Und trotzdem: Holly war mir stets angenehmere Gesellschaft als Mabel, welche mit ihrer ständiger Fragerei oft zu weit ging, es je hätte sein können.
Ich bin einfach nie ein Mensch gewesen, der jedes kleine Detail aus seinem Leben ausplauderte, denn eigentlich hörte ich sowieso immer lieber nur zu.

Umso dankbarer bin ich also auch an diesem Tag gewesen, als ich meine beste Freundin in der Tür auftauchen sah und Mabel einen Abgang machte.

»Sorry, bin noch aufgehalten worden«, entschuldigte Holly sich kühler als ich es von ihr gewohnt war und setzte sich mir gegenüber auf den Holzstuhl.

Gespannt wartete ich auf die typische Erklärung, wo sie mir ihre Verspätung bis ins kleinste Detail erläuterte, aber diese blieb aus.
Versteh schon, dachte ich, der anfängliche Optimismus verschwunden.
Schweigend musterte sie mich mit ihren Kulleraugen.
Da waren wir also. Mir wurde klar, dass ich es echt verbockt hatte.

Verlegen nestelte ich einen Moment an der Tischdecke und wagte es nicht sie anzusehen.
Als ich die Stille aber nicht mehr aushielt, hob ich den Blick und Verzweiflung machte sich auf meinem Gesicht breit.
»Holly...«
»Nein, Lexi, nicht...« Sie unterbrach mich, woraufhin ich sofort meinen Mund hielt und meine Aufmerksamkeit wieder der Tischdecke schenkte.

»Bevor du dich entschuldigst, denk scharf drüber nach, weshalb du es tust! Tut es dir wirklich leid oder ist dir einfach langweilig ohne mich?!«
Wow. Ihre Worte ließen mich sprachlos. Mein Gesicht fing an zu brennen, meine Kehle schnürte sich zu und meine Augen wurden glasig. Ich musste in dieses perfekte Gesicht schauen, welches mich ausdruckslos ansah und die Ablehnung mit vor der Brust verschränkten Armen unterstrich.
Selbst in dieser Situation kannte sie mich so gut, dass ich nicht einmal etwas sagen musste, damit sie wusste, was Sache war. Ich musste wegsehen.

»Wusste ich's doch...« Sie schüttelte verständnislos den Kopf, stand auf und wollte gerade sich dazu bewegen zu gehen, als ich nach ihrem Arm griff und sie mit Tränen in den Augen flehend ansah. Ich wusste, wenn ich sie jetzt gehen lassen würde, wäre sie nicht mehr zurück gekommen.

»Ich brauche dich, Holly«, flüsterte ich mit zitternder Stimme, nicht zu mehr fähig.
»Lexi...« Sie musterte mich mit einem scharfen Blick, ehe sie die Augen verdrehte und seufzte. »Ich weiß doch...«

Langsam setzte sie sich wieder mir gegenüber, um die Aufmerksamkeit der anderen Gäste wieder los zu werden, und sagte sanft: »Ich brauche dich doch auch!«
Auch ihre Augen füllten sich langsam mit Tränen und sie rang sich ein Lächeln ab.
»Was ist nur mit uns geschehen?« Ironischerweise drang ein leichtes Lachen aus ihrer Kehle, woraufhin auch ich Schmunzeln musste.

»Holly, es ist alles so bescheuert!«
»Das kannst du wohl laut sagen!«
Und da war es wieder. Holly Gilbert, diese verdammt bewundernswerte Frau, brachte ein leichtes Lachen ins Gespräch und schon war wieder alles gut - bei den Gilberts war es immer so...

Den restlichen Tag verbrachte ich ohne Unterbrechung mit Holly.
Wir brachten uns jeweils auf den neusten Stand der Dinge.
Ich erzählte ihr meine persönlichen Highlights aus Paris, worunter definitiv der Besuch im Louvre, wo ich die Mona Lisa gesehen habe, welche mich schon seit Kindertagen faszinierte, der Eiffelturm bei Nacht, das Künstlerviertel Montparnasse und die unzähligen Leckereien in den kleinen Cafés, welche so viel besser als die amerikanischen waren, zählten. Viel über Ryan, seine unheimlich romantischen Aktionen, sein verstecktes Talent für Sprachen und vor allem der Fakt, dass er seine Fehler einsah und sich wirklich besserte, gab ich nicht preis - es war einfach nicht das, was Holly hören wollte und das akzeptierte ich.

Wir gingen die belebte Straße zu meinem Apartment entlang.
»Komm doch bitte mit hoch - du warst noch nie in meinem neuen Zuhause und außerdem ist Ryan noch gar nicht wieder da!«, bettelte ich Holly nach einem gelungenen Mädelsnachmittag an.

I never thoughtWhere stories live. Discover now