So zu tun, als ob | Sweet Amo...

By LizAutumn

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-- Fortsetzung von "Der unnahbare Schülersprecher?" -- Wer hätte gedacht, dass Nathaniel sich vom unnahbaren... More

- Trailer -
1. Novembergefühle
2. Es liegt nicht an dir
3. Überraschung im Schnee
5. Unvergängliche Liebe
6. Das Versteckspiel beginnt
7. Countdown
8. Neues Jahr, altes Problem
9. Ein bunter Morgen
10. Glück? Was ist das?
11. Chaos pur
12. Anders als erwartet (Nathaniels POV)
13. Wahre Gesichter
14. Pflicht und Wahrheit
15. Glück ist Liebe, auch im Unglück
16. Entschärfung
17. Spannung in der Luft
18. Dünnes Eis
19. Abrupter Frust
20. Der Alltag ruft
21. Nicht gut genug
22. Ein Blick in die Zukunft
23. Klassisches Drama
24. Von Wut zu Dankbarkeit
25. Erste Zukunftsstrukturen

4. Die blaue Blume

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By LizAutumn

"N-Nathaniel, du ... du bist ganz blass ..."
Er hält sich eine Hand an die Stirn, drückt mit dieser leicht dagegen und kneift die Augen zusammen.
"Geht es dir gut?!", frage ich nun verunsichert sowie besorgt.
Seine Fingerspitzen streichen leicht von rechts nach links, als würde er damit versuchen sich wieder zu beruhigen und entspannen. Ich neige den Kopf leicht zur Seite, lasse Nathaniel aber keine Sekunde aus den Augen und mustere ihn stattdessen genauestens.
"Ja ... Ja ...", gibt er leise zurück.
"Bist du dir sicher?"
"Ich ..."
Er macht seine Stirn wieder frei und öffnet die Augen, um mich anzusehen. Sein Gesichtsausdruck zeugt nun nicht mehr von Anstrengung, sondern Enttäuschung.
Habe ich vorhin etwas falsches gesagt, dass er sich plötzlich so merkwürdig verhält?
Erneut sieht er auf seine Armbanduhr. "Ich muss jetzt wirklich gehen ..."
"O-Okay ..."
"Wir sehen uns in der Schule." Ein leichtes Lächeln lässt sich in seinem Gesicht erkennen.
"Bis dann", verabschiede ich mich von ihm und winke, doch er hat sich bereits umgedreht und sieht es nicht.
Verwirrt sehe ich ihm nach.
Dieses kurze Gespräch ist doch eigentlich nicht schlecht gelaufen ... Was ist plötzlich in ihn gefahren?!

Am letzten Schultag, und Tag des Wichtelns, ist es kälter als die Tage zuvor. Die Schneeschicht geht mir bereits bis zum Knöchel und meine Nase beginnt direkt zu laufen, sobald ich einen Fuß vor die Tür setze.
Mr. Faraize hatte die süße Idee, den gesamten heutigen Tag keinen Unterricht zu machen und stattdessen gemeinsam in Weihnachtsstimmung zu kommen. Schließlich ist morgen bereits Heiligabend.
Dieses Jahr habe ich mir nichts konkretes von meinen Eltern gewünscht, denn das, was ich mir am meisten wünsche, können sie mir nicht kaufen.
Ein wenig geknickt drücke ich mein Geschenk für Kentin in den Händen zusammen. Das dunkelgrüne, mit Schneemännern und Lebkuchen verzierte, Geschenkpapier schimmert mir entgegen und raschelt zugleich.
Neben mir sitzt Rosalia, die ihr Geschenk ebenfalls in der Hand hält. Natürlich hat sie eher ein Händchen für die Ästhetik, denn ihre selbstgefaltete, riesige Goldschleife und die im Karomuster angeordneten silbernen und roten Geschenkbänder lassen meine Verpackungskünste mehr als alt aussehen.
"Ich hätte besser dich mein Geschenk einpacken lassen sollen", lache ich sie an.
Bevor sie antwortet, wirft sie einen genaueren Blick auf meine Fähigkeiten. Sie grinst und nickt bestätigend.
"Aber so ist es viel persönlicher", merkt sie an. "Für wen ist denn das?"
Für sich selbst sprechend halte ich ihr mein Geschenk genauer unter die Nase. Mit goldfarbenem Edding habe ich Kentin und einen kleinen, lächelnden Smiley dahinter auf das Papier geschrieben.
"Süß", kichert sie. Anschließend zeigt sie mir ihre Beschriftung.
"Lysander?"
"Ja!"
"Und du hast nicht geschummelt, indem du getauscht hast?"
"Tzz", schmollt sie, "als hätte ich sowas nötig!"
Ein, für kurze Zeit unterdrücktes, Lachen entwischt meiner Kehle. Im selben Augenblick ist Mr. Faraize fertig damit, sein mitgebrachtes Weihnachtsgebäck auszupacken.
"Hätten wir nicht auch selber backen können?", erkundigt sich Melody.
"Das hatte ich zunächst vor mit euch aber die Schule besitzt nunmal keinen Backofen."
"Zu schade ..."
"Ich hätte eh keine Lust gehabt mir die Finger schmutzig zu machen", gibt Amber ungefragt ihre Meinung dazu.
Armin kontert: "Aber du hättest dann locker trotzdem alles weggefressen, was?"
"H-HALLO?!"
Bis auf ihre zwei Freundinnen, muss der Rest der Klasse schmunzeln. Nicht mal unser Lehrer gibt sich Mühe so zu tun, als hätte er das nicht gehört oder lustig gefunden. Folglich öffnet er die Dosen, in denen sich die Knabbereien befinden. Ich muss zu Kentin rüberschauen, der sich bereits genüsslich über die Lippen leckt. Er scheint jetzt schon die Kekse schmecken zu können.
"Bedient euch!"
Das lässt der brünette, ehemalige Militärsschüler sich nicht zweimal sagen. Er springt auf, als ginge es bereits um den letzten Keks. Erneut müssen einige darüber kichern.
Nachdem die Stimmung weiter aufgelockert und die Bäuche gefüllt sind, klatscht Mr. Faraize zweimal in die Hände um unsere Aufmerksamkeit auf ihn zu richten. Ein paar begeben sich zurück auf ihre Plätze, darunter Alexy, der sich zu Rosalia und mir gesellt hatte.
"Ich werde jetzt all eure Wichtelgeschenke an mich nehmen und sie dann austeilen."
Bereits während er spricht beginnt er die einzelnen Päckchen an sich zu nehmen, indem er sie in einer großen Tüte sammelt. Wäre es ein brauner Sack und er selbst deutlich älter, mit Bart, könnte man ihn schon beinahe als Weihnachtsmann identifizieren.
Infolgedessen macht er seine Ankündigung wahr und überreicht jedem nach und nach sein Geschenk. Manche können ihre Vorfreude gar nicht im Zaum halten und grinsen bis über beide Ohren, als sie es halten. Andere wiederum verziehen die Mundwinkel nicht, und wenn doch dann höchstens nach unten. Darunter Castiel, der sein Geschenk mit Skepsis entgegen nimmt. Er dreht es ein wenig in seiner Hand, um es auch von allen Seiten zu begutachten. Es ist allerdings relativ klein gehalten, wodurch es nicht viel zu inspizieren gibt. Letztendlich schüttelt er es einmal und legt es dann wieder vor sich, auf dem Tisch, ab. Sein mürrischer Gesichtsausdruck dabei macht Knecht Ruprecht alle Ehre.
Auf einmal bekomme ich ein Geschenk vor die Nase gesetzt. Ich war so fixiert auf Castiels Reaktion, dass ich schon wieder vergessen habe, dass ich auch noch etwas erhalte. Ich muss lächeln, als ich es sehe. Von der Verpackungsweise her würde ich annehmen, dass mein Geschenk von einem Jungen kommt. Er wurde mühevoll selbst verpackt.
"Oh, warte, Lisa", hält mich Mr. Faraize davon ab, mit dem Auspacken zu beginnen. "Ich habe hier noch ein Geschenk für dich ..."
"Noch eins?!"
Nicht nur ich bin verwundert, sondern auch der Rest der Klasse, dem das nicht entgangen ist. Der Lehrer bringt eine weitere dunkelblau, leicht glitzernde Geschenkbox hervor, die oben drauf auch noch mit einer silbernen Geschenkrosette verziert ist, hervor.
"Das darf aber eigentlich nicht sein ..."
"Ich weiß auch nicht, wie es dazu kommt", gebe ich unschuldig zurück.
Er fragt alle Mitanwesenden: "Hat irgendjemand kein Geschenk?"
Erst jetzt bemerke ich, dass das bereits das Letzte ist, was er aus seiner Tüte greift. Niemand gibt ihm eine Antwort, woraus er schließt, dass dem nicht so ist und er mir zulächelt. "Dann wollte dir wohl jemand einfach so noch etwas schenken. Das ist doch auch schön!"
Er scheint sich über die Klassengemeinschaft zu freuen und geht, während ich, noch immer verwirrt, auch das zweite Geschenk an mich nehme.
"Was für eine Überraschung", lacht Rosalia leise, "mach sie beide auf!"
"O-Okay ..."
Noch völlig neben der Spur öffne ich zunächst das erste Geschenk. Möglichst achtsam, auch wenn das Papier im Endeffekt sowieso im Mülleimer landet. Rosalia öffnet derweilen auch ihres, doch ich bin schneller fertig.
"Ein Handtaschenspiegel", sage ich zu mir selbst und drehe ihn ein wenig in der Hand. Die Außenseite ist weinrot gefärbt und kleine, weiße Pünktchen sind rundum verstreut.
"Der ist ja süß!" Sie lächelt entzückt, als sie den Spiegel in meiner Hand entdeckt.
Ich öffne ihn, um mein Spiegelbild darin zu begutachten.
Da ich auch immer eine Haarbürste mit mir herum trage, ist ein Handtaschenspiegel keine schlechte Idee gewesen. Ich würde mich zu gerne bei der Person bedanken.
Ein Blick zu Rosalia verrät mir auch ihr Geschenk. Ein kleines Nähset. Für sie ist das mehr als perfekt. Sie strahlt auch über das ganze Gesicht. Ich wende mich wieder meinem Geschenk zu, doch da fällt mir das Zweite wieder ins Auge. Langsam ziehe ich es weiter an mich ran, nachdem ich das erste Geschenk in meine Tasche gesteckt habe.
Wirklich seltsam, dass mir noch jemand etwas geschenkt hat ... Nein, eigentlich ist es nur seltsam, dass die- oder derjenige es anonym macht und nicht persönlich. Ich frage mich warum ... Ich tue ja keinem was. Ganz im Gegenteil, ich hätte mich riesig darüber gefreut, wenn jemand aus meiner Klasse zu mir kommt und einfach so ein Geschenk für mich hat. Zudem kann ich mich dann direkt bei der Person bedanken und nicht wie jetzt, erstmal herausfinden müssen, von wem diese Aufmerksamkeit überhaupt kommt.
Ich öffne die Geschenkbox, was langsamer als zunächst gedacht funktioniert, und stoße auf eine weitere kleine Schachtel darin. Rosalia sieht mir mittlerweile leicht über die Schulter, neugierig wie sie ist. Den Deckel der Schachtel angehoben beginnt sich ein Flau in meinem Magen auszubreiten. Ein kleines Glitzern kommt mir entgegen und ich lege den Deckel zur Seite.
"Das ... ist voll schön!", staunt meine beste Freundin.
"Ja ..."
Es ist ein Anhänger, in der Gestalt einer blauen Blume. Ich nehme ihn raus und stelle fest, dass er wirklich klein und somit leicht zu verlieren ist. Ich lasse ihn für einen Moment in meiner Hand liegen, starre drauf. Rosalia entfernt sich wieder ein wenig von mir.
Wer schenkt mir sowas? Dieser Anhänger ist wirklich schön ... Mit Tendenz zu Edel. Allerdings bin ich mir noch nicht sicher wo dran genau er befestigt werden kann. Für einen Schlüsselbund ist er deutlich zu klein ... Vielleicht eine Kette? Aber warum?
Den Kopf voller Fragen, drehe ich mich zur Seite, um meinen Blick in der Klasse umher schweifen zu lassen. Niemand beobachtet mich oder wartet meine Reaktion ab. Alle sind auf irgendeine Art und Weise mit sich selbst beschäftigt.
Ich muss herausfinden von wem das kommt!

Auf dem Weg nachhause lässt mich das zweite Geschenk noch immer nicht los. Wie soll ich das nur herausfinden, wenn heute der letzte Schultag war? Zwei Wochen kann ich aber auch nicht warten, das wäre die reinste Folter! Seufzend lege ich den Kopf in den Nacken.
Am liebsten würde ich gerade schreien, zumal ich allmählich in Verzweiflung und Ratlosigkeit gerade. Ich könnte jeden Einzelnen aus der Klasse fragen aber woher will ich wissen, dass man mir auch die Wahrheit sagt?!
Zumindest hat Kentin sich über mein Geschenk gefreut. Ich konnte nicht anders als ihn zu fragen, wie er es findet und da er nicht dumm ist, hat er sofort verstanden, dass es von mir kommt.
"Hey, Kleine."
Ich schrecke leicht auf bei der Begrüßung und richte meine Sicht wieder nach vorne aus, ehe ich Castiel in die Augen schaue.
"Ich habe auf dich gewartet."
"... Ehrlich?"
"Natürlich."
"Ähm ... Danke aber warum?"
"Einfach so. Komm, lass uns zusammen weitergehen."
Sein Gesichtsausdruck bleibt neutral, ich lächle und nicke.
"Was hast du geschenkt bekommen?"
"Ach", antwortet er abwertend, "es interessiert mich gar nicht."
"Du hast es noch nicht geöffnet?!"
"Kluges Mädchen." Er grinst.
"Castiel ..."
"Was?"
"Das kannst du nicht machen. Irgendjemand hat sich den Kopf zerbrochen darüber, was er dir schenken kann!"
"Pff. Ich habe dir bereits gesagt dass es mir egal ist, solange es nicht von dir oder Lysander kommt. Ihr habt aber beide jemand anderes was schenken müssen."
"Komm schon, öffne es sobald du zuhause bist. Vielleicht hat Iris dir etwas besorgen müssen? Sie magst du doch auch!"
"Joa ..."
"Sei nicht so ..."
Eine Weile sagt er nichts mehr, bis er auf einmal auflacht.
"Was ist so komisch?", frage ich, mit einem schiefen Grinsen, nach.
"Es ist immer wieder lustig, wie du versuchst mir etwas vorzuschreiben."
"Tue ich doch gar nicht", schmolle ich. "Nur manchmal muss ich deine Manieren wieder hervorholen."
"Pah."
Ich muss kichern.
"Wie hat dir eigentlich mein Geschenk gefallen?"
Mir stockt der Atem, sobald er diese Frage fertig ausgesprochen hat. Ich kann nicht anders, als stehen zu bleiben. Mit verwundertem Gesichtsausdruck bleibt er das ebenfalls, bis er wieder auf mich zukommt.
Ist die blaue Blume etwa von ihm?
"Was ist los?"
"Ich, ähm ..."
"Hat es dich etwa sprachlos gemacht?"
Er kommt mir mit seinem Gesicht näher, mustert mich dabei und grinst letztlich wieder. Ich weiche seinem Blickkontakt aus, indem ich nach links und rechts abwechselnd schaue.
"Ich fresse dich schon nicht auf, wenn es dir nicht gefallen hat. Keine Angst."
"Ich habe keine Angst ..."
"Dann raus mit der Sprache, Kleine."
"Von ..."
Ich traue mich nicht ihn zu fragen, welches der beiden Geschenke von ihm stammt. Wenn die blaue Blume von ihm ist habe ich keine Ahnung was ich davon halten oder dazu sagen soll ...
Er kommt mir noch ein Stück näher, sodass unsere Nasenspitzen einmal aneinander stupsen.
"Ah", spricht er, "ich verstehe."
"W-Was?"
Vor Nervosität wird mir ganz heiß im Gesicht.
Er greift in eine seiner hinteren Hosentaschen, holt sein Portemonnaie raus und öffnet es. Ich verfolge jede seiner Bewegungen mit meinen Augen. Seine Finger zücken einen kleinen Zettel aus einem der Kreditkartenfächer raus und er faltet diesen anschließend auseinander. Lisa steht drauf, in Mr. Faraizes Handschrift geschrieben. Castiel hat mich also beim Wichteln gezogen!
"Der Spiegel kommt von mir", verdeutlicht er nochmal.
Ich sehe noch einmal auf den Zettel, dann in seine grauen Augen. Er packt den Zettel wieder weg, stellt sich aber nicht wieder aufrecht, sondern verweilt in dieser nahen Position, zu mir.
"Soll ich dir verraten, warum ich dir den geschenkt habe?"
Ich neige den Kopf leicht zur Seite und ziehe die Augenbrauen hoch.
"Weil Mädchen, wie du, erkennen müssen, wie hübsch sie eigentlich sind."
Ich wende meinen Blick von ihm ab, in der Hoffung dass er nicht erkennt, wie meine Wangen sich langsam erröten.
Dennoch wundert es mich, dass er sich das dabei gedacht hat. Er empfindet scheinbar immer noch etwas für mich ...
"Viel mehr kann ich dir auch nicht dazu sagen, ich bin schließlich nicht Lysander, aber ich denke das reicht. Oder?"
Zaghaft nicke ich, als Zustimmung. Er legt eine Hand auf meinen Kopf und wuschelt mir durch die Haare.
"Süß, wie du rot wirst durch sowas. Langsam weiß ich was dir gefällt."
"C-Castiel, hör auf ..."
Ich lache verlegen und schiebe seine Hand wieder weg.
"Trotzdem lässt du mich immer noch nicht weiter ran an dich."
Sein schelmisches Grinsen verschwindet wieder. Er seufzt einmal, zuckt dann mit den Schultern. Ich antworte nichts darauf, da ich keine passenden Worte parat habe.
"Lisa, Lisa, Lisa ...", stöhnt er auf und schüttelt mit dem Kopf.
Ich lächle ihn leicht an, in der Hoffnung dass er zurücklächelt. Schließlich tut er das auch.
Ich will mich verabschieden: "Vielen Dank aber für den Spiegel! Ich gehe dann jetzt von hier aus alleine weiter."
"Gerne ... Bist du dir sicher?"
"Ja, es ist doch auch nicht mehr weit."
"Okay."
Wir umarmen uns zum Abschluss, bis wir in verschiedene Richtungen abbiegen.

Zuhause liege ich in meinem Bett und lasse die blaue Blume, den Verschluss zwischen meinen Fingerspitzen geklemmt, über mir her baumeln.
Vielleicht hätte ich irgendwann vermutet, dass der von Castiel kommt, da er noch Gefühle für mich hegt aber er hat mir bereits den Handtaschenspiegel geschenkt. Und nun?
Es klopft an der Tür.
"Ja?"
"Schätzchen, schau mal, ich habe hier ein paar Kekse gebacken."
"Oh!" Meine Augen leuchten auf, als der Duft sich in meinem Zimmer verteilt.
"Ich stelle sie auf deinem Schreibtisch ab, okay?"
"Danke, Mama!"
"Gerne. Was hast du denn da schönes in der Hand?"
"Oh, das ..."
Meine neugierige Mutter ...
"Das habe ich von irgendjemandem geschenkt bekommen."
"Irgendjemandem?"
"Ja. Ich habe beim Wichteln zwei Geschenke bekommen und darunter das hier."
Ich halte ihr den funkelnden Anhänger hin. Sie nimmt ihn entgegen und betrachtet ihn von jedem Blickwinkel, der möglich ist.
"Mit vergoldetem Verschluss, wow. Der kann nicht billig gewesen sein!"
"Ja ..."
Seltsamerweise bekomme ich durch diese Anmerkung ein schlechtes Gewissen. Dass jemand viel Geld für mich ausgibt und ich mich nicht mal dafür bedanken kann, ist unfair ...
"Und du hast keine Idee, von wem der sein kann?"
"Nein, ich schwöre es dir!"
Sie setzt sich neben mich, die blaue Blume noch immer in der Hand haltend. Ihr Gesichtsausdruck sagt mir, dass sie gerade nachdenkt. Ich tue es ihr gleich, doch komme nicht weit, da meine Mutter mich unterbricht: "Hast du schon überlegt, warum es ausgerechnet eine blaue Blume ist?"
"Nein ..."
Aber das hätte ich vielleicht mal tun sollen.
"Ich denke da hat sich jemand mehr bei gedacht, als nur dass sie hübsch ausschaut."
"Meinst du?"
"Es würde mich wundern, wenn nicht", lacht sie herzhaft aus dem Bauch heraus. Sie reißt mich ein wenig mit, denn ich lächle wieder.
Aber wer würde sich ... Lysander! Lysander, der Poet. Deutsch-Ass. Der wohl nachdenklichste Mensch, den ich kenne. Bestimmt denkt er sogar mehr nach, als ich es schon immer mache. Das ergibt trotzdem irgendwie wenig Sinn ... Er mag mich, ohne jeden Zweifel, aber würde mir mit Sicherheit nicht sowas teures kaufen.
"Ich lasse dich mal weiter grübeln. Erzähl mir aber sofort wenn du näheres weißt!"
Mit diesen Worten gibt meine Mutter mir die blaue Blume zurück, in die Hand, und verlässt mein Zimmer wieder. Ich blicke ihr noch einen Moment nach, ehe ich wieder auf den Anhänger starre. Nach einigen Sekunden kommt mir plötzlich ein Gedankenblitz. Ich springe aus dem Bett auf, schnappe mir meinen Laptop und setze mich wieder auf die Bettkante.
Warum bin ich da nicht direkt drauf gekommen?! Logisches Denken ist bei mir wohl nicht vierundzwanzig Stunden die Woche verfügbar.
Ich tippe nur blaue Blume in der Suchmaschine ein und erhalte bereits mehrere Vorschläge, darunter die Deutung.
Genau das, wonach ich suche!
"Die blaue Blume ist ein zentrales Symbol der Romantik", beginne ich mir leise selbst vorzulesen. "Sie steht für ... Sehnsucht und Liebe ... Streben nach dem Unendlichen ... Erkenntnis des Selbst ..."
Ach, du meine Güte ...
Ich klappe den Laptop wieder zu und will das gerade Gelesene erstmal sacken lassen.
Wow. Mit so etwas tiefgründigem habe ich nun nicht gerechnet ... Das kann nur zu Lysander passen oder aber ... Nein!
Ich greife wieder nach dem Schmuckstück und beachte es genauer, indem ich den Fokus nur auf den Verschluss lege.
Diese Farbe ... Als ob ...
Den Laptop vom Schoß geworfen, laufe ich zu einer der Kommoden in meinem Zimmer und hole eine Schachtel aus dieser raus, in der sich das Armband, das mir Nathaniel zum Geburtstag geschenkt hat, befindet. Ich laufe zum Lichtschalter, um den mittlerweile leicht verdunkelten Raum zu erhellen, danach wieder zurück zur Bettkante, auf der ich zuvor noch saß. Eilig vergleiche ich das Material beider Geschenke miteinander.
Ein und dasselbe Roségold ...
Das kann nicht sein ...
Ich schließe die blaue Blume als weiteren Anhänger an das Armband dran. Es passt wie die Faust aufs Auge.
Nathaniel ...
Schnell lege ich es um mein rechtes Handgelenk an, bevor ich nach meinem Handy, das bislang auf dem Nachttisch lag, greife und nach Nathaniels Kontakt suche. Ohne großartig weiter nachzudenken wähle ich ihn an und der gewöhnliche Hörton erklingt. Mit jedem weiteren steigt mein Blutdruck. Mein Herz rast und mir liegt ein ganzer Felsen im Magen, denn er fühlt sich nur noch schwer an.
Sehnsucht und Liebe ...
Unendlich ...
Erkenntnis des Selbst ...
Sehnsucht ...
Liebe ...
"Lisa?"
"Komm sofort in den Park, ich will dich sofort sehen!"
Ich lasse ihn gar nicht erst weiter zu Wort kommen, lege stattdessen wieder auf, schlüpfe in irgendein Paar Schuhe und greife nach meiner Jacke sowie Tasche.
Ich glaube ich werde verrückt ...

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