🌊Der Stern des Meeres🌊*Watt...

Von Thyrala

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1601: "Die See ist nichts für Feiglinge!" - Lorena bekommt nichts geschenkt, aber das macht sie stark. Sie be... Mehr

Personenverzeichnis
Vorwort
Schiffbruch
Gestrandet
Ein neues Leben
Gefährliche Wattwelt
Das Gold der Uthlande
Der Blanke Hans
Schicksal
Der Gast
Eilien
Unterricht
Matt
Der Luftgeist
Absturz
Zehn Tage
Die Strafe
Aussprache / Amrum
Freunde
Strandjer
Pläne
Ein Geheimnis
Abschied
Sehnsucht
Bleiben oder gehen
Hindernisse
Abfahrt
Leinen los!
Von Bilge und Back
Der Quartiermeister
Von Gesangbuch und Knoten
Hoch hinaus
Gegenwind
Der Teufel an Bord
Die schwarze Liste
Durchhalten
Der Geist
Kräftemessen
Waffenstillstand
Atempause
Rivalen
In geheimer Mission
Der Schwur
Von Kanonen und Schwarzpulver I
Mann gegen Mann
Gerrit
Drill und Seepest
Türkisblau
Hitze
Vorzeichen
Im Auge des Sturms I
Im Auge des Sturms II
Der neue Navigator
Konfrontation

Von Kanonen und Schwarzpulver II

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Von Thyrala

So warteten sie gespannt, die Augen auf Gerrit gerichtet, während die einen Backschaften noch mit dem Klarmachen der Geschütze beschäftigt, die anderen schon startbereit waren. Nach und nach kehrte Ruhe ein ...

Endlich gellte Thorssons Stimme: „FEUER!"

Rasch ergriff Gerrit den Luntenstock, zündete ihn an und hielt ihn mit dem einen brennenden Ende an das Pulverhäufchen hinter dem Zündloch.

Das Zündkraut glühte auf.

RRRUMMS!

Pfeifend verließ die Kugel den Lauf und platschte weit entfernt ins Wasser. Die Kanone schnellte nach hinten, wurde aber durch das Sicherungsseil abgebremst.

Auch die übrigen Geschütze donnerten los, jedes nacheinander, der Plankenboden erzitterte ...

... das ohrenbetäubende Dröhnen, Knallen und Pfeifen fuhr Lorena direkt in den Leib und erschütterte dermaßen die Eingeweide, dass sie beinahe das Wasser hätte laufen lassen. Sie schwankte und hielt sich an Ove fest, der unverrückbar stand wie ein Fels in der Brandung.

Beißender Qualm und Staub hüllte das gesamte Batteriedeck ein, die Männer husteten und krächzten erbärmlich. Der intensive Schwefelgestank ließ sie würgen. Beim nächsten Mal ziehe ich mir ein Halstuch über die Nase, nahm sie sich vor. Wenigstens hatte sie sich rechtzeitig die Ohren zugehalten.

Gerrit lachte voller Stolz. „Das war aber ein ordentliches Donnerwetter, was? Nur schon mal zum Eingewöhnen."

Janko machte ein unmutiges Gesicht, steckte sich die Finger in die Ohren, bewegte ihn hin und her: „Was hast du gesagt?!", fragte er. „Schiet, alles dumpf ..."

„Stopft euch vorher Werg in die Löffel!", brüllte Gerrit. „Taube Nüsse können wir an Bord nicht gebrauchen." Aber auch er schien seine Probleme zu haben und schluckte und kaute ein paarmal, dass seine Kiefer knackten.

Janko durchbohrte ihn mit einem wütenden Blick.

Gerrit zuckte die Schultern „Werd' nicht fuchsig! Das geht vorbei. Warten wir halt eine Weile ..." Nach einer Schweigepause fuhr er fort: „Mit dem Abschuss allein ist es noch nicht getan. Danach muss das Zündloch sofort abgedeckt werden, sonst kommt Luft hinein und die Kanone entzündet sich erneut. Anschließend den Lauf wieder sauber machen ..." Er machte sich ans Werk, und nachdem er das erledigt hatte, trat er zur Seite. „Jetzt die ganze Prozedur von vorne, bedient nun selbst die Kanone, putzen, laden, die Kartusche einstechen und so weiter", bestimmte er. „Ich guck' nur zu. Also los."

Nach kurzem Besinnen versuchten seine Schüler, das soeben Gelernte möglichst gewissenhaft auszuführen.

„Ihr stellt euch gar nicht so übel an", meinte Gerrit, als sie die Aufgabe beendet hatten. „Saubere Arbeit. Vor dem Schwarzpulver habt ihr wohl keine Scheu, was?"

Janko, Sjard und Roluf warfen sich vielsagende Blicke zu, Gerrit merkte es nicht, er hatte sich halb abgewandt und war mit dem Ausrichten der Kanone beschäftigt.

„Und jetzt üben wir das Zielen und Treffen!", rief er.

Als Ziel diente ein leeres Fass, sie warteten, bis es die Wellen forttrugen. Es tanzte auf und nieder, manchmal verschwand es ganz hinter einer Woge.

Gerrit richtete den Lauf aus, kniff die Augen zusammen, peilte ... und feuerte.

Der Bottich platzte in einem Splitterregen auseinander.

„Oha!", rief Sjard bewundernd. „Ein solches Ziel zu erwischen, ist natürlich viel kniffliger als eine Galeone."

Gerrit lachte zufrieden. „Das stimmt. Es braucht Übung, ein gutes Auge und Geduld. Habt ihr auch bemerkt, wann ich gefeuert habe?"

Janko grinste. „Ha, du hast einfach 'ne Welle abgewartet, die das Fass hochhob, erst dann hast du geschossen."

„Gut aufgepasst", lobte Gerrit. „Also immer den Seegang beachten, sonst trifft man ins Leere. Das feindliche Schiff sollte sich möglichst auf derselben Höhe wie wir befinden. Nebenbei: ich treffe selten daneben. Und ... ähm ..." Er hielt inne, senkte den Kopf und suchte mit den Augen den Boden ab. „Ich suche nach verstreutem Pulver", erklärte er. „He, das ist wichtig, schaut auch danach, falls ja, dann sofort mit Wasser löschen!"

„Ach, deshalb also steht neben jeder Kanone eine Pütz voll Wasser", bemerkte Lorena, während sie gleichfalls die Planken inspizierte.

„Genau, Langer. Normalerweise ist das die Aufgabe des Pulveraffen, aber so oft, wie der zwischen Batteriedeck und Pulverkammer unterwegs ist, kann ihm das leicht entgehen. Besser ist, ihr achtet selber mit drauf, Schwarzpulver kann sich schnell entzünden, nachher fliegt uns das Schiff um die Ohren und wir enden als Festschmaus für die Fische."

Lorena schüttelte sich innerlich bei der Vorstellung.

Nach kurzer Zeit war die Suchaktion beendet, und Gerrit klärte sie über eine besondere Vorschrift in der Bordordnung auf. „Es hat seinen guten Grund, warum den meisten Matrosen der Zugang zum Batteriedeck verboten ist", sagte er in eindringlichem Ton. „Es ist eine reine Vorsichtsmaßnahme gegen Scherzbolde und Dummerjane. Niemand weiß, was den Leuten plötzlich in den Sinn kommt, besonders wenn einer zu tief ins Glas geguckt hat und meint, ein bisschen lustiges Geknalle schadet nicht."

„Das Proviantlager wird genauso streng bewacht", meinte Roluf. „Das ist ja meine Aufgabe als Botteliers-Maat."

Gerrit nickte beifällig. „Proviant- und Pulverlager. Beide sind überlebenswichtig auf See. Passt schon."

„Joh", brummte Ove aus vollem Herzen.

Sie wiederholten die Übung mit einem weiteren Fass, diesmal zielte Janko. Er traf knapp daneben, die Tonne bekam einen Drall versetzt und blieb oben.

Trotzdem war Gerrit zufrieden. „Gar nicht so übel für den Anfang. Du hast scharfe Augen, du bist ein echter Friese."

Janko presste die Lippen zusammen, seine Augen wanderten zwischen der Kanonenmündung und dem schaukelnden Fass abschätzend hin und her.

Da erscholl Thorssons Stimme: „Schluss für heute! Die Kanoniere zu mir!"

Gerrit gab sich einen Ruck. „Jupp, ich muss gehen! Räumt hier auf und sichert die Kanone, wie ich es euch gezeigt habe. Morgen machen wir weiter. Na, ich denke, aus jedem von euch wird mal ein ganz brauchbarer Kanonier. Macht's gut, Jungs." Er hob grüßend die Faust zum Abschied und ging.

Brauchbar, dachte Lorena amüsiert. Sie erinnerte sich noch recht gut an Rolufs Satz „Ah, das sind sehr interessante Möglichkeiten ..." Das hat geklungen, als habe er eine neue Lektion gelernt, wie man auf Amrum und Pellworm die Schiffe noch leichter zum stranden bringt als durch das Legen falscher Leuchtfeuer. Die verstohlenen Blicke waren ihr ebensowenig entgangen wie auch die Gemütsruhe, mit der sie das Schwarzpulver handhabten. Dagegen hatten ihre Finger gezittert ... Falls wir überfallen werden, bin ich auf das Duell Strandpiraten gegen Seepiraten gespannt. Hoffentlich geschieht das nicht so bald.

Plötzlich brachen ihre Freunde in Gelächter aus – Roluf zuerst, dann stimmten auch die anderen mit ein und deuteten mit dem Finger auf sie.

„He, was ist so lustig an mir?", verlangte sie zu wissen.

„Du musst dich gleich mal rasieren, bei dir sprießen überall die Bartstoppeln", ulkte Roluf.

„Timo hat 'nen Vollbart", stellte Sjard trocken fest.

„Was – was?", fragte sie verdutzt. Waren ihre lieben Kameraden übergeschnappt?

Janko klärte sie endlich auf. „Der Pulverdampf. Einsprengsel. Bei dir hat sich nämlich der Ruß schön um den Mund herum verteilt."

Sie musste ebenfalls lachen. „Da passe ich ganz gut zu euch. Seht euch doch mal an ...!"

Die Freunde musterten einander und grinsten. Ihre Blondschöpfe waren aschgrau, umso heller leuchteten die blauen Augen aus den geschwärzten Gesichtern. Aber niemand von ihnen trug einen solch schönen „Vollbart" wie Timo, darüber waren sie sich alle einig.

Lorenas Lachen endete abrupt in einem Husten und Spucken, sie hatte immer noch einen Geschmack im Mund, als wäre darin etwas gestorben und verwest ... vielleicht der Krabbelkäfer von neulich, der sich auf ihrem Zwieback getummelt hatte. Bah, dieser Schwefelgestank ist überall – auf der Zunge, auf der Haut, in den Haaren. Ich will Branntwein, um den fauligen Geschmack loszuwerden, dann Wasser und Seife zum Waschen und frisches Zeug. Außerdem muss ich unbedingt nach Fenja sehen ... hoffentlich ist sie nicht halbtot vor Angst ... das arme Tier! Aber dann fiel ihr ein, dass Fenja selbst im Brüllen des Orkans nicht panisch geworden war; sie hatte sich nur verwirrt gezeigt und es sich nachher im Haus gemütlich gemacht.

Ein friesisches Huhn, das mit dem Blanken Hans fertig wird, lässt sich vom Kanonendonner bestimmt nicht ins Bockshorn jagen. Mit dem Gedanken tröstete sie sich und ging mit ihren Freunden ans Aufräumen. Sie beeilte sich. Nur endlich hinaus und nach oben, die frische, reine Salzluft genießen! Atmen. Einfach nur ...

ATMEN.

Die nächsten beiden Vormittage verbrachte die Mannschaft auf dem Batteriedeck und übte sich darin, die Kanonen zu bedienen und feuerbereit zu machen. Allerdings wurde nur sporadisch geschossen, um Kugeln zu sparen, die sonst nachher im echten Kampf fehlen würden. Darüber hinaus erhielten die Männer die Anweisung, bei längeren Seegefechten stets auf genügende Feuerpausen zu achten, sonst konnten die Kanonen überhitzen und das Schiff in Brand setzen.

Lorena bekam eine Vorstellung davon, dass es hierzu einer ausgeklügelten Strategie bedurfte. Besonders Sjard begeisterte sich dafür, mittels einer Sanduhr die ungefähre Zeitspanne des Vorgangs vom Laden der Kanone und bis hin zum Abkühlen zu messen und in ein Notizbuch einzutragen.

Längst war auch das Zwischendeck mit Kanonen bestückt. Sie hatte mit ihrer Vermutung recht behalten; in den länglichen Kisten waren die Geschütze versteckt gewesen und mussten nur noch auf die Rädergestelle, Lafetten genannt, montiert werden. Aus der Zeelandia war ein Kriegsschiff geworden - ein Orlogschiff, wie es die Holländer nannten. Nun brauchte es noch einen entscheidenden Wandel der Mannschaft – den von gestandenen Seeleuten in kampfstarke Seesoldaten.

Selbst in der Nacht verfolgte sie der Kanonendonner bis in den Schlaf hinein, obwohl die Geschütze längst schwiegen und wieder Ruhe an Bord herrschte. In einem wilden Traum durchlebte sie erneut jede Einzelheit -

... laden ... ausrennen ... zünden ... dann ein Zischen, Blitz und Donnerschlag ... die Kanone verwandelte sich in einen Drachen aus Eisen, feuerspeiend und todbringend ... und aus dem einen Drachen wurden viele ...

Die Traumbilder wirkten so lebendig, dass sie am Ende schweißgebadet hochschreckte, mit Bakkers beschwörender Stimme im Ohr: „Kämpft mit uns für ein freies Meer!" ...

... und sie aufschrie: „Wir sind die Löwen der See!"

„He", murmelte Janko, der neben ihr lag, und rüttelte sie sanft. „Ist nur ein Traum. Schlaf weiter, Löwin."

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