Plötzlich Indianer - Eine Zei...

Por Booky_2017

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Die siebzehnjährige Marie hatte sich so sehr auf die Kursfahrt mit ihrem Englisch-Leistungskurs gefreut, der... Más

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kaptel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 30
Epilog
Zugabe

Kapitel 29

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Por Booky_2017

Der Abwasch am nächsten Morgen dauerte einige Zeit, da all die Teller, Schüsseln und Becher von der gestrigen Feier wieder sauber gemacht werden mussten. Während ich das Geschirr abtrocknete und zurück in den Schrank stellte, summte ich fröhlich vor mich hin. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich mich das letzte Mal so frei und unbeschwert gefühlt hatte. Mrs. Lewis schaute mich fragend an, doch ich hob nur die Schultern und lächelte sie an.

Als ich auf den Hof trat, um das Waschwasser auszuschütten, hörte ich, wie Major Lewis einer Gruppe von sechs Leuten den Befehl erteilte, zum Holzhacken in den Wald zu fahren. Es war noch früh am Morgen und die meisten Soldaten kamen gerade aus den Baracken, nachdem sie ihren Rausch ausgeschlafen hatten — das hatte der Major ihnen anscheinend gegönnt.

Die auserkorenen Männer grummelten vor sich hin, sobald Major Lewis außer Hörweite war, aber ihnen blieb nichts weiter übrig, als zu gehorchen. Sie knöpften ihre Uniformröcke zu, setzten ihre Mützen auf und hängten sich ihre Musketen über die Schulter. Dann sprangen sie auf die offene Fläche eines Fuhrwagens, vor dem zwei Pferde angespannt waren. Einer der Soldaten saß auf dem Kutschbock und lenkte das Gefährt aus dem Tor, das die Wachmänner für sie offen hielten. Ich wünschte, ich könnte mit ihnen gehen, doch die schwere Holztür schloss sich sofort wieder hinter ihnen.

Ich seufzte. Den restlichen Tag saß ich wie auf glühenden Kohlen. Die ganze Zeit wartete ich auf etwas, ohne zu wissen, was genau das war. Erwartete ich, dass Ohitika das Fort stürmen würde? Wohl kaum. Sie waren nur zu dritt hier und die Anlage gut befestigt. Außerdem wollte ich nicht, dass er schon wieder sein Leben für mich riskierte.

Ich spazierte rastlos über den Hof, umrundete ihn immer wieder, bis mir der Soldat, der Wache schob, irritierte Blicke zuwarf. Als mir kalt wurde, machte ich mich schließlich wieder zurück zum Haus auf. Einer plötzlichen Eingebung folgend lief ich zur Offiziersstube und klopfte an die Tür des Majors.

Auf sein „Herein" öffnete ich und betrat den kleinen Raum, der eher einer Kammer ähnelte und kaum mehr als einen Schreibtisch, zwei Stühle und eine Truhe zur Aufbewahrung verschiedenster Dinge enthielt. In einer Ecke stand ein schmaler Eisenofen und darauf eine Kanne mit Kaffee.

„Mary, was kann ich für Sie tun?", fragte Major Lewis und erhob sich leicht von seinem Platz hinter dem Schreibtisch, als ich eintrat. Er war immer sehr höflich zu mir, als wäre ich eine vornehme Dame und nicht nur irgendein Mädchen, das eine Gruppe von Goldsuchern aufgesammelt hatten.

„Ich habe mich gefragt, was mit mir geschehen soll ... auf lange Sicht. Steht es mir frei, zu gehen, wenn ich das möchte?", fragte ich.

„Ja, darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Ich denke, meine Frau würde sich sehr freuen, wenn Sie hierblieben. Sie hat sonst keine weibliche Gesellschaft, wissen Sie."

Ich nickte. „Mrs. Lewis ist so gut zu mir gewesen und ich mag sie wirklich gern."

„Aber?", fragte Major Lewis.

„Bei allem Respekt, Sir, ich möchte nicht für immer in einem Fort leben." So lange ich geglaubt hatte, Ohitika wäre tot, hatte ich mich nicht dazu aufraffen können, über mein weiteres Schicksal nachzudenken. Jetzt aber war das ganz anders. Ich hatte wieder ein Ziel vor Augen.

„Nun, das kann ich verstehen. Es ist im Allgemeinen kein Platz für junge Damen, aber mit der Zeit könnten Sie unter den Männern durchaus rechtschaffene Heiratskandidaten finden —"

„Nein", unterbrach ich ihn und schüttelte heftig den Kopf. Schon die Idee erschien mir vollkommen abwegig. Nicht, dass es keine netten jungen Männer hier gegeben hätte. Die gab es bestimmt, wenn ich sie näher kennenlernen würde. Aber das wollte ich nicht. „Ich habe nicht vor, zu heiraten", erklärte ich dem Major.

Major Lewis lehnte sich zurück und musterte mich, wobei er sich mit einer Hand nachdenklich über den Schnauzbart strich. „Was möchten Sie denn, Mary?"

Ich atmete tief ein. Konnte ich ehrlich sein? Vollkommen ehrlich? Würde er mich gehen lassen?

Ein Geräusch in der Ferne schreckte mich auf, bevor ich etwas sagen konnte. Es hatte geklungen wie das Echo eines Schusses. Und jetzt krachte es noch einmal. Waffenfeuer?

Major Lewis war aufgestanden, trat aus der Offiziersstube und blickte fragend zu dem Wachmann am Zaun, der jedoch die Schultern hob. Mein Herz klopfte heftig. Auf wen schossen die Soldaten da draußen? Die Schüsse mussten von der Gruppe stammen, die der Major ausgesandt hatte. Sonst gab es hier keinen Weißen weit und breit und die Indianer besaßen zumeist keine Feuerwaffen.

Noch immer erklangen vereinzelte Schüsse aus dem umgebenden Winterwald. Major Lewis versetzte den ganzen Stützpunkt in Alarmbereitschaft. Soldaten strömten auf den Hof und machten ihre Waffen bereit. Ich hielt mich im Hintergrund, wollte beobachten, was weiterhin geschah, ohne ins Haus geschickt zu werden. Doch der Major schien mich vollkommen vergessen zu haben.

„Unsere Männer scheinen in Schwierigkeiten zu stecken", rief der Major. „Corporal, nehmen Sie eine Gruppe von zehn Leuten mit und suchen Sie sie."

„Aye, Sir."

Nervös luden die entsprechenden Soldaten ihre Musketen und machten sich bereit, das Fort zu verlassen. Doch bevor sie fertig waren, schrie der Wachmann auf dem Gerüst, das den Palisadenzaun umgab: „Ich sehe was." Er spähte durch eine Schießscharte und wedelte mit dem Arm.

Der Major befahl den Soldaten, zu warten. „Was ist es, Harris?"

„Unser Wagen. Sie kommen wieder. Volle Geschwindigkeit."

„Öffnen Sie das Tor, sobald sie in der Nähe sind", befahl Lewis dem Wachmann am Eingang.

Der Wächter am Tor wartete auf Harris' Signal. Dann schob er rasch den schweren Riegel zur Seite und zog das Tor auf. Ich hielt die Luft an, als kurz darauf die Pferde bei vollem Galopp hereindonnerten; hinter ihnen holperte der Wagen, in dem die Soldaten auf einer Lage von Baumstämmen saßen, die Waffen noch gezückt. Unter den Rädern spritzte der Schnee auf Der Kutscher zügelte das Gespann, sobald sie im Hof angekommen waren und der Wächter beeilte sich, das Tor zu schließen. Alle versammelten sich um die Angekommenen.

„Was ist passiert?", verlangte Major Lewis zu wissen. „Wo ist der sechste Mann?" Er hatte mit einem Blick erfasst, dass nur fünf von ihnen zurückgekehrt waren.

Der Sergeant, der den Trupp angeführt hatte, sprang vom Wagen und stand vor dem Major stramm. Ich konnte selbst aus meiner Entfernung sehen, dass sein Gesicht aschfahl war. „Indianer, Sir", begann er mit rauer Stimme. „Haben uns aus dem Hinterhalt überfallen."

Major Lewis kehrte mir den Rücken zu, aber ich konnte mir vorstellen, wie sich seine Stirn in Falten legte. „Wie viele?"

„Wissen wir nicht genau, Sir. Müssen mehr als sechs gewesen sein. Die Pfeile schienen von allen Seiten zu kommen."

Pah! Ich hätte beinahe gelacht, wenn ich nicht so unglaublich angespannt gewesen wäre. Es waren nur drei Indianer, da war ich mir ganz sicher. Aber ich hatte trotzdem Angst. Was, wenn sie einen von ihnen verwundet hatten?

„Was ist mit ... Tucker?", fragte der Major weiter, nachdem er die Gesichter der Männer überflogen hatte, um festzustellen, wer fehlte.

Der Sergeant kratzte sich am Hinterkopf. „Nun, Sir ... sie haben ihn."

„Was soll das heißen?" Die Stimme des Majors wurde schärfer. Vermutlich hatte er genug davon, dem Sergeant jedes Wort aus der Nase zu ziehen.

„Sie ... das heißt, die Rothäute ... haben ihn erwischt. Er war nur kurz im Dickicht verschwunden, um ... na ja, sich zu erleichtern. Und dann hörten wir einen erstickten Schrei."

„Und Sie haben ihn einfach zurückgelassen?"

„Nein, Sir. Sehen Sie, es ist so ... er war nicht mehr da, als wir nach ihm suchten. Dann hörten wir von oben eine Stimme ... aus den Baumwipfeln. Wir haben aber niemanden gesehen. Es war einer der Indianer, Sir, und er hat Englisch gesprochen, wenn auch mit sehr starkem Akzent und schwer verständlich."

Ich riss die Augen auf. Das konnte nur Ohitika gewesen sein, dem ich ein paar Worte der Sprache beigebracht hatte.

„Und ... was wollte er?", raunzte Major Lewis.

„Er sagte was von ... der Blaurock gegen das weiße Mädchen." Der Sergeant räusperte sich.

„Das weiße Mädchen?" Der Major klang fassungslos. „Sind Sie sicher?"

„Ja, das sagte er doch, oder?" Er blickte zu seiner Truppe. Die nickten stumm.

Ich lehnte mich mit schwachen Knien gegen die Wand des Gebäudes, vor dem ich stand. Ohitika hatte den Soldaten nicht getötet — er wollte mich gegen ihn eintauschen!. Aber das war doch Irrsinn ... Der Major würde sich nie darauf einlassen.

„Ach du lieber Himmel", rief Mrs. Lewis jetzt. Sie hatte die ganze Zeit in der Tür ihres Hauses gestanden und mitgehört.

„Wo ist Mary?", fragte der Major und schaute sich um.

Ich holte tief Luft, zwang meine Füße, mich wieder zu tragen, und löste mich von der Hauswand. Langsam ging ich auf die Gruppe der Soldaten zu.

„Mary, da sind Sie ja", sagte der Major, als einer seiner Männer ihn auf mich aufmerksam machte. „Sie brauchen keine Angst zu haben. Wir liefern Sie nicht wieder an die Rothäute aus."

„Was ist mit Tucker, Sir?", wagte der Sergeant einzuwerfen.

Der Major brachte ihn mit einer Armbewegung zum Schweigen. „Wir werden ihn rausholen, aber nicht auf ihre Kosten."

„Nein, bitte", sagte ich mit zitternder Stimme. „Ich möchte da raus."

Mrs. Lewis eilte durch den Schnee auf mich zu, während mich alle anstarrten. „Aber Kind ... Sie weiß nicht, was sie sagt, Edward. Lass das nicht zu!" Sie fasste meine Hände, doch ich wich ihrem Blick aus.

„Natürlich nicht, Cecilia." Der Major runzelte die Stirn.

„Aber ich möchte es tun!", beharrte ich, jetzt mit festerer Stimme.

„Mary, das ehrt Sie, aber Sie müssen sich nicht opfern. Wir haben die Lage im Griff."

Tränen schossen mir in die Augen. Wie sollte ich ihnen begreiflich machen, dass ich das tatsächlich wollte? Dass es gar nicht erst zu dem Kampf hätte kommen müssen, wenn ich von Anfang an die Wahrheit gesagt hätte?

„Mrs. Lewis", ich wandte mich an die Frau, von der ich glaubte, dass sie mich am ehesten verstehen würde. „Ich kenne diesen Indianer."

„Er ist einer von denen, die Sie gefangen gehalten haben, nicht wahr?", sagte Mrs. Lewis mit erstickter Stimme.

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich war keine Gefangene. Ich habe freiwillig dort gelebt. Jedenfalls nach einiger Zeit." Es störte mich nicht mehr, dass mir alle zuhörten. „Sie haben mich gut behandelt. Und sie sind meine Freunde. Die Goldsucher haben mich ohne meinen Willen hierhergebracht und ich habe es zugelassen, weil ich glaubte ... ich habe geglaubt, er wäre tot."

Mrs. Lewis schüttelte den Kopf. „Wer?", flüsterte sie.

„Ohitika." Ich spürte, wie ich rot wurde.

„Wie dem auch sei", fuhr die harte Stimme des Majors dazwischen. „Jetzt sind Sie hier, wo Sie viel eher hingehören als zu diesen Heiden. Und Sie müssen nicht wieder zurück."

„Ich liebe ihn", stieß ich hervor.

Schockiertes Keuchen kam von den Zuhörern. Mein Herz galoppierte in meiner Brust. Ich hatte es noch nie zugegeben, nicht einmal vor mir selbst. Und jetzt, hier, vor all den Menschen ... Doch es stimmte. Ich fühlte die Wahrheit ganz tief im Kern meines Wesens. Ich hätte nie geglaubt, dass ich einmal so viel für jemanden empfinden würde wie für Ohitika.

„Sie lieben ihn? Diesen Wilden?", fragte Major Lewis, während seine Frau mich nur mit tränengefüllten Augen ansah. „Das kann ich nicht glauben. Sie sind verwirrt ..."

Ich schüttelte den Kopf und wollte schon zu einer Erwiderung ansetzen, doch diesmal kam mir Mrs. Lewis zuvor. „Nein, Edward, das glaube ich nicht."

Sie drückte meine Hände fester in ihren. „Ich glaube Ihnen", flüsterte sie mir zu.

Mein Hals schnürte sich zu. „Danke", hauchte ich.

„Nun ..." Der Major wirkte unschlüssig. Seine Männer standen um uns herum und auf einigen ihrer Gesichter las ich Unglauben und Abscheu, doch es störte mich nicht. „Sie wollen also wirklich ...?", fragte er, zu mir gewandt.

„Ja!" Ich nickte heftig. „Sie bekommen Tucker in einem Stück zurück. Dafür bürge ich." Ich glaubte fest daran, dass Ohitika ihn nicht ernsthaft verletzt haben würde.

„Wenn Sie mich nicht gehen lassen, kommen die Indianer wieder. Dann vielleicht mit Verstärkung", fügte ich an. „Sie werden mich hier herausholen, weil sie wissen, dass ich zu ihnen gehöre. Und ich möchte nicht, dass es meinetwegen Blutvergießen gibt. Ich bin achtzehn. Alt genug, um selbst zu entscheiden, was ich tun will."

Eine Weile herrschte angespannte Stille auf dem Hof. Ein paar Männer raschelten mit ihren Uniformen, als sie sich leicht bewegten. Ich spürte nichts von der Kälte, mein Blick hing an Major Lewis' Lippen, die unter dem Schnauzbart eine gerade, dünne Linie bildeten. Mrs. Lewis warf ihm einen bittenden Blick zu.

„Also gut ...", sagte er schließlich mit beherrschter Stimme. Ich konnte ihm ansehen, dass es ihm nicht gefiel. Seine Haltung war steif, die Schultern gestrafft. Trotzdem befahl er: „Sie gehen in Begleitung von mir und zwei anderen. Falls es ein Hinterhalt ist, können wir Sie dennoch beschützen."

„Es wird keinen Hinterhalt geben", sagte ich voller Überzeugung.

Der Major aber wandte sich von mir ab, als hätte ich ihn persönlich beleidigt. Er winkte zwei Soldaten und sagte schroff zu mir, ohne mich anzusehen: „Machen Sie sich fertig."

Mrs. Lewis zog mich mit in die Blockhütte, in der ich die letzten Wochen verbracht hatte. Ich würde den Komfort der vier stabilen Wände um mich herum nicht vermissen. Die Felllager im Tipi waren genauso gemütlich wie die Strohmatratze und das Feuer hielt das Innere schön warm. „Ach, Mary", seufzte Mrs. Lewis. Dann wuselte sie herum und wollte mir alle möglichen Vorräte einpacken, doch ich hielt sie auf, indem ich ihr meine Hand auf den Arm legte.

„Die Lakota werden für mich sorgen. Ohitika wird es. Haben Sie noch meine alte Kleidung?"

Sie sah mich mit glänzenden Augen an, dann nickte sie und holte meine Ledersachen aus einem Schrank, wo sie sie säuberlich gefaltet aufbewahrt hatte. Mein Herz war voller Dankbarkeit und nachdem ich mich umgekleidet hatte, zog ich sie in eine lange Umarmung. „Danke für alles, Mrs. Lewis", flüsterte ich.

„Passen Sie nur auf sich auf."

Ich nickte. Dann verabschiedeten wir uns, ohne viele Worte, und mit enger Kehle ging ich nach draußen, wo bereits der Major mit den beiden Soldaten auf mich wartete. Er kniff leicht die Augen zusammen, als er mich in meiner Indianerkleidung sah, doch ich genoss den weichen Tritt der Mokassins und das Gefühl des Leders, das meine Haut umschmeichelte und sich an mich schmiegte.

Mrs. Lewis stand in der Tür und schaute uns nach, als wir zu viert das Fort verließen. Ich war flankiert von den beiden Soldaten, der Major ging vor mir. Wir liefen einige Zeit und ich lauschte in die umgebende Stille des Waldes. Ob er schon dort lauerte, auf mich wartete?

Der Major hielt an und gab einen Schuss in die Luft ab. „Hier ist das weiße Mädchen", rief er mit volltönender Stimme. „Wo ist unser Mann?"

Wir warteten, ich atmete flach vor Aufregung. Wenn bloß alles ohne Kampf ablief. Wenn bloß keiner der Soldaten nervös wurde und den Abzug drückte, falls sich Ohitika zeigte.

Und dann sah ich, wie sich ein Schatten hinter dem Stamm einer kahlen Buche hervorschob. Er hatte die Hände erhoben. Die Soldaten richteten ihre Gewehre auf ihn. „Nicht schießen", rief eine mir unbekannte Stimme.

Der Major befahl seinen Leuten mit einer Geste, ihre Waffen zu senken. „Das ist Tucker. Wie geht es Ihnen, Mann?"

„So weit, so gut, Sir. Nur dass drei Indianer ihre Pfeile auf mich angelegt haben ... Er sagt, Sie sollen das Mädchen gehen lassen."

Die Nasenflügel des Majors blähten sich. Er starrte mich scharf an. „Ihre letzte Chance", murmelte er leise.

Ich straffte die Schultern und nickte. „Ich möchte das tun, Major. Danke, dass Sie mich aufgenommen haben."

Seine Miene wurde etwas weicher, als er mich ein letztes Mal musterte. „Dann los. Viel Glück."

Langsam, Schritt für Schritt, ging ich auf den Schatten von Tucker zwischen den Bäumen zu. Der Schnee knirschte unter meinen Füßen und ich beobachtete aufmerksam den Waldrand vor mir. Angst hatte ich nicht. Im Gegenteil. Jede Faser in mir vibrierte vor Freude und Aufregung.

Als ich nahe genug bei Tucker war, um sein bleiches Gesicht sehen zu können das mich nervös und furchtsam anstarrte, nahm ich eine Bewegung weiter hinten im Wald wahr. Ich nickte Tucker kurz zu und ging an ihm vorüber. Ohitikas Gestalt baute sich vor mir auf, so plötzlich und unerwartet wie immer. Ich brachte die letzten Schritte, die uns trennten, hinter mich und dann lag ich in seinen Armen, mein Kopf an seiner Brust, und hörte sein Herz klopfen. Es fiel mir schwer, die Tränen zurückzuhalten.

Nach einem Augenblick schob er mich sanft zurück und deutete auf Tucker. „Sag ihm, dass er gehen kann", bat er mich auf Lakota.

„Sie können gehen", rief ich Tucker zu.

Wir beobachteten aus dem Schutz der Bäume heraus, wie Tucker, noch immer mit hoch erhobenen Händen, sich in Bewegung setzte. Erst stockend, dann immer rascher, je näher er seinen Männern kam, die ihm wachsam entgegenblickten. Doch Ohitika wartete nicht mehr, bis sie sich trafen. Er fasste meine Hand und zog mich fort, tiefer in den Wald hinein.

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