jeans gruben, als könnte er dadurch irgendeine Art der Wärme herstellen, die verhinderte, dass er seine Neuronen bereits im Alter von zwanzig auf ewig verlieren würde.

Ein verdächtiges Kratzen machte sich in einer Kehle breit und hinter seinen Wangenknochen auf Höhe der Bindehäute tat sich langsam ein unangenehmer Druck hervor, der ihm die aufziehende schwere Erkältung bereits verkündete. Üblicherweise würde seine Mutter oder eine der Hausangestellten mehrere riesige Kannen Tee und Seegras-Suppe aufkochen und sie ihm die Lippen hinabzwingen, solange, bis auch das letzte Kratzen aus seinen Bronchien gebannt war; aber Jimin bezweifelte sehr stark, dass ihm hier eine ähnliche Behandlung zuteil werden würde.

Er würde eine Lungenentzündung bekommen—und ohne Antibiotika sowie einem vernünftigen Arzt könnte ihn das genauso gut den endgültigen Garaus machen. Vielleicht war das gar nicht so eine üble Alternative zu dem, was Purple Rain mit ihm vorhatte.

Jimin wusste nicht, wie lange er in völliger Dunkelheit ausharrte, aber mit jeder Sekunde, die er schlaflos dem Plätschern des Wassers von den Wänden lauschte, bis es zu einem allumfassenden Rauschen angeschwollen war, stieg seine unbändige Wut auf alles und jedes, auf das seine Gedanken eingehen konnten. Seine Situation, ihn selbst, seine Idiotie, die ihn in diese Zwickmühle gebracht hatte, die Kälte des Boden und der Wände; aber am allermeisten begann er Yoongi zu verabscheuen, der so einfach die Macht besaß, ihn hier unten, fernab von Tageslicht, einzusperren, nur, weil ihm danach beliebte. Diese Willkür machte ihn wütend. Er war den Launen eines Psychopathen ausgeliefert, der vermutlich bald seinen Tod verantworten würde, ohne, dass es ihn wirklich interessieren würde.

Vermutlich waren Stunden vergangen, als er nur knapp über sich Schritte vernahm; und die Tür zum Verlies sich jäh öffnete, ehe jemand den Lichtschalter betätigte. Obwohl die Funzel an der Decke kaum heller war als ein Fernsehbildschirm, kniff er erschrocken die Augen zusammen und hielt sich die tauben Finger vor die Lider.

Die Schritte klangen laut und plätschernd über den Boden und verharrten unmittelbar vor seiner Zelle.

„Hey, Jimin", sagte eine Stimme. „Bist du wach?"

Er zwang sich, seine Augen zu öffnen und sein Augenmerk auf den Ursprung der Stimme zu richten. So blickte er unmittelbar in Taehyungs Gesicht, das ihn durch die Gitterstäbe mitleidig anblickte. Der Assassine trug nun einen grauen Pullover und Jogginghosen, die seinem beeindruckenden Anblick jedoch keinen Dämpfer versetzten; vielmehr wirkte er durch die Schlichtheit und Konventionalität umso einnehmender; sein Haar schien frisch gewaschen zu sein, denn es kringelte sich feucht über seiner Stirn, während seine Wangen eine hübsche Färbung bekommen hatten. Er sah aus, als habe er noch Gefühl in seinen Extremitäten und dafür beneidete Jimin ihn mehr als alles andere in der Welt.

G-t s-ss", brachte er hervor, bis ihm bewusst wurde, das der andere wohl kein Wort verstehen würde, dass von seinen eingefrorenen Lippen fiel und so zog er die Hand von seinem Bein ab und versuchte, damit ein wenig Wärme für seinen Mund zu spenden—vergebens.

„Warte, bleib ruhig", beeilte Taehyung sich zu sagen und zog aus den Untiefen einer Tasche über seinem Arm, die Jimin zuerst gar nicht bemerkt hatte, eine silberne Thermoskanne hervor, die wohl den schönsten Anblick darstellte, den er in seinem Zustand der vollkommenen erfrorenen Gefühllosigkeit erblicken hätte können. Mit fahrigen Händen füllte der andere eine Tasse mit einer absolut durchsichtigen Flüssigkeit in den Behälter, den er Jimin durch die Gitterstäbe reichte. „Das ist nur heißes Wasser. Hobie und ich haben keine Ahnung, wo Seokjin den Tee aufbewahrt, aber ich dachte, es ist besser als gar nichts."

Tatsächlich war das heiße Wasser köstlicher als der Himmelsnektar der griechischen Götter, und Jimin hatte den gesamten Becher in weniger als dreißig Sekunden seine Kehle hinabgestürzt. Auch, wenn er sich wohl jeden Nervenstrang an seiner Zunge verbrühte, den er besaß, war die Hitze in seinem Magen das angenehmste Gefühl seit langem. Er reichte Taehyung den Becher durch die Gitterstäbe zurück, der ihn erneut befüllte.

„Vorsichtig, ja, Jimin? Ich glaube, du solltest kleinere Schlucke nehmen." Ihre Finger berührten sich kurz, als Jimin den Becher ein zweites Mal entgegennahm und er spürte, wie warm Taehyungs Haut auf seiner war. Der andere zuckte zusammen, als er im Gegenzug dazu seine eiskalten Finger zu spüren bekam. „Oh, mein Gott, Jimin, du bist ja beim absoluten Nullpunkt!"

Jimin erwiderte darauf gar nichts, sondern beeilte sich, die nächste Ladung des heißen Wassers hinabzustürzen, bis seine Finger und Zehen langsam zu prickeln begannen, als versuchte das aufgewärmte Blut, dorthin zurückzukehren.

„Außerdem musste ich warten, bis alle im Bett waren, weil ich den allgemeinen Argwohn immens anregen würde, wenn ich plötzlich begänne, Interesse daran zu zeigen, Wasser zu kochen." Er schüttelte irritiert den Kopf, als wäre ihm nicht ganz bewusst, was er in den letzten Minuten getan hatte. „Ich hab mich vier Mal verbrüht, weil der Kessel, den Seokjin angeschleppt hat, offensichtlich überschüssige Wärme über den Bottich verliert und—" Er unterbrach sich. „Entschuldige, ich fasle herum. Tatsache ist, dass der... ähm... Tee nicht das einzige ist, das ich mitgebracht habe."

„Also solange es kein verdammter Heizstrahler ist, bringt es mir nicht wirklich viel", versuchte Jimin zu scherzen und war froh, dass seine Lippen offensichtlich zu so viel Feinmotorik fähig waren, dass sie die Worte, die er intendiert hatte, mühelos übersetzten.

Taehyung lachte auf und sein tiefes Lachen füllte den gesamten Raum aus. „Nicht ganz, mein Freund. Aber ich hab Jeongguks Wärmepads mitgehen lassen—aus seiner Schublade sogar. Nicht, dass er sie großartig benutzen würde, aber Seokjin verschenkt zum Chuseok immer diese pseudo-nützlichen Haushaltsgegenstände; und ich habe mindestens vier Garnituren von kratzigen Wollschals in Farben, die mir gar nicht stehen—" Wieder unterbrach er sich, ein verlegener Ausdruck auf seinem Gesicht. „Entschuldige, Jimin. Ich red' zu viel, das weiß ich selbst."

„N-nein, Taehyung", gab er trocken zurück und war erleichtert zu bemerken, dass durch die anhaltende Konversation mit dem Assassinen das Gefühl langsam in seine Finger und Zehen zurückkehrte. „Entschuldige dich nicht. Du hast ohnehin schon zu viel für mich getan."

„Ich würd' dich ja wirklich in meinem Zimmer schlafen lassen; wirklich, mein Bett ist groß genug für uns beide—aber Yoongi reagiert sehr, sehr... allergisch, wenn man sich seinem unmittelbaren Befehl widersetzt." Taehyungs Augen erschienen im dimmen Licht riesig und Jimin war überrascht davon, dass er es tatsächlich ehrlich untröstlich über den Umstand war, dass Jimin sich hier unten erstklassigen Arrest eingehandelt hatte.

„Ich verstehe vollkommen, Taehyung. Kein Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben."

Ein warmes Lächeln erschien auf den Lippen des anderen und Jimin stellte mit milder Interesse fest, dass es eines der Ehrlichsten war, das er je gesehen hatte. Wer hätte gedacht, dass er zu seinem endgültigen, wahren Fund in das Gesicht eines vielfachen Mörders sehen musste?

Allgemein hatte Taehyung alle Attribute abgelegt, die ihn entfernt zu Victory machten; noch immer war er beeindruckend in Statur und Antlitz, die wohl schmerzlichst schönsten Züge, die Jimin fernab einer idealisierten Statue jemals gesehen hatte—Verwegenheit in jeder Kurve seines Gesichts, Selbstlosigkeit in den Augen und so viel weiches, großherziges Potential auf den halb geöffneten Lippen, die für ihn nie etwas anderes verlautet hatten, als ungefilterten Edelmut. Es war wohl in diesem Augenblick, in dem Jimin entschied, Kim Taehyung vorbehaltlos zu vertrauen. (Und was für eine gute Wahl er damit getroffen hatte.)

„Es tut mir so Leid, dass du hier unten sein musst, Jimin." Taehyung bekam seine Hand zu fassen, die tatenlos um die Gitterstäbe geschlungen war, und zu seinem vollkommenen Erstaunen drückte er seine Finger so vorsichtig wie er konnte. „Ich... ich habe wirklich das Gefühl, dass wir so gute Freunde sein könnten."

Jimin lachte rau. „Hey, wenn ich jemals hier raus komme, ohne zuvor an einer Lungenentzündung verreckt zu sein; du weißt ja, wo ich wohne. Komm vorbei. Meine kleine Schwester wäre begeistert von dir."

Zu seiner Überraschung ließ Taehyung seine Hand los und wandte sein Gesicht rasch ab, seine gesamte Statur aufgrund der unmittelbar in sich zusammengefallenen, breiten Schultern plötzlich viel schmaler.

„Entschuldige, Taehyung. Ich wollte nicht—"

„Du weißt, was ich getan habe, oder, Jimin?" Taehyung wandte sich ihm wieder zu, jegliche Sorglosigkeit aus seinen Augen verschwunden—vielmehr war ein schwermütiger, bitterer Zug um seinen Mund zutage getreten, der ihn sowohl älter, wie auch ernster wirken ließ.

„Ja", sagte Jimin und Taehyung zuckte eine Winzigkeit zusammen. „Du hast mir heißes Wasser gebracht und dir dabei die Finger verbrüht. Du hast mich davor bewahrt, ausgeweidet zu werden. Du hast dich für mich eingesetzt, obwohl du wusstest, dass es aussichtslos ist."

„Ich—"

„Taehyung, ich habe heute meinen besten Freund verloren. Zu sagen, dass ich argwöhnisch geworden bin, was Vertrauen angeht, wäre eine immense Untertreibung." Der Gedanke an Seojoon versetzte ihm jedoch kaum mehr einen schwachen Stich; zu weltbewegend waren die Ereignisse gewesen, die seit diesem Nachmittag im Café zugetragen hatte. „Aber ich vertraue dir. Ich sehe so viel Güte in dir; so viel mehr, als ich sie besitze, der ich in meinem Leben niemanden getötet habe. Es geht doch nicht darum, was du bösen Menschen antust, Taehyung. Es geht darum, was du den Rest der Zeit mit uns anderen machst."

Jimin sah, wie der andere den Mund öffnete und ihn wieder schloss; offensichtlich tatsächlich um eine Antwort verlegen. Mit fahrigen Händen zog er aus der Tasche mehrere, mit Flüssigkeit gefüllte Plastikkissen, die er ihm durch das Gitter überreichte.

„Ich... werde versuchen, dich hier rauszuholen", murmelte er undeutlich und ohne ihn anzusehen. „Schlaf nicht ein, ja? Und benutz' solang die Kissen an den Händen und überall dort, wo lebenswichtige Organe sind."

Er wandte sich auf der Stelle um, ehe er über den nassen Boden ein paar Schritte davon eilte, fast so, als sei er vor ihm auf der Flucht. An der Tür wandte er sich noch einmal zu Jimin um, der noch immer an den Gitterstäben stand und die Wärmekissen mit seinen Fingern umklammerte, als seien sie das einzige, das ihn noch erhalten konnte.

„Taehyung?", sagte Jimin sanft. „Ich fände es ziemlich großartig, wenn wir Freunde wären."

„Darf ich dich Chim nennen?", platzte der andere prompt heraus und diese eigenartige Bitte überraschte Jimin so sehr, dass er sich ein leises Lachen nicht verkneifen konnte.

„Wieso denn Chim?"

„Es passt zu dir."

Er blickte den anderen lange an, ehe sich ein schmales Grinsen auf seinen Lippen breit machte. „Es liegt wohl kaum an mir zu entscheiden, wie du mich nennen willst."

„Da ist was dran." Taehyung machte einen Schritt nach vorne, sodass sein linker Fuß über der untersten Treppenstufe schwebte. „Bis gleich, Chim. Bleib warm."

Jimin spürte eine eigenartige Düsterheit in sich aufsteigen, kaum, dass der andere in der Schwärze des Treppenhauses verschwunden war. Es war, als hätte Taehyung mehr an Wärme und Licht mitgenommen, als ihm Tee und Wärmepacks spenden konnten.

Da der Assassine das Licht beim Verlassen des Kellers nicht ausgeschaltet hatte, konnte Jimin sich nun auch empirisch zur trockensten Stelle in der Zelle navigieren—die übrigens weitaus weniger durchnässt war, als diejenige, auf der er die letzten Stunden verbracht hatte. Er ließ sich an der Mauer hinabgleiten, bis seine Beine den Boden berührten und brach den Aktivator des ersten Wärmepacks. Dann schloss er die Augen und lehnte den Kopf gegen die Wand, während er sich gedanklich dazu zwang, auf keinen Fall die Kontrolle über seine Wachheit zu verlieren.

Er durfte nicht schlafen. Wer konnte schon sagen, wann Taehyung zurückkommen würde? Vermutlich würde es ihn Stunden der Überzeugungsarbeit kosten; falls er überhaupt erfolgreich wäre. Er vertraute der Überzeugungskraft des vor Charisma und Eloquenz nur so strotzenden Assassinen zwar vorbehaltlos; aber vermutlich hatte auch dieser Grenzen; vor allem, wenn sie durch Purple Rain gesetzt wurden.

Tatsächlich kam Taehyung nicht zurück und Jimins Verschleiß von Wärmepacks war so hoch, dass nach nur einer Stunde alle acht Kissen kalt und fest vor ihm lagen. Sein Kopf fiel immer wieder zur Seite, ganz gleich, wie sehr er sich anstrengte, wach zu bleiben und nach dem zehnten verzweifelten Versuch sich wieder in eine senkrechte Position zu bringen, beließ er es dabei. Er rollte sich zu einer winzigen Kugel zusammen und möglichst wenig Angriffsfläche für die Kälte zu bilden, sein Kopf auf seinen rechten Arm gestützt.

Die Schwärze übermannte ihn beinahe sofort.

Er wachte erst auf, als laute Schritte unmittelbar vor ihm erklangen, dem akustischen Signal nach direkt in der Zelle. Seine Augen wollten ihm nicht so recht gehorchen und als er sie einen winzigen Spalt öffnete, erkannte er ein Paar schwarzer Sneakers auf seiner Augenhöhe, deren Fersen den Boden nicht berührten, als kniete sein Besitzer unmittelbar vor ihm. Erst jetzt registrierte er den Druck einer Hand um seine Schulter, die ihn kräftig rüttelte.

„...vollkommen fahrlässig, jemanden in dieser Eiseskälte einzusperren", schimpfte eine leichte, warme Stimme neben seinem Ohr. „Verdammt noch mal, man kann euch aber wirklich keinen halben Tag alleine lassen, ohne, dass ihr euch mit einer destruktiven Begeisterung gegen euren gesunden Menschenverstand wendet."

„Yoongi..."

„Yoongi ist ein Idiot. Ehrlich jetzt." Die Stimme klang gänzlich entrüstet, sodass Jimin beinahe gelächelt hätte. Wenn er noch dazu fähig gewesen wäre. „Kannst du mich hören?"

Die letzten Worte waren wohl an Jimin gerichtet gewesen, aber er fand schlichtweg nicht die Kraft, ein Zeichen der Wiedererkennung von sich zu geben. Jemand zog ihm gewaltsam die Augenlider auf, und er erkannte ein unbekanntes, ebenmäßiges Gesicht, das ihn besorgt musterte.

„Okay, er muss sofort hier raus. Hilf mir, Tae."

Offensichtlich wurden Anstrengungen unternommen, ihn aus seiner Ecke anzuheben, oder vielmehr die eng verkrampften Gliedmaßen von seinem Körper zu lösen, die er während seines letzten Energieschubs dort angebracht hatte.

„Er war schlau, die Körperwärme bei sich behalten zu wollen. Oh, mein Gott, Taehyung. Der Junge könnte tot sein."

Jimin gab ein schwaches Stöhnen von sich, und der Kopf des Fremden wirbelte sofort zu ihm herum. „S-so kalt", brachte er mit letzter Kraft hervor.

„Ja, fürwahr", gab der andere ironisch zurück und lockerte den Griff seiner Finger um seine Arme. „Tut mir wirklich Leid, dass du an diesen unzivilisierten Haufen geraten musstest. Ernsthaft."

Wie aus einem Instinkt heraus, warf Jimin einen raschen, vor Müdigkeit und Erschöpfung trüben Blick auf die Handgelenke des Fremden, die unmittelbar vor seinem Blickfeld aufragten. Sie waren vollkommen frei von jeglicher Schwärze und Jimin spürte, wie seine Muskeln sich lockerten. Er hätte es nicht ertragen, noch einem weiteren Kkangpae begegnen zu müssen. Der andere schien seinen Blick zu bemerken und strich die Ärmel seines Pullovers zurück, um ihm Sicherheit zu gewähren.

„Ich bin wie du, Jimin. Ich bin kein Kkangpae. Kein Teil von Bang Tan Pa."

Noch bevor der andere sich mit seinem Namen vorstellen konnte, wusste Jimin, wer er war.

„Ich bin Seokjin."

- — -

( author's note )

und wir haben 7/7! (im siebten Kapitel, YAS!)
i just love Seokjin with all my heart. er ist so ein Sunshine, der einfach alles verdient. deswegen bekommt er hier eine wunderbare Schlüsselrolle zwischen zwei Welten, die sich eigentlich schwer vereinigen lassen. Aber wie wichtig es doch ist, dass jiminie jemanden wie ihn trifft!

und endlich Wochenende! Ugh, ich glaube ich war noch nie so froh über diese zwei Tage wie diese Woche. Labor ist wirklich... auszehrend.

an alle herzigen Persönchen, die am Ende des letzten Kapitels geschrieben, dass ich mich nicht stressen soll. y'all cute and adorable aber ich wollte nur noch mal sagen, wie gerne ich das tue. Nichts mit purple rain ist im Ansatz unfreiwillig und ich opfere alle Stunden mit allergrößter Bereitschaft.

RANDOM QUESTION OF THE DAY:
welcher bts member wärt ihr am liebsten? also jetzt real life? mit wem würdet ihr am liebsten Körper tauschen? Ich bin neugierig auf eure antworten, weil ich denk darüber zu oft nach.

love y'all. <3

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