19. provokative Provokation

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Ich schloss die Tür hinter mir und drehte mich zu Mr Kurt um, der an den Kamin getreten war und ins lodernde Feuer blickte. Die Tage wurden immer kälter, der Wind immer stärker und der Winter kam näher. Die Häuser wurden erwärmt und die Straßen gemieden.

Da ich verschwitzt und direkt von draußen kam, lief mir ein Schauder den Rücken hinab bei der Wärme im Raum. Ich ging davon aus, dass die Hitze vom Kamin kam, wurde jedoch Besserem belehrt, als Mr Kurt sich zu mir wandte und sein markdurchbohrender Blick mich unruhig werden ließ.

Das war die erste Reaktion, die ich seit dem Kuss von ihm bekommen hatte. Ich musste meinen plötzlich beschleunigten Herzschlag mit viel Mühe wieder unter Kontrolle kriegen. Die vorherigen Tage hatte er mich kaum oder gar gleichgültig angesehen. Ich wusste kaum mehr, wie und was ich fühlen sollte. Er hatte mich völlig aus der Bahn geworfen. Aber die Art, wie er mich nun ansah, ließ keinen Zweifel daran, dass ich mit meinem Plan auf dem richtigen Weg war. Er konnte versuchen mich zu ignorieren, wie sehr er wollte, am Ende würde ich bekommen, was ich wollte.

„Ich will wissen, wo du herkommst.", brach er die Stille. Da das Feuer die einzige Lichtquelle im Raum war und er diesem den Rücken gekehrt hatte, um mich anzusehen, lag sein Gesicht in Schatten. Er bewegte keinen Muskel. Es fiel mir furchtbar schwer zu verstehen, was in ihm vorging. Einerseits schien er sehr distanziert und desinteressiert, aber andererseits hatte er mich hier her berufen, um mich zu verhören. War ich ihm nun egal oder nicht? Dieser Mann verwirrte mich ständig.

„Ich habe doch gesagt; vom Spaziergang." Ich war erleichtert, dass meine Stimme fest und gelassen klang, denn innerlich war ich verwirrt und unausgeglichen.

Sein Blick glitt langsam an mir hinab und blieb an meinem Saum hängen. „Ich wusste nicht, dass man sich beim Spazierengehen seit Neuem auf den Boden wirft."

„Die Wege sind vom Regen ganz verschlammt.", erklärte ich scheinbar gleichgültig, obwohl mir die Haare im Nacken abstanden. Er verhielt sich sehr ruhig - viel zu ruhig für den Mr Kurt, den ich kannte.

„Wieso solltet ihr ausgerechnet heute den Drang zum Spazierengehen verspürt haben?"

Mir entging nicht, dass er sich weigerte, das Thema direkt anzusprechen. Er wusste ganz genau, dass heute das Treffen mit Mr Bennett anstand! Er konnte ganz einfach eins und eins zusammenzählen. Wahrscheinlich vermutete er es bereits, aber gab sich dennoch sehr passiv und arrogant. Fast so, als würde er diese Unterhaltung gerade als schlimme Zeitverschwendung sehen. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Lass dich nicht aus dem Konzept bringen, Ella!

„Heute gab es eine Feier auf dem Opernplatz. Dort wollten wir unbedingt hin."

„Kann es sein, dass du mit 'wir' nicht Rosalie und dich meinst..." Er ließ den Satz offen in der Luft hängen.

Ich hob das Kinn. „Ganz recht."

„Und mit wem warst du dort?" Seine Stimme war monoton und gefühllos. Die Art, wie herablassend er mich ansah, provozierte mich ungemein. Aber die Fragen, die er stellte, zeigten seine Neugier. Das würde er nicht leugnen können, egal wie sehr er versuchte gleichgültig zu wirken.

„Ich glaube, Sie haben bereits eine Vermutung.", antwortete ich.

„Ich verstehe." Er war gut darin seinen Gesichtsausdruck zu kontrollieren. Er ließ überhaupt nicht schließen, was in ihm vorging. „Du hast also mal wieder meine Anweisungen ignoriert und dich mit Mr Bennett getroffen."

Ich zuckte die Achseln. „Sie können mir nicht alles verbieten. Das sollte nun klar sein."

Er zog die Augen zu schlitzen zusammen. Mein spitzer Ton war ihm nicht entgangen. Ich wusste, wie sehr er es hasste, wenn ich mit ihm diskutierte - aber genau aus diesem Grund liebte ich es umso mehr!

Ella - Die Stille nach dem SturmWhere stories live. Discover now