Pistazieneis zum Frühstück

By KnownAsTheUnknown

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„Wieso isst du jeden Tag Pistazieneis?", fragte ich (...). „Ich mag keine andere Sorte", sagte sie, als wär... More

Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Epilog
Nachwort

Kapitel 35

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By KnownAsTheUnknown

„Ich hab das schon länger nicht mehr gemacht. Also sei nicht zu streng mit mir."

„Ally", meinte ich ruhig. „Wie oft hab ich mich schon vor dir blamiert? Wir sind da sowieso im Ungleichgewicht – wird Zeit, dass du das ausgleichst."

Schmunzelnd schüttelte sie den Kopf und richtete dann den kleinen Hocker, der vor dem Flügel stand. Ich musterte sie genau, als ihre Finger über den weißen und schwarzen Tasten des Klaviers schwebten und sie versuchte, sich an die Noten zu erinnern. Zaghaft begann sie eine kleine Melodie zu spielen, die für mich wie ein Schlaflied klang. Und dann setzte sie noch einen drauf und katapultierte mich aus meinen Socken.

Now the night is coming to an end", sang sie. Ihre Stimme klang unbeschreiblich weich, verletzlich und verdammt, ich hätte sie gerade so gerne geküsst und meine Hände in ihrem dunkelblonden Haar vergraben, aber ich wollte nicht, dass sie zu spielen aufhörte. „The sun will rise and we will try again."

Etwas durch den Wind packte ich meine Kamera aus. Ja, ich machte definitiv Fortschritte als Fotograf. Immerhin hatte ich sie diesmal nicht vergessen. Im Gegenteil: Ich hatte, kaum, dass wir angekommen waren, wundervolle Bilder von Gryffindor und Ally geschossen, die einen Platz auf jeder Wand meiner Wohnung verdient hätten.

In diesem Moment war Ally allerdings so in dem Lied versunken, dass sie überhaupt nicht bemerkte, was ich tat. Bis das leise Klicken des Auslösers zu hören war und ihr Blick zu mir schnellte.

Ein falscher Ton. Noch einer. Stille.

„Hast du gerade ernsthaft ein Bild von mir gemacht?" War das eine Drohung? Es klang so drohend. Es klang nicht gut.

Aber ich drückte nur wieder auf den Auslöser und fing Allys säuerlichen Blick ein. „Nein, würde ich niemals tun", gab ich grinsend von mir.

„Du bist mit Abstand der größte Idiot, der mir je untergekommen ist."

„Dann musst du ja noch bescheuerter sein, wenn du dich immer noch mit mir abgibst."

Sie stand auf und trat zu mir. „Schau. Schau dir diese Glaswand an", meinte sie plötzlich und zeigte auf das überdimensionale Fenster in diesem Raum, das tatsächlich fast die gesamte Wand ausfüllte. Von hier sah man einen kleinen Garten, mehrere Nachbarhäuser und in einiger Ferne erkannte man Bradburys Aussichtsturm – das Wahrzeichen der Stadt.

„Was ist damit?", fragte ich und runzelte die Stirn.

„Du hast mich gerade auf eine Idee gebracht. Theoretisch konnte man doch die Scheibe einschlagen und ungebetenen Gästen einen klitzekleinen Schubser geben." Herausfordernd sah sie mir in die Augen.

„Gut, dass ich kein ungebetener Gast bin, was?" Ich lehnte meine Stirn an ihrer an und schloss die Augen. Atmen, Ben. Bloß nicht vergessen, Luft zu holen.

Im nächsten Augenblick gab uns Allys Mutter mit einem lauten Ruf Bescheid, dass das Essen fertig war und wir entfernten uns voneinander.

Genau wie ihre Mum, wirkte auch Allys Vater recht locker. Sein kariertes Hemd hatte er bis zu den Ellbogen aufgekrempelt, die dunklen Haare wiesen schon einige graue Strähnen auf, was ihn aber nicht zu stören schien und seine Augen waren hinter einer modernen Brille mit großen Gläsern und breitem Rahmen verborgen.

„Jonathan", stellte er sich vor, als er mit einem offenen Lächeln meine Hand schüttelte.

„Ben", gab ich zurück. Irgendwie fühlte ich mich neben ihm wie ein kleiner Junge. Ich ertappte mich dabei, absichtlich mit tieferer Stimme gesprochen zu haben.

„Martha hat heute extra für dich Kürbiscremesuppe gekocht, Allison", teilte uns ihre Mutter mit. Okay, scheinbar hatten sie eine Köchin. Der Tisch war bereits gedeckt und ich fragte mich, ob auch das vom „Personal" übernommen wurde.

„Mhm", machte Ally nur wenig enthusiastisch. Sie sah allgemein eher aus, als wäre ihr so schlecht, dass sie keinen Löffel Suppe runterbringen würde.

Wir setzten uns an den rechteckigen Holztisch und Allys Mum fasste allen ein, während ihr Dad mich fragte: „Ich habe gehört, du studierst Fotografie? Wie geht es dir denn dabei?"

„Ich könnte mir kein besseres Studium für mich vorstellen. Auch wenn ich nicht unbedingt vorhabe, in einem Studio Models in Designerkleidung abzulichten oder so. Am liebsten würde ich was im Bereich Eventfotografie machen. Wo man versucht, echte Gefühle einzufangen und nicht nur so tut als ob." Ich unterdrückte den Drang, mich verlegen am Hinterkopf zu kratzen. Redete ich zu viel? Zu schnell? Kam ich wie ein Volltrottel rüber, wenn ich so was sagte?

„Das klingt interessant", stellte Allys Mutter lächelnd fest und die Anspannung fiel ein wenig von mir ab.

Die nächsten Minuten über schwiegen wir und jeder löffelte für sich seine Suppe. Wow, das Zeug schmeckte wirklich, als hätte es ein Engel gekocht. Ich hätte ja gern ein Kompliment deswegen ausgesprochen, aber wenn Allys Mum nicht mal selbst gekocht hatte, kam das irgendwie komisch rüber. Eine tolle Köchin haben Sie ausgesucht! – wie bescheuert wäre das denn? Außerdem wollte ich nicht, dass sie mich für einen Schleimer hielten.

„Wir waren neulich mit den Farroways essen", nahm Allys Mum das Gespräch wieder auf. Farroway... Da war doch was. Hieß nicht Mason so? Achja! Dann war Mikes Mason von dem Interview tatsächlich Allys Mason. „Sie haben erzählt, dass Mason sich auch eine Wohnung in der Stadt gesucht hat. Er hat dort wohl schon irgendein tolles Jobangebot bekommen."

„Mhm." Ally nickte knapp.

„Du hast ihn ja schon getroffen, seit er wieder hier ist, stimmt's?"

„Ja, er hat mir zum Geburtstag gratuliert."

„Hast du ihn auch schon kennengelernt, Ben? Ally wird doch bestimmt von ihm erzählt haben, er ist immerhin ihr bester Freund."

Die Frage traf mich irgendwie unvorbereitet und ich musste kurz husten, da ich mich verschluckt hatte. „Äh-äh, ja", stammelte ich. „Ich hab ihn auch an Allys Geburtstag gesehen."

„Ein netter junger Mann. Und schon so erfolgreich in dem Alter!", schwärmte sie weiter.

„Mama." Ally funkelte sie böse an. „Es passt schon wieder."

„Ach, du hast Recht." Sie lachte. Sie hatte ein schönes Lachen. Es klang irgendwie so herrlich unbeschwert.

Nach der Suppe holten Ally und ihre Mum eine Auflaufform mit Ratatouille und einen Korb mit Knoblauchbaguette.

„Habt ihr etwa auch eine Ratte?", fragte ich, ohne groß nachzudenken. Plötzlich lagen drei Augenpaare auf mir und blickten mich völlig verwirrt an. Natürlich musste ich im nächsten Moment rotwerden. „Also...", setzte ich zu einer Erklärung an. „Es gibt da so einen Kinderfilm namens Ratatouille. Habt ihr den nicht gesehen?"

„Nein...", antwortete Ally zögernd, aber ich erkannte ein kleines Schmunzeln in ihrem Gesicht. Ihre Eltern taten so, als hätten sie mich nicht einmal gehört, wofür ich ihnen ziemlich dankbar war.

Während dem restlichen Essen erzählte Allys Mum ein paar Anekdoten von ihrer Arbeit als Immobilienmaklerin – verlorene Schlüssel, eingesperrte Interessenten, falsche Adressen. Es waren ziemliche Peinlichkeiten, aber gerade das machte diese Frau irgendwie sympathischer und ich zweifelte keine Sekunde daran, dass ich die gleichen oder schlimmere Fehltritte machen könnte.

„So. Dann hole ich mal die Crème brûlée", verkündete sie schließlich.

„Ähm, ich werde nur kurz auf die Toilette gehen", sagte ich gleich darauf und ging ins Badezimmer. Puh. Es tat gut, mal einen Moment lang unbeobachtet zu sein und sich nicht lauter Sorgen zu machen, etwas Falsches zu sagen oder unhöflich zu wirken. Um nicht den Anschein zu erwecken, dass ich hier ein längeres Geschäft aushandelte, wollte ich wenige Minuten später wieder ins Esszimmer zurück gehen, – so viel zu weniger Sorgen – doch ich hielt mitten am Flur inne.

„Wie kannst du erwarten, dass wir dich wie eine Erwachsene behandeln, wenn du dich wie ein Kind benimmst?", zischte Allys Mum aufgebracht.

„Was soll das heißen wie ein Kind?", kam es von Ally ebenso patzig zurück.

„So unglaublich naiv. Ich dachte, wir hätten dir gelernt, dass du gewisse Wahrheiten erkennst. Aber wie stellst du dir dein Leben vor? Wovon willst du leben?"

„Nur weil er kein steinreicher Anwalt oder Mediziner ist, heißt das nicht, dass ich mit ihm auf der Straße lande, Mama! Man kann auch ohne teuren Sportwagen und so ein durchdesigntes Haus wie das hier ein gutes Leben führen."

„Aber es ist nicht das Leben, das du haben solltest."

„Wir haben uns schon weichklopfen lassen, als es um dein Studium gegangen ist", mischte sich nun ihr Dad ein. „Was hast du mit diesem Kerl nun wirklich vor? Ist das noch einmal deine Art, uns zu sagen, wie sehr zu deine Kindheit verabscheust und alles, was wir dir ja angeblich angetan haben?"

„Indem wir dir alles ermöglicht haben, wovon andere Kinder nur träumen konnten", fügte ihre Mum wieder hinzu. „Was willst du denn noch?"

„Ich will, dass ihr aufhört, euch so sehr in mein Leben einzumischen! Das mit Ben geht euch rein gar nichts an."

„Natürlich geht es uns etwas an! Was werden die Leute wohl sagen, wenn unsere Tochter mit einem albernen Fotografen durchbrennt, der keine zwei Sätze ohne Ääähs rausbringt und naiven Träumereien nachhängt?"

„Sie werden sagen Oh seht nur, da ist Ally und sie sieht verdammt hübsch aus in ihrem weißen Kleid!", gab sie schnippisch zurück. „Könnt ihr bitte einmal nicht ihr selbst sein und euch nicht querstellen, wenn es darum geht, was ich will?"

„Das hatten wir schon mal – bei deinem Studium. Und ach ja, du hättest fast deine Förderung verloren", bemerkte ihre Mum wieder.

„Die ich natürlich nötig habe, bei eurem Einkommen."

„Richtig. Unser Einkommen."

„Was ist denn eigentlich mit Mason und dir?", hakte ihre Mutter jetzt ruhiger nach.

„Mama!"

„Was? Ihr habt euch doch immer gut verstanden und-"

„Hör auf!"

„Aber-"

„Halt die Klappe!"

„Allison, rede nicht so mit deiner Mutter."

Mir war schlecht. Absolut schlecht. Dass ihre Eltern derart gute Schauspieler waren, während sie mich tatsächlich absolut nicht ausstehen konnten und in mir die obdachlose Zukunft ihrer Tochter sahen, hätte ich beim besten Willen nicht erwartet.

Überraschend gefasst setzte ich einen Fuß vor den anderen und betrat das Esszimmer.

„Sie hat kein Recht zu bestimmen, wie ich mit ihr rede. Sie sollte am besten nie wieder irgendwas in meinem Leben bestimmen!" Ally schrie beinahe.

Doch als sie mich sahen, verstummten sie alle.

„Mister und Mrs Dyer", fing ich an. „Es war schön, sie kennenzulernen. Aber ich denke, Allison und ich fahren jetzt nach Hause."

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~KnownAsTheUnknown

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