Nemesis - Blut und Schwerter

Por veracrystall31

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>>Stellt keine Fragen, für deren Antwort Ihr nicht bereit seid.<< Nemesis sucht in dem magischen Land Koranée... Más

Prolog
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Info
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Epilog
Info zur Fortsetzung

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Por veracrystall31

Nach dem Schwertraining lief ich schnell aber lautlos zur Bibliothek. Dabei umklammerte ich mein schmerzendes und langsam anschwellendes Handgelenk. Es war nicht gebrochen, aber das auch nur sehr knapp.

Mit meiner unverletzten Hand öffnete ich die schweren Türen. Sofort stieg mir der beruhigende Duft von Papier, Staub und alten Büchern in die Nase.
Fenster gab es in der Burg nicht viele, aber hier schon. Eine ganze Wand entlang wechselten sich Regale mit Fensterscheiben ab, sodass die Bibliothek zu den am besten beleuchteten Räumen gehörte.

Unter Schmerzen, zu denen ich nur mit Mühe nicht das Gesicht verziehen konnte, machte ich mich auf die Suche nach der Bibliothekarin. Sie hatte in den letzten Monaten immer wieder meine Wunden notdürftig verarztet. Dies jedoch so, dass es nicht auffiel.
Sie war mir zugegebenermaßen ans Herz gewachsen. 

Als ich die inzwischen bekannten Regalreihen nach ihr absuchte, fand ich sie nicht.
Stirnrunzelnd ging ich zurück zu dem Bereich bei der Tür. Das war seltsam. Sie verließ diesen Raum so gut wie nie. Ob sie es nicht durfte oder nicht wollte, konnte ich nicht sagen. Sie hatte nie geantwortet, wenn ich gefragt hatte.

„Suchst du jemanden?"
Reflexartig wurde mein Gesicht zu Stein, sodass nichts in ihm abzulesen war, als ich mich umdrehte.

Er stand vor mir. Die Hand lag ruhig auf seinem Schwert an der Hüfte, das halb von dem schwarzen Pelz seines Mantels verborgen wurde.

Ich schüttelte den Kopf, worauf er träge lächelte.
„Du bist gut darin zu lügen. Aber mich täuscht du nicht. Ich habe es dich gelehrt."
Er strahle Ruhe aus, aber ich wusste, dass dieser Umstand sich sehr schnell ändern konnte. Dafür brauchte es nur einen einzigen Fehler von mir.
„Die Bibliothekarin", sagte ich schließlich. Ohne mein Zutun, wurde meine Stimme dünn. Es lag an seiner Gegenwart, die mich an so vieles erinnerte, an das ich nicht erinnert werden wollte.
Er nickte, als wüsste er das schon längst: „Ich weiß wo sie ist. Komm, ich zeig' es dir."
Ohne abzuwarten, nahm er meine verletze Hand und zog mich mit sich. Meine Hand verschwand  beinahe ganz, so klein war sie mit acht Jahren gewesen.

Durch das Ziehen von ihm, schmerzte mein Handgelenk, aber das konnte ich aushalten.

Er brachte mich aus der Bibliothek raus, durch die Korridore aus Stein bis zu einem Raum, den ich bereits kannte.
Eis breitete sich in meiner Magengegend aus, als wir reingingen.

Meine Angst bestätigte sich.
In dem mittelgroßen, einfach nur quadratischen Raum, ebenso aus Steinziegeln, wie alles andere hier, saß die Bibliothekarin auf einem Stuhl. Man hatte ihre Hände und Beine an das Holz gefesselt, sodass sie sich nicht bewegen konnte.
Mein Gesicht zeigte nichts, auch wenn in meinen Herzen die Angst um sich griff. Das hier würde sehr böse enden.

Er trat neben mich und legte mir eine Hand auf meine Schulter.
„Mir ist aufgefallen, wie oft du die Bibliothek aufsuchst. Ebenso ist mir nicht entgangen, dass du diese Frau lieb gewonnen hast."
Der Griff um meine Schulter wurde fester. Dadurch zerknittere der schwarze Stoff meines ärmellosen Oberteils.
„Das verstößt gegen eine der Lektionen, die ich dir beibringe. Eine sehr wichtige Sogar."

Jetzt ließ er meine Schulter los, um langsam zur Bibliothekarin zu gehen. Mir meine Angst nicht anmerken zu lassen, wurde langsam zu einer Sache der Unmöglichkeit.

Aber die Bibliothekarin schien ebenfalls zu ahnen, was ihr drohte, denn ihre Lippen zitterten. Mit aufgerissenen Augen verfolgte sie ihn, bis er sich hinter ihr aufbaute.
Das Geräusch seines Schwertes, das gezogen wurde, trieb der Frau die Tränen in die Augen.

„Bitte, habt Erbarmen! Ich habe dem armen Mädchen doch nur eine Salbe gegen die Schmerzen gegeben!"
Aber sie machte es nur noch schlimmer.
„Diese Schmerzen macht sie durch, weil ich es so will", zischte er kalt, „Du hast dich mir widersetzt. Genauso wie sie!"

Ich biss mir auf die Lippe, bis ich Blut schmeckte. Aber das war mir egal, so lange sie nicht zitterten, wie bei der Bibliothekarin.

Jetzt richtete er seine braunen, fast schwarzen Augen wieder auf mich. Innerlich schrumpfte ich zusammen, bis ich nur ein jämmerlicher Haufen nichts war.

„Ich erinnere dich noch mal an die Lektion, Nemesis."
Mit diesen Worten hob er das Schwert und holte zum Schlag aus. Noch immer fixierte er mich.
„Wage es nicht wegzusehen."
Schneller als ich mich mental vorbereiten konnte, beschrieb die Waffe einen perfekten Bogen, mit dem der Kopf der Bibliothekarin von seinem Körper getrennt wurde.
Sie schrie nicht mal. Ihr Haupt plumpste auf den Boden, ihr Körper sackte auf dem Stuhl zusammen. Blut floss auf den Boden, färbte den Stein, ihre Kleidung.

Ich schaffte es nicht länger gleichgültig zuzuschauen. Mir wurde übel und meine verräterischen Lippen zitterten doch.
Unfähig mich von der Leiche loszureißen, traten mir Tränen in die Augen. Meine Knie drohten unter mir nachzugeben.

Sie hatte doch nur meinen Schmerz betäubt.

Langsam sah ich zu ihm auf. Spritzer ihres Blutes benetzten sein Gesicht, als er sich vor mir hinkniete.
Inzwischen zitterte ich am ganzen Körper.

„Wie lautet die Lektion?"
Ich öffnete den Mund, aber alles was rauskam, war ein Schluchzen.
Darauf schnalzte er nur mit der Zunge. „Sag es."
Er nahm meine verletzte Hand in seine und legte seine andere drauf.
Also holte ich tief Luft und verbannte jede Unsicherheit aus meiner Stimme: „Liebe ist eine Schwäche."
Nickend tätschelte er meine Hand. „Richtig. Und ich hoffe du hast auch gelernt, dass du dir keine Schwäche erlauben darfst. Du gehörst mir und mein Eigentum darf sich an niemanden binden."
Seine Augen waren zwei große Abgründe, die mich verschluckten.
„Jeden, den du liebst, werde ich töten. So lange bis ich diese Schwäche ausgemerzt habe."

Mein kleines Herz schlug dröhnend in meiner Brust. Ich wollte schreien, die Zeit ungeschehen machen, die ich mit der Bibliothekarin verbracht hatte. Gleichzeitig verspürte ich den Wunsch mich zusammenzurollen und in einer Ecke zu verkriechen.
Aber nichts davon konnte ich tun. Also zwang ich meine Tränen zu versiegen.
Meine Gefühle stopfte ich in einen tiefen Abgrund.

„Das ist besser", er legte den Kopf leicht schief, „War doch gar nicht so schwer."
Ich schwieg. Er hatte mich nicht aufgefordert zu reden.

Ich sah auf seine Hand, die meine noch immer festhielt. Langsam aber sicher verstärkte er den Druck, sodass mein Handgelenk zu schmerzen begann.
Aber das fühlte sich seltsam stumpf an. Als läge der Schmerz unter eine Decke, den ihn dämpfte.

„Vertraue niemanden. Liebe niemanden. Und lass keine Gefühle zu. Niemals."
Mit diesen einschneidenden Worten, verdrehte er mein Handgelenk. Man hörte ein Knacken und ich konnte nichts gegen den Schrei tun, als er mir den Knochen brach.

Ruckartig setzte ich mich im Bett auf, den Schrei konnte ich gerade noch zurückhalten.

Ich war für die ersten Sekunden noch immer gefangen in der Erinnerung. Mein Herz raste, meine Hände krallten sich in das Laken. Paralysiert blieb ich mit aufgerissenen Augen im Bett sitzen, während mein Atem stoßweise kam. Dabei nahm ich weder etwas wahr, noch fühlte ich etwas anderes, als die lähmende Angst.

Doch irgendwann verebbte die Panik und ich legte die Hand seufzend an die Stirn. Meine Schultern sackten herab und verzweifelte Tränen schimmerten in meinem Augenwinkel.
Er würde mich niemals gehen lassen.

Den Schlaf konnte ich jetzt vergessen, also schwang ich meine Beine übers Bett und stand auf. Meine nackten Füße auf den kalten Fliesen holten mich endgültig in die Realität zurück.
Mit noch etwas weichen Knien, ging ich zum Fenster und öffnete die Türen zum Balkon. Kühle Nachtluft schlug mir entgegen. Trotzdem ging ich bis an das Geländer.
Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen, obwohl ich ein langärmliges Leinenhemd zum Schlafen trug. Dazu noch eine lange graue Hose.

Eine Böe strich mir die verschwitzten Strähnen aus dem Gesicht und ließ mein offenes Haar leicht wehen. Ich stellte mir vor, sie blies die Erinnerungen und die Gefühle hinfort, sodass ich sie tief in meinem Inneren verschließen konnte, wo sie hergekommen waren.
Jetzt mit wieder neutraler Miene, stützte ich die Ellenbogen auf die Brüstung und sah hoch zum Mond. Er bildete immer noch einen Sichel, woneben die Sterne stärker hervorstachen.
Der Anblick beruhigte mich irgendwie. Ich konnte wieder atmen.

Trotzdem musste ich an die Bibliothekarin denken. Ich hatte sie nie nach ihren Namen gefragt, weil ich sie nicht zu persönlich kennen wollte. Es war der letzte Abstand, die schwache Stimme von ihm, die mich davon abhielt, auch die letzte Mauer zu überwinden.
Er hatte recht, als er sagte, dass ich sie geliebt hatte. Sie war die einzige Person gewesen, die mir Zuneigung entgegen gebracht hatte. Sie war einer Mutter am nächsten gekommen und dementsprechend schwer hatte mich ihrTod getroffen. Tat er noch immer.

Jetzt sah ich auf meine Hände. Der Wind strich sanft über meine blasse Haut, da ich zum Schlafen keine Handschuhe trug. Die vielen großen und feineren Narben schimmerten.

Nichtsdestotrotz war sie durch meinen Fehler gestorben. Ich hatte sie an mich rangelassen. Ich hatte sie weiter besucht. Ich hatte eine Verbindung aufgebaut. Durch mich war sie erst das Ziel von ihm geworden.
Mit aufeinander gepressten Zähnen schlug ich die Faust auf die Brüstung.
Ihr Blut klebte an meinen Händen.
Wie von so vielen andern auch.

Bevor mich meine Gedanken tiefer in die Dunkelheit ziehen konnten, wandte ich mich um und ging zurück in mein Gemach.
Schlaf konnte ich vergessen. Dafür aber konnte ich trainieren.

Also griff ich nach meinem Schwert, band es um die Hüfte und zog Stiefel sowie Handschuhe an.

Gestern hatten wir Alaric zu der Leiche gebracht, die unberührt da gelegen hatte. Er hatte sich ein Stück der schwarzen Haut abgeschnitten, um sie zu untersuchen. Allerdings war er ratlos und kannte nichts vergleichbares. Kein Gift oder Krankheit führte zu ähnlichen Symptomen.
Auch wenn ich Informationen hatte, die ich zurück hielt, würden sie ausgesprochen nichts nützen. In Leymalien hatte man es genauso wenig bekämpfen können wie hier. Wie die Situation aktuell in meinem Heimatland aussah, wusste ich nich.

Es war früher Morgen, als ich damit anfing durch den Palast zu joggen. Meine Sohlen waren leise genug, um niemanden zu wecken, außerdem musste ich meine Ausdauer beibehalten. Ohne die regelmäßigen Patrouillen in Leymalien oder den Schwertkämpfen in der Arena, hatte ich kaum Gelegenheit, in der ich sie brauchte. In den Tagen am Hof, war ich nur neben den Prinzen hergelaufen. Das Training mit Martell und Aramis und der Angriff der Infizierten war nur von kurzer Dauer gewesen.

So joggte ich im hohen Tempo durch die Gänge. Wenn ich schon dabei war, erkundete ich Bereiche, die ich bis jetzt nur auf der Karte gesehen hatte. Diesmal gelangte ich in den Bediensteten-Trakt. Dabei passierte ich die Wand mit dem geheimen Tunnel. Nach der Attacke von dem Geistwesen war ich nicht so erpicht darauf nochmal reinzugehen. Allerdings blieben bei der Gabelung noch zwei Gänge übrig, die ich mir früher oder später nochmal ansehen würde.

Der Trakt der Bediensteten war wesentlich schlichter, als der Flügel, in dem ich untergebracht war. Die Dekoration fehlte, der Boden war mit Holzbrettern ausgelegt, statt mit Marmor oder Fliesen.

Mir begegnete niemand und so lief ich weiter bis ich durch eine Treppe hoch auf die Mauern des Palastes gelangte.

Frische Luft schlug mir entgegen und kitzelte auf meine vom Laufen gewärmte Haut.
Am Horizont graute der Morgen und einige Vögel meldeten sich bereits. Die Luft war sauber und vermittelte einen Neuanfang.
Für jeden, aber nicht für mich.
Neuer Tag bedeutete, meinen Dämonen erneut zu begegnen.

Mit einem leichten Kopfschütteln vertrieb ich die Gedanken wie allzuoft.

Als ich über die Mauer hinweglief, nickte ich einigen Wachen grüßend zu. Die Frauen und Männer der Königsgarde schienen müde und blinzelten träge in das aufgehende Licht. Der Wachwechsel musste jeden Moment stattfinden.

Die frische Luft auf meiner Haut tat wahrlich gut. Die Sonne war noch nicht hoch genug, um mich zu wärmen, aber sie spendete genügend Licht, um die eingearbeiteten Kristalle auf dem Dach des Palastes zum funkeln zu bringen. Es war wahrlich ein schöner Anblick.

Doch mein eisiges Innerstes reagierte nicht auf die Schönheit des Moments.
Nein. Mir wurde nur einmal mehr bewusst, dass ich zu dem geworden war, was er aus mir gemacht hatte.

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