Kapitel 2

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Kapitel 2

Raphael Ragucci


 Mit einem kurzen Stoß mit der Hüfte lasse ich die Klappe der Spülmaschine zuschnappen, drücke den Knopf zum einschalten und kurz darauf durchbricht das gleichmäßige Surren die Stille in der Küche meines Lofts.

Es ist zu still hier, seit Ria mit unserem Hund ausgezogen ist. Das verdammte, siebte Jahr. Vor vier Monaten habe ich am eigenen Leib erfahren, dass das keine verdammte Kalenderweißheit ist. Sechseinhalb Jahre waren wir zusammen, haben Pläne gemacht und plötzlich hat es nicht mehr funktioniert. Ich weiß nicht, ob wir uns auseinander gelebt haben, ob wir zu alltäglich geworden sind oder ob Gott es nicht so gewollt hat.

Ria hat Leere in mir hinterlassen und das Gefühl, mir vierunddreißig noch einmal neu beginnen zu müssen. Vielleicht habe ich auch irgendwann alles für selbstverständlich gehalten. Ria, unsere Beziehung, dass sie bei mir bleibt.

Beruflich läuft alles, meine Musik geht weiterhin durch die Decke- privat hänge ich noch immer irgendwo zwischen Hölle und Tal.

Ria ist feige in einer Nacht und Nebenaktion abgehauen. Keine Chance auf ein klärendes Gespräch, keine Chance für mich. Seit dem geht sie mir aus dem Weg und vor ein paar Wochen habe ich begriffen, dass es keinen Sinn mehr macht über das nachzudenken, was war.

Eigentlich wollten wir in diesem Jahr endlich heirate, eine Familie gründen und gerade bei diesem Gedanken kommt das erste Mal in meinem Leben etwas wie Torschlusspanik in mir hoch. Eine neue Frau finden, eine Weile mit dieser zusammen leben, bevor Kinder in diese Welt gesetzt werden, wenn es beschissen läuft bin ich fast vierzig, wenn mein erstes Kind geboren wird. Das bedeutet, sechzig, wenn das Kind zwanzig ist. Den Wunsch, endlich Vater zu werden hege ich bereits eine Weile doch nie hat es beruflich gepasst. Und jetzt, wo ich endlich finanziell abgesichert bin, fehlt mir die Frau. Bitter.

Ich schüttle den Kopf um die Gedanken zu vertreiben. Gerade, wenn ich in den Tagen vorher Konzerte gespielt habe ist es besonders still in der großen Eigentumswohnung, die ich als zu Hause für eine Familie gekauft habe, die es nicht geben wird.

Mein Blick fällt auf die Flasche Yamazaki auf dem Tresen und es wäre mir ein Leichtes, sie mir komplett in den Kopf zu schrauben um die Gedanken zu betäuben, die stetig beginnen, wieder in meinem Kopf zu kreisen, wenn es Still um mich herum wird. Aber es wär der einfachste Weg, mit meinen Problemen fertig zu werden. Inzwischen habe ich gelernt, anders mit ihnen umzugehen. Ich wende mich ab, begebe mich auf meine Terrasse.

Scheiße kalt im Februar, der kühle Wind weht mir ins Gesicht und für einen Moment kommt mir der Gedanke, mich früher als geplant nach Barcelona zu verpissen. Der graue, nasskalte deutsche Winter macht mich beinahe depressiv und immer öfter überkommt mich die Sehnsucht nach Wärme, Sonne und Palmen.

Zügig zünde ich mir eine Zigarette an, inhaliere den Rauch tief in meine Lunge, ziehe mein Smartphone aus der Hosentasche und öffne Insta. Weit über 100 000 Likes auf dem letzten Foto, die direct Message Funktion quillt über. Weil ich sowie nichts zu tun habe scrolle ich mich durch. Die üblichen Verdächtigen, Bitches, die mit mir ins Bett oder meine Kreditkarte, Jungs, die mir ihre Beats schicken wollen. Die werde ich mir später in Ruhe anhören. Normale Fans, die mir einfach so schreiben. Ab und zu schreibe ich letzteren zurück.

Das Bild eines kleinen Mädchens sticht mir auf einmal ins Auge, ich schätze sie auf zwölf oder dreizehn, der typische Hundefilter über ihrem Gesicht. Ich kann nicht sagen warum aber manchmal entdecke ich Fügungen in meinem Leben. Ein plötzliches Gefühl, welches mir sagt, dass ich etwas tun soll, als wäre irgendwo jemand, der mich leitet. Und so ist es auch jetzt. Irgendetwas bringt mich dazu, die Nachricht zuzulassen, obwohl das Foto der Kleinen, sie nennt sich leylabausafan, nicht allzu sehr heraussticht.

Raben  / RAF Camora / Bonez Mc/ Teil 1&2Nơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ