Ich und Draco

By Dostejgmxnet

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Hermine wird aus dem Aurorentraining geworfen, weil sie, immer wenn sie einem Todesser gegenübersteht, erstar... More

1 - Todesser Ron
2 - Mut und schlingernde Zimmer
3 - Doch St. Mungo?
4 - Doch St. Mungo!
5 - Ein Lichtblick
6 - Eine Reise besteht aus 1000 Schritten
7 - Verfolgung
8 - Nachtgespräch
9 - Ein erster Schritt
10 - Schritte und eine Hand
11 - Gemeinsame Zeit
12 - Besuch
13 - Himmel und Hölle
14 - Der richtige Weg ist meistens der Schwerste
16 - Den Tag lieben und die Nacht nicht hassen
17 - Neue Aufgabe
18 - Im Fuchsbau
19 - Test
20 - Verwandlung
21 - Unannehmlichkeiten
22 - Seltsame Begegnungen (1)
23 - Seltsame Begegnungen (2)
24 - Nachwuchs
25 - Chaos
26 - Probleme
27 - Entführt
28 - Eine Woche
29 - Liebe
30 - Briefe
31 - Wallace Grombourggh
32 - Auris agitare lyncas
33 - Vertrautheit
34 - Der nächste Schritt
35 - Crucio
36 - Kampf
37 - Aufräumen
38 - Glorreicher Sieg oder schmähliche Niederlage!
39 - Wendepunkt
40 - Fortunade Lestrange
41 -Malfoy Manor
42 - Veränderungen
43 - Mach's gut
44 - Schmerzhafte Erkenntnis
45 - Komplikationen
46 - Erfolg und Glück sind zwei verschiedene Dinge
47 - Einladungen
48 - Das Richtige tun
49 - Die neue alte Hermine
50 - Zukunftsplanung
51 - Eine klare Entscheidung
52 - Unüberlegte Handlungen
53 - Aussichtloser Kampf
54 - Schicksalhafte Begegnungen
55 - Killing Spree
56 - Verzweiflung
57 - Abschied nehmen
58 - Unglaublich
59 - Ich und Du
60 - Epilog

15 - Auf den lichten Tag folgt die dunkle Nacht

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By Dostejgmxnet

Ich konnte nicht sagen, wie lange ich auf die beiden Kurgel gestarrt hatte, Tur auf meiner Schulter, Tar auf ihrer Schulter, es kam mir wie Ewigkeiten vor, aber wahrscheinlich waren es nur ein paar Momente. Zwei eng aneinander gedrängte Kurgeln, ein Paar. Unsere Schultern drängten sich beinahe genau aneinander wie die beiden Kurgeln. Nummer 14 hatte es sich wieder auf unserem Sessel bequem gemacht, halb halb quer auf mir, mehr an mich angelehnt als sitzend, las sie ein Buch. Wie ich. Sie... Heisst das, dass ich... In den Augenblick entdeckte ich einen blinden Fleck bei mir: Es stimmt, dass ich meine Täuschungen als das erkannt hatte, was sie waren - und auch wieder Neue erkenne, aber das heisst nicht, dass ich mich deswegen kenne. Ich hatte etwas übersehen. Meine Ignoranz. Ich konnte mir vielleicht nicht mehr selbst etwas einreden, was ich als falsch erkannt hatte, aber es blieben genügend andere Möglichkeiten. Die, ich gerade entdeckt hatte, war Ignoranz. Ich hatte meinen Gefühle einfach nicht wahrhaben wollen und sie somit auch nicht wirklich bemerkt... bemerken wollen. Das war aber nicht das Gleiche, als wenn sie nicht geben würde. Sehen wir es realistisch: Ich hatte mich also einer Illusion hingegeben, aus meiner Einsamkeit heraus. Nun gut, nichts, was ich nun nachträglich dagegen machen könnte. Die Vergangenheit kann man nicht so einfach ändern. Und sie hatte sich in mich verliebt, dem Verhalten der Kurgel nach zu urteilen. Auch dagegen konnte ich nichts machen. Aber ich konnte auseinanderhalten, was dumme Träume und was die Realität war. Die Träume lagen auf der Hand: Ich war einsam und suchte jemanden und ihr ging es schlecht und sie versuchte, sich ihrer Stütze zu versichern und ich hatte es nicht sehen wollen. Eigentlich waren wir genau gleich, nur unsere Gründe waren andere. Unter anderen Umständen hätte ich vielleicht etwas daran gegeben, einen Weg zu finden, einen gemeinsamen Weg. Vielleicht wäre es auch etwas geworden, wenn ich noch in meinem Brunnen sitzen würde und den Himmel über mir noch für die Welt halten würde. Aber das ging nicht mehr. Ich konnte nicht mehr zurück, ich hatte über den Brunnenrand geschaut, ich wusste, der Himmel, den ich sehe, ist nur ein Teil, ein kleiner Ausschnitt des grossen, des wirklichen Himmels. Zu diesem grossen Himmel gehörte es auch, dass sie ein Opfer des Krieges war, unter dem Krieg gelitten hatte, was heisst, sie hatte unter Todessern gelitten und war deswegen hier, weil sie damit nicht fertig geworden war. Und ich war einer derjenigen, weswegen sie hier war. Beinahe eine zynische Wendung des Schicksals. Selbst wenn sie wirkliche, ehrliche Gefühle für mich haben sollte... spätestens wenn sie erfuhr, wer ich war, wäre sie schockiert. Mindestens. Das war die Realität. So war es! Es tat weh, mehr als ich gedacht hätte. Nicht nur Ent-täuschungen sind hart und schmerzhaft, der klare Blick auf die Dinge ist manchmal nicht viel besser. Schmerzhaft. Aber wichtig und heilsam.

Als ich an dem Punkt angekommen war, wusste ich, ich musste eine Entscheidung treffen. Aber so sehr ich wusste, was das Richtige war, so wenig brachte ich es über mich, den Schritt in diese Richtung zu gehen. Als hätte sie meine Gedanken gehört, klappte sie ihr Buch zu und drehte sich zu mir.

„Ich habe über die Geschichte nachgedacht, die du mir erzählt hast." sagte sie langsam und beinahe nachdenklich.

„Die mit den beiden Zauberern?" fragte ich nach. Ich musste aufpassen, wenn sie das Falsche fragte, würde ich nicht die Entschlossenheit aufbringen, nein zu sagen. Als ich das begriff, ärgerte ich mich. Wie egoistisch ich doch war. Ich wusste, was ich zu tun hatte. Tun musste. Vor allem, wenn mir wirklich was an ihr liegen würde, durfte ich sie nicht dem Schock aussetzen, den sie sicher haben würde, wenn sie erkennen würde, dass die Person, an der sie sich festgehalten hatte, in Wahrheit einer der war, der an ihrem Leid Schuld hatte. Ich hatte mittlerweile genug Heilkundebücher gelesen und genug von Miss Allencomb gehört, um wenigstens das zu verstehen.

„Mhm. Ich glaube ich habe eine Lösung gefunden." sagte sie langsam und hob am Ende den Kopf und schien mich anzusehen. Es war eine freudige Genugtuung in ihrer Stimme. Ich sah sie abschätzend an, als wenn ich damit begreifen könnte, was sie damit meinte. Als ich ansetzen wollte, etwas zu sagen, begann sie zu aber schon weiter zu reden, als wäre eine seltsame Übereinstimmung zwischen uns. Wie lächerlich. Für einen Moment fragte ich mich, ob der Verhüllungszauber im Umhang defekt war, aber das konnte nicht sein. Sie hätte anders reagiert.

„Wer sagt denn, dass der andere Zauberer in dem Dorf bleiben und leiden muss? Wieso kann der erste Zauberer, der sich in dem Dorf wohlfühlt, dem anderen nicht helfen, sich wohl zu fühlen?! Sie könnten Freunde werden, uns der eine könnte dem anderen sein schönes Dorf zeigen. Dann wären beide glücklich." Ich musste einen Moment überlegen um zu verstehen, was sie damit meinte. Sie wollte meine Freundin sein?! SAG JA, schrie es in mir. Der Drang war so schmerzhaft, dass ich mich dessen kaum erwehren konnte. Aber durfte ich das? Hatte sie sich nicht überlegt, dass es sein könnte, dass ich einer ihrer Feinde sein könnte? Oder machte es ihr nichts aus? HA, das war bestenfalls mein egoistisches Wunschdenken! Oder hat sie nicht so weit gedacht? Oder war es ihr egal? Nicht möglich, auch wenn ich es mir wünschte. Ich durfte mich nicht wieder von meinen eigenen Wünschen blenden lassen. Es wäre ihr gegenüber nicht fair gewesen. Und ich? Mochte ich sie? Hm, ja... vermutlich. Es zog mich zu ihr hin, ja. Aber war das Liebe? Liebte ich sie, weil sie sie war oder zog es mich zu ihr hin, weil ich wusste, dass sie sich zu mir hingezogen fühlte? Nutzte ich sie nicht einfach nur aus? Nutzte den Vorteil, den ich durch das Verständnis der Kurgeln hatte, nicht nur aus, um meine egoistischen Wünsche zu stillen? Um nicht mehr einsam zu sein? Die Erinnerungen waren wieder da, die letzte Nacht war etwas Spezielles gewesen, war ein bisschen wie aus einem Traum. Eine bessere erste Nacht konnte ich mir nicht vorstellen. Exotisch, mit all den fremden Gerüchen und Geräuschen, der Hitze, die eine leichten Schweissfilm auf der Haut erzeugt hatte... Mir lief ein kleiner Schauder den Rücken herunter bei dem Gedanken daran. Aber nur kurz, dann verschwand er, verdrängt von etwas anderem. Es dauerte einen Moment, bis mir klar wurde, was es war. Ekel. Ekel vor mir selbst. Es schüttelte mich. Meinen Arm, der um ihre Schulter lag, fühlte sich plötzlich verboten an und ich nahm, selbst überrascht von der Stärke des Gefühls, ihn zurück.

Ich musste bitter lachen. Ich hatte Stunden damit zugebracht, eine Entscheidung zu treffen zwischen dem, was ich sollte und dem, was ich wollte und ich war knapp davor gewesen, das zu tun, was ich wollte, obwohl ich wusste, das es nicht das Richtige war. Aber ich konnte es nicht, war zu zerrissen. Aber nun... Unvermittelt waren alle Zweifel verschwunden und ich hörte mich mehr sagen als ich es bewusst sagte: „Es geht nicht! Die beiden Zauberer leben in zwei verschiedenen Welten."

Ich war erleichtert, trotzdem tat es weh. Ich musste an die Nacht denken. Sie war so... als wäre sie... perfekt für mich.... gewesen. Sie sagte nichts. Ich wusste nicht, was sie jetzt dachte, aber ich durfte keine Zeit mehr verlieren. Ich wusste, wie dünn das Eis war, auf dem meine Entscheidung gebaut war. Jede Sekunde vergrösserte den Ekel vor mir selbst, hielt es nicht mehr aus. All das tobte in mir, als ich aufstand und schnurstracks in mein Zimmer ging. Dort nahm den Koffer und mit einem Wink mit dem Zauberstab flogen die wenigen Dinge, die noch hier waren in den Koffer, dann ging ich in unser... in ihr Zimmer und packte dort meine anderen Sachen ein. Und weiter ging es, direkt zu Miss Allencomb, die an der Tür stand und gerade Nummer 9 herein bat. Ich machte ein paar schnelle Schritte und streckte den Arm vor Nummer 9 aus, hinderte ihn einzutreten. In dem Moment sprang mich etwas an und kletterte auf meine linke Schulter. Für eine Moment was ich irritiert. Tur sass immer rechts... da sass er auch. Und links ein anders. Tar. Plötzlich verstand ich und beruhigte mich etwas.

„Bitte entschuldigen sie, Miss. Aber es ist sehr eilig. Bitte..."

Sie wollte zuerst wütend werden, nickte dann aber, es schien, als hörte sie etwas in meiner Stimme oder meinen Bewegungen. Sie fragte Nummer 9, ob es in Ordnung wäre. Nummer 9 war überrascht, nickte dann aber und sagte „Für Nummer 17 sowieso." und machte kehrt. Was immer das auch genau hiess. Miss Allencomb deutete in ihr Zimmer und ich trat ein.

„Was gibt es so Wichtiges?" fragte sie dann ruhig.

„Ich möchte das St. Mungo verlassen." meine Stimme klang völlig ruhig, als würde ich über das Wetter reden. Wobei... beim Wetter kann es sehr emotional werden. Es war eher so wie bei Professor Bims, monoton, was mich an mich selbst zweifeln lies? Gerade war ich noch so aufgeregt gewesen. Und nun? War ich tot? Nein, in mir tobte ein Vulkan an Gefühlen, aber wenn ich diesen auch nur ein kleines bisschen geben würde, würde es nicht über mich bringen, zu gehen. Dann könnte ich nicht einen klaren Gedanken fassen, geschweige denn so eine wichtige und gleichzeitig so schmerzhafte Entscheidung wirklich umzusetzen.

„Gibt es einen Grund für die Eile? Ich meine, sie hätten schon vor drei Monaten gehen können. Warum jetzt? Liegt es an ihrer Stellung? Wenn es das ist, sie können jederzeit als Heiler auf der Station arbeiten, mit einer ordentlichen Anstellung."

Hu? Ich war überrascht. Mehr noch; verwirrt. Ich beschloss ihr Angebot einfach zu ignorieren. War gerade nicht fähig, darüber nachzudenken. Ich schaltete innerlich um. Ich fand vieles, was Vater gemacht hatte, falsch, trotzdem war ich ihm gerade dankbar für das, was ich durch ihn lernen durfte. Ich stellte mir Vater vor, was er wohl in so einem Moment sagen würde. Es war nicht schwer und die Worte kamen klar und ruhig: „Es gibt einen Grund, Miss, aber ich möchte bitten, diesen nicht weiter elaborieren zu müssen." Das war die Sprache, die mein Vater benutzte, wenn er andere manipulierte. Es hatte auch gute Seiten, im Malfoy Manor aufgewachsen zu sein. Aber nur wenige.

„Ich verstehe." antwortete sie sofort viel kühler als zuvor. Es funktionierte, aber ich machte es nicht gerne, es fühlte sich falsch an irgendwie und meine Abscheu vor mir selbst wurde beinahe erdrückend. Ich wusste, dass ich hier so schnell wie möglich raus musste.

„Danke. Ich darf sie bitten, meine Identität vor allem und jedem zu bewahren..."

„Seien sie unbesorgt. Ich habe ein unbrechbares Versprechen abgelegt, wie alle hier, dass wir keinen Namen weitergeben."

„Ich versichere ihnen, dass ich das sehr schätze."

„Das ist selbstverständlich." Es war erstaunlich, wie schnell die Nähe sich in Ferne verwandelte, wenn man so redete. Ich hatte es oft bei meinem Vater erlebt und trotzdem war es eindrücklich, es selbst zu sehen. „Sie haben ihren Zauberstab?" fragte sie routiniert. Ich nickte. „Dann bleibt nur noch ihr Umhang. Sie können ihn hier lassen. Durch diese Tür kommen sie an Treppen, wenn sie ganz nach unten gehen, erreichen sie einen Ausgang. In einem Umkreis von zwei Metern vor der Tür können sie apparieren, aber das wissen sie ja bereits."

Ich nickte, legte den Umhang ab und drapierte ihn auf der Lehne. „Vielleicht klingt es seltsam, aber ich bin ihnen sehr dankbar für ihre Hilfe." sagte ich, in der Hoffnung, ihr keinen so schlechten Eindruck zu geben wenn ich so plötzlich ging und wand mich zu der Tür, die etwas versteckt hinter einem Pflanzenkübel lag. Als ich sie öffnete, sagte Miss Allencomb „Vielleicht klingt es auch seltsam, Mister Malfoy, aber auch ich bin ihnen sehr dankbar für ihre Hilfe. Durch das, was sie hier gemacht haben, haben sie einer ganzen Menge an Besuchern hier geholfen."

Ich konnte nur nicken, versuchte es möglichst zu ignorieren, fühlte den Ekel wuchtig heranwogen, drängte verzweifelt die Erinnerung an Nummer 14 best möglichst weg, bewegte mich Richtung rettende Tür. Ich fühlte mich mies. An der Tür scheuchte ich noch die beiden Kurgeln von meiner Schulter und trat hindurch. Doch bevor ich die Türe schliessen konnte, sagte sie noch etwas, etwas, dass mein eh gerade etwas wackliges Selbst noch mehr zum Schwanken brachte.

„Mister Malfoy. Sie sollten wissen, das sie ein sehr seltenes Geschenk erhalten haben, während sie hier waren. Sie wissen vermutlich, dass normale Hexen und Zauberer nur einfache Heilungszauber ausführen können."

Ich verstand nicht, worauf sie hinaus wollte, nickte aber, denn das wusste ich wirklich, wollte nur weg hier, bevor ich einfach umkehrte und zu Nummer 14 zurück rennen würde.

„Für die richtigen Heilzauber muss der Zauberer oder die Hexe sich selbst vergessen können. Nichts darf in dem Moment zwischen ihr und ihrem Patient stehen, nicht einmal sie selbst. Vor allem nicht sie selbst. Mister Malfoy... wie immer sie das auch gemacht haben, aber sie können das. Besser als viele Heiler, die ich kennengelernt habe, einschliesslich mich selbst. Wenn sie nicht wissen, was sie jetzt machen sollen, St.Mungo steht ihnen jederzeit offen. Sie würden einen guten Heiler abgeben."

„Danke." krächzte meine Stimme, dann schloss ich die Tür hinter mir, rannte beinahe panisch die Treppe hinunter, jeweils mehrere Stufe auf einmal nehmend. Ich würde mich mit dem „danach" beschäftigen müssen, so schwer es mir gerade fiel, auch nur daran zu denken. Es fühlte sich an, als ob ich mich aus meinem Zuhause vertrieben hätte . Aber ich war schon viel zu lange hier und nahm anderen den Platz weg, den ich nicht mehr brauchte. Es war richtig zu gehen. Der richtige Weg ist meistens der Schwerste.

Bei der Tür angekommen, hatte ich mich entschieden, zuerst ins Manor zu gehen und dann vermutlich in den tropfenden Kessel. Und dann würde ich einen Weg suchen müssen, wie ich weiterleben wollte. Im Moment fühlte ich mich mehr tot als lebendig. Nein, nicht tot. Kalt, mit einem heissen Kern blanker Wut – auf mich selbst. Und nun wollte ich ins Manor, um dort unter zu kriechen und meine Wunden zu lecken. In dem Moment hasste ich mich, hasste ich das, was sich war. Den feigen, egoistischen Ex-Todesser, der nun auf weinerlichen Schwächling machte. Nein, ich konnte nicht zurück. Weder in die eine noch in die andere Welt. Ich holte aus einem Impuls heraus mir ein Bild vor Augen, dass mir schon einigermassen bekannt war und apparierte.

Ich stand nicht vor dem Manor, sondern in einer Hütte aus runden, aufeinandergelegten Stämmen, an deren Innenseite grosse Bären mit weisser Farbe gemalt waren. Sie lag irgendwo in den Rockys und hier war ich gewesen, als ich die Zweigliedrigen Baumflügler gesucht hatte. Sie war mitten im Nirgendwo, weitab von aller Zivilisation. Die meisten die hier her kamen, apparierten von hier aus auf Sicht weiter, das hatte der Autor in dem Buch wenigstens empfohlen. Wenn jemand hier her kam. Ich konnte mir keinen wirklichen Grund vorstellen, warum jemand hier her kommen sollte. Vielleicht er suchte Zweigliedrigen Baumflügler oder wollte sich irgendwo verkriechen. Ich apparierte ein paar Hügel weiter und sah mich dann suchend um, bis ich einen Baum ansteuerte, der grosse, ausladende Äste hatte. Ich setzte mich, lehnte mich an den Stamm und beschloss, dass es das Beste sein würde, erst einmal mich zu beruhigen und dann zu überlegen, wie weiter.

***

Was ich bisher immer über den Umhang mit dem Verhüllungszauber gesagt oder gedacht hatte, ich leistete Abbitte; Ich war unendlich froh, dass er mein Gesicht nicht sehen konnte, als ich mich endlich überwunden hatte, das zu sagen. Mein Gesicht glühte und ich war mir seines Armes, der über meiner Schulter lag, sehr bewusst.

Ich weiss nicht, was ich erwartet hatte, aber nicht, dass gar nichts passierte. Er hätte ja sagen können, oder dann lassen wir ihn mal schnell um ziehen oder so was. Oder er hätte einfach nur seinen Arm anwinkeln können und mich an sich ziehen. Aber... nichts? Ein seltsames Gefühl schaffte es, sich durch den Mantel der Euphorie zu bohren, ohne den ich vermutlich nicht einmal den Mut gefunden hätte, etwas zu sagen.

„Es geht nicht! Wir leben in zwei verschiedenen Welten." hörte ich dann seine Stimme. Uh? Für einen Moment hielt der Rest der noch vorhandenen Euphorie noch den Sinn seiner Worte von mir fern. Während ich noch da sass und nicht erfasste, was er da gerade gesagt hatte, nahm er den Arm von meiner Schulter, bahnte sich einen Weg aus dem Sessel, stand auf und ging.

BAMM. Das bisschen Glücksgefühl, dass ich mir noch erhalten hatte, verpuffte, während er im Gang verschwand. Eine lange Weile sass ich einfach in der gleichen Position im Sessel und starrte einfach in den Gang, in dem er gerade verschwunden war, auf eine schnelle Rückkehr hoffend. Ich streckte meine Hand nach Tar aus um ihn zu streicheln und mich zu beruhigen, als er losrannte, von mir auf die Lehne des Sessels und auf den Boden und davonstürmte. Was war ihn ihn gefahren? Sonst war er immer kaum von meiner Schulter weg zu bekommen. Mein Zeitgefühl verliess mich, während ich einfach so da sass konnten einige Minuten oder auch einige Stunden vergangen sein, bis sich etwas in mir regte: Ich hätte mich in dem Moment Ohrfeigen können. Das war vermutlich das Dämlichste, was man als Liebeserklärung sagen konnte. Hatte er es so verstanden, dass ich mit ihm zusammen sein wollte? Oder hatte er etwas völlig anderes...? Ich liess den Impuls, aufzuspringen, ihm hinterher zu laufen und es ihm richtig zu sagen, passieren und beruhigte mich erst einmal. Vor allem kämpfte ich gegen den Kloss. Es wäre noch schlimmer, würde ich vor ihm stehen und dann kein Wort heraus bekäme. Als es etwas besser ging, stand ich auf, immer noch verwirrt seinem Verhalten und sah mich um, begann die beiden zu suchen, fand aber weder ihn noch Tar. Vielleicht im Zimmer? Ein kurzer Blick unter die Betten und den Schrank. Nicht da. Es war leer. Unser Zimmer? Mein Herz klopfte auf einmal so stark, dass ich richtig es spüren konnte. Aber das Bild veränderte sich nicht. Ein unbehagliches Gefühl beschlich mich, drückte mir die Luft ab und die Welt drohte wieder in gleisender Helligkeit zu versinken. Nein! Ich atmete konzentriert, ging eilig zu seinem Zimmer und schaute dort hinein. Auch leer. Nicht einfach leer, sondern richtig leer. Es lagen keine Sachen von ihm mehr darin. Es wurde noch etwas heller und fast panisch rannte ich zu unserem Zimmer zurück, schaute genauer, während ich mich an einen kleine, unrealistische Hoffnung klammerte, die aber zerbrach, kaum war ich eingetreten. Leer. Alle seine Sachen waren weg! Nein! Bitte nicht! Lass es nicht wahr sein!! Ich stürzte zu Miss Allencomb, fragte, ich glaube ich schrie dabei: „Wo ist Nummer 17?"

Sie deutete auf den Stuhl in ihrem Zimmer, wo ein Umhang lag und auf dem Umfang drängten sich Tur und Tar aneinander, als würden sie sich trösten. „Er ist nur kurz nach draussen gegangen, nicht?!" fragte ich zitternd und das Weiss eroberte mehr von meiner Welt. Ich sah noch Miss Allencomb auf ihre Stuhl sitzen, umgeben von konturlosem Weiss. Der letzte, winzige Strohhalm...

...zerbrach, als sie den Kopf schüttelte. „Er ist gegangen."

„Er kommt bald wieder." murmelte ich, drehte mich um und ging taumelnd mit einigen Anstrengungen zurück auf unseren Sessel, setzte mich hin und wartete. Er kommt wieder, er würde sicher wiederkommen. Er war immer da. War immer wieder gekommen... Bis das Weiss alles andere auslöschte.

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