Mit weit aufgerissenen Augen sehe ich meinen Bruder an, ungläubig über die Worte, die gerade wenige Sekunden vorher seinen Mund verlassen haben.
,,Wie meinst du das?", hacke ich sofort neugierig nach.
,,Er erzählt mir immer von einem bestimmen Mädchen, welches er ganz toll findet und schon immer irgendwie gut fand, aber sich bisher nie getraut hat sie anzusprechen", erklärt er. ,,Meinem Gefühl nach zu urteilen, scheint scheint sie sowas wie die Liebe seines Lebens zu sein."
,,Wirklich?", murmel ich, traurig darüber, dass er damit Minas Herz ein für alle Mal in Stücke reißen wird.
,,Es ist deine Entscheidung, ob du es ihr erzählst oder nicht. Ich denke aber, dass sie das Recht darauf hat, es zu erfahren. Immerhin kann Seungyoun gar nicht so dämlich sein, um nicht zu verstehen, dass Mina ihm schon seit Jahren hinterher rennt", seufzt Takumi und nimmt das kleine Kätzchen auf seinen Arm. ,,Sie sollte sich definitiv jemand anderen suchen."
,,Das sagst du so leicht. Seungyoun ist ihr Traummann, Takumi. Solange er ihr nicht selbst sagt, was Sache ist, wird sie nicht aufhören ihm hinterher zu rennen", erwidere ich und denke dabei an Minas glückliches Gesicht, als er ihr seine Wasserflasche angeboten hat.
Sie liebt ihn wirklich von ganzem Herzen.
,,Ich kann ihn nicht dazu zwingen, dass er es ihr sagt. Das ist und bleibt seine Angelegenheit, in welche ich mich nicht einmischen möchte oder werde", antwortet Takumi ernst, seine Gesichtszüge werden jedoch sofort wieder weich, als das Kätzchen auf seinem Arm miaut.
Sofort schnelle ich hoch und suche in den Schränken, in welchen ich mich immer noch nicht zurecht finde, nach einer kleinen Schüssel, die ich dann, als ich endlich fündig geworden bin, mit Milch befülle und auf den Boden stelle.
Takumi setzt sie auf den Fliesen ab und sie wackelt sich ihren Weg langsam zur Schüssel, wo sie sofort beginnt mit ihrer Zunge die Milch aufzuschlecken.
,,Hast du dir schon einen Namen überlegt?", fragt Takumi aus dem Nichts, als wir sie beim Trinken beobachten.
,,Wir wissen doch nicht einmal, ob wir sie behalten dürfen. Außerdem gehört sie immer noch Taehyung", erwidere ich niedergeschlagen, versuche es mir aber nicht anmerken zu lassen.
,,Er wird sie dir mit Sicherheit auch nicht geben", sagt Takumi sarkastisch, was mich meine Augen verdrehen und ihm leicht gegen die Schulter boxen lässt.
Nachdem sie scheinbar satt ist, öffnet sie ihr kleines Maul und beginnt zu Gähnen, was unglaublich niedlich aussieht.
Und wie auf Stichwort muss auch Takumi gähnen, was mich kichern lässt.
,,Ich denke es wird Zeit fürs Bett", schlage ich vor, stehe auf, nehme das Kätzchen auf meinen Arm und Takumi erhebt sich ebenfalls, räumt das Chaos, was sie verunstaltet hat, auf, sodass keine Beweise hinterlassen werden und wir gehen gemeinsam wieder nach oben.
,,Gute Nacht, Schwesterherz", sagt Takumi noch schnell mit einem sanften Lächeln und bevor er dann in seinem Zimmer verschwindet, umarmt er mich noch liebevoll.
In meinem Zimmer angekommen, platziere ich das kleine schläfrige Kätzchen zunächst auf dem Holzboden, sodass ich beide Hände frei habe, um ihr irgendwie ein gemütliches Bettchen zusammen zu stellen.
Während ich dies tue, bemerke ich, wie sie sich langsam ihren Weg auf meine Handtasche zu bahnt und plötzlich hineinhüpft, da sie ihre Position verändert hat und nicht mehr so steht, wie ich sie zuvor hingestellt hatte, nachdem ich nach Hause kam.
Und endlich geht mir ein Licht auf.
,,Hast du dich etwa bei Taehyung in meine Handtasche geschlichen?", frage ich sie, erwarte natürlich keine Antwort und streichel sie leicht, während sie bereits ihre Augen geschlossen hat. ,,Du bist mir ja eine."
SKIP
Früh morgens stehe ich bereits vor Taehyungs Haustür und warte darauf, dass mir jemand die Tür öffnet, nachdem ich geklingelt habe.
In meinen Mantel eingemummelt halte ich das Kätzchen dicht an mich, damit sie nicht friert und rolle auf meinen Fußballen vor und zurück, bis die Tür endlich entriegelt und kurz darauf geöffnet wird.
,,Hall- Misaki? Was machst du so früh schon hier?", fragt mit ein extrem müder Taehyung, der sich mit den Fingern über die Augen reibt und diese dann weitet, sich dabei sofort umdreht und auf die Uhr schaut, die im Flur hängt. ,,Habe ich etwa verschlafen?!"
Seine Haare stehen tatsächlich in alle Richtungen ab und er trägt eine kurze Hose, sowie ein normales weißes kurzärmliges Oberteil.
,,Nein! Alles gut. Ich habe nur einen kleinen Ausreißer wiedergefunden", lächel ich glücklich, weswegen er seinen Körper sofort entspannt und seine Augen zu strahlen beginnen, als ich ihm das schläfrige Kätzchen in meiner Hand offenbare.
,,Oh mein Gott! Wie hast du sie gefunden? Wo hast du sie gefunden? Wie- Warte! Komm erstmal herein", überhäuft er mich zunächst mit Fragen, bittet mich dann aber zu sich hinein, was ich glücklich akzeptiere und ihm ins angrenzende Wohnzimmer folge.
,,Diese Kleine hier hat sich wohl gestern frecherweise in meine Handtasche geschlichen und ist dann mitten in der Nacht ausgebrochen und hat ein wenig Chaos in unserer Küche verunstaltet", kichere ich und lege sie in den weichen Korb neben ihrem Geschwisterchen.
,,Und wieso bringst du sie jetzt zurück?", fragt er mich verwundert, was ich mit einem genauso verwunderten Gesichtsausdruck erwidere.
,,Es ist deine Katz-"
,,Das war sie nie, Minnie. Sie hat eine ganz bestimmte Bindung zu dir aufgebaut, die ich niemals mit ihr haben könnte. Sie ist dir sogar gefolgt, vermutlich einfach deinem Duft hinterher und somit in deine Tasche hinein. Deswegen möchte ich, dass du sie behälst und ihr ein wunderschönes Zuhause schenkst", lächelt er sanft und nimmt dabei meine Hände in seine, wobei er mit seinen Daumen über meine Handrücken streicht.
Nicht fähig ein weiteres Wort zu sagen, falle ich ihm um den Hals und umarme ihn fest, als Zeichen meiner Dankbarkeit.
,,Vielen Dank, Taehyung", flüstere ich leise.
,,Für dich alles", erwidert er kaum hörbar, sodass ich selbst nicht einmal sicher bin, ob ich es richtig gehört habe.
SKIP
,,Minatozaki Minhee Misaki!", höre ich plötzlich, wie mein Name laut gerufen wird und drehe mich daraufhin schockiert um.
,,Erschreck mich doch nicht so, Mina", seufze ich und schließe mein Schließfach, während sie den Gang entlang mit einem riesigen Grinsen auf mich zugerannt kommt.
,,Was hast du am Wochenende vor?", fragt sie aufgeregt, springt dabei wild auf und ab und kann sich kaum noch halten.
,,Ich mus-"
,,Perfekt! Wenn du nichts zu tun hast, dann können wir ja gemeinsam zu dem Fußballspiel am Wochenende gehen und das Team anfeuern!", kichert sie und rüttel mich an meinem Arm. ,,Aber für Seungyoun werde ich am Lautesten schreien!"
Sobald ich ihr glückliches Gesicht sehe, wie sie so verliebt über ihn redet, kommen mir sofort wieder Takumis Worte in den Sinn.
Und dann ihr gebrochener Gesichtsausdruck, wenn ich es ihr erzählen würde.
Aber auch Ryujins Worte wollen meine Gedanken einfach nicht verlassen, weswegen ich plötzlich nicht mehr über meine nächste Aktion nachdenke.
,,Bist du nur mit mir befreundet, weil Takumi mein Bruder ist und du damit eventuell näher an Seungyoun herankommen kannst?", verlassen die unüberlegten Worte meinen Mund, härter, als ursprünglich gewollt.