Red Snow

By MementoKore

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Der Boden dieses Landes wird seit Jahrhunderten vom Blut eines endlosen Krieges getränkt. Zwei Fraktionen, As... More

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Nachwort

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By MementoKore

Faith entschloss, erstmal auf den nächsten Tag zu warten. Sie musste sowieso erst zum Training. Hoffentlich würde Cade nicht so hart sein... Aber ihre Hoffnung schwand. Um dieses Amulett musste sie sich dann wohl nach dem Training kümmern. Vielleicht sollte sie mal bei ihrer Tante nachfragen... Oder ihre Mutter besuchen... Seit sie sich erinnern konnte lebte Faith bei Tante Esida. Einmal, an ihrem 12. Geburtstag, hatte ihre Tante ihr erzählt, dass ihre Mutter noch lebte. Doch das tat sie in einer Hütte weit weg von großen Städten. Wieso sie so allein lebte wusste Faith nicht. Als sie gefragt hatte, hatte ihre Tante die Frage ignoriert. Außerdem wusste sie, dass ihr Vater schon gestorben war bevor sie geboren worden war. Woran wusste sie auch nicht. Genauso war ihr Onkel tot, von dem sie ebenso wenig wusste. Und dann war da noch das mit dem Amulett... Sie hatte nie etwas von einem solchen Amulett gehört oder erfahren. Alle diese Themen lagen im Dunkeln und es ergaben sich daraus tausende Fragen. Die Faith nun versuchen musste, zu beantworten - und zwar fünf Jahre nach ihrem 12. Geburtstag.

Kurze Zeit später kamen Elora und Aed zurück und rissen Faith somit aus ihren Gedanken. "Ich sagte doch, du solltest etwas mehr nachdenken, statt dein Gehirn während des Kampfes abzuschalten", murrte Elora gerade, wirkte aber zufrieden mit sich selbst und gegenüber Aed demonstrativ überheblich. Anscheinend hatte sie gewonnen. Aed lächelte matt. "Falls du überhaupt eines besitzt....", ergänzte Elora mit einem hämischen Lächeln und sah dann Faith auffordernd an. "Komm, wir gehen. Wenn Zoés Mentor nicht übertrieben hat müsste sie schon wieder zurück sein... Gut, er übertreibt immer." Faith stand seufzend auf. Also war Zoé noch nicht wieder zurück. Und mit Elora konnte man keine normalen Gespräche führen... "Bis dann, Aed", verabschiedete sich Elora knapp und mit einem neckischen Grinsen. Das war wohl ihre Rache für das gewesen, wofür sie Aed so böse war. Während sie zum Kampfplatz lief um sich eine Fackel zu holen, verabschiedete sich auch Faith. Aed hielt sie noch einen Moment zurück, als sie gehen wollte. "Bist du morgen bei meiner Zeremonie dabei?" Seine hellgrünen Augen leuchteten erwartungsvoll. Faith konnte nicht nein sagen, also willigte sie ein und lief dann zu Elora. Richtig, morgen war Aeds Ernennung zum Assassinen. Unglaublich, dass heute derselbe Tag war, an dem sie mit Kadir, Aed und Cade das erste Mal die Höhle mit dem Hauptquartier betreten hatte. Aber es war so. Danach hatte sie bis heute Mittag geschlafen. Und dann war nur noch die Zeremonie gewesen... Der Himmel zeigte an, dass es bereits schon wieder Nacht war. Am klaren, schwarzen Himmel funkelten die Sterne wie kleine Diamanten. Mit Elora lief sie durch den Höhlengang zurück in den leeren Raum und durch ihn wieder in ihr Zimmer. Nach dieser Aktion atmete Faith erleichtert aus und setzte sich auf ihr Bett. Sie zog die Beine an und schlang ihre Arme darum. Das Ninjatō hatte sie wieder abgelegt. Elora saß schweigend an der Bettkante ihres Bettes und rieb sich mit den Fingerspitzen die Augenlider, während sie die Augen geschlossen hielt. "Wieso ist das Nox dinsda eigentlich illegal?", fragte Faith dann und beobachtete Elora stirnrunzelnd. Die stoppte ihre Tätigkeit und sah Faith an, als sei sie das primitivste Wesen auf Erden. "Ich meine, immerhin könnte man das als Trainingskampf sehe..." Elora unterbrach sie. "Weil man sich dabei verletzen und wenn es dumm läuft auch sterben kann. Das würden die Assassinen nicht dulden und Mentoren schicken um auf uns aufzupassen. Wir wollen aber keine Mentoren, die auf uns aufpassen. Wir wollen nur Novize gegen Novize unsere Fähigkeiten austesten und erweitern. Kapiert?" Faith blinzelte. Entweder antwortete Elora gar nicht oder mit ellenlangen Erklärungen... Das konnte ja nett werden. Es war sowieso mitten in der Nacht. Vielleicht sollte Faith sich schlafen legen. "Ich habe es kapiert. Hast du noch vor, länger aufzubleiben?", wollte sie wissen und sah Elora vorsichtig an. Die schüttelte stumm den Kopf. "Wenn du schlafen willst schlafe ich auch." Das war doch mal eine Antwort, die man sofort verstand. Faith nickte, legte alle Waffen ab und zog wieder die Leinenkleidung über. Die war anscheinend die allgmeine Schlafkleidung hier. Elora sah derweil freundlicherweise weg, was Faith dann auch tat während sie sich umzog. Dann löschte sie mit Elora die Lichter im Raum. Kurze Zeit später lagen beide auf den nicht allzu weichen Betten und versuchten, zu schlafen. An Eloras regelmäßigen Atemzügen erkannte Faith, dass sie schlief. Sie selber starrte immer noch in die Dunkelheit und legte sich für den nächsten Tag einen Plan zurecht. Irgendwann schlief auch sie ein.

Wieder wurde Faith von Geräuschen geweckt. Müde blinzelte sie. Es war Zoé, die gerade fluchend und mit lauten Schritten durch das dunkle Zimmer stolperte. Da Faith sich nicht allzu müde fühlte musste es schon morgen sein. Sie setzte sich auf. "Brauchst du Hilfe, Zoé?" Bei ihren Worten erschrak die Novizin nochmal und schien wieder gegen etwas zu stoßen. Ein weiterer Fluch. Faith grinste unterdrückt. Dann half sie Zoé, ein paar Öllampen neu zu entzünden. Danach wirkte das Mädchen um einiges entspannter. Faith erkannte im schwachen Licht, dass Zoé einen Verband um den rechten Oberarm hatte. "Wie ist es gelaufen?", wollte Faith wissen und setzte sich zu Zoé ans Bett. Die beiden mussten sich im Flüsterton unterhalten um Elora nicht zu wecken. "Ganz gut, denke ich... Ich bin am Ende fast eingeschlafen." Die Novizin grinste verschmitzt und trotzdem müde. Faith nickte und stand auf. "Dann lasse ich dich mal schlafen. Wie spät ist es?" Faith wusste nicht, ob sie noch weiterschlafen sollte oder lieber wach bleiben. "Als wir ins Hauptquartier gegangen sind ist gerade die Sonne am Horizont erschienen", erwiderte Zoé müde, legte ihre Waffen ab und sank matt in ihr Bett. "Willst du dich nicht umziehen?", fragte Faith und griff nach ihren Waffen. Jedoch war Zoé schon eingeschlafen. Grinsend deckte sie ihre Mitbewohnerin zu, zog schnell ihre Montur wieder an und befestigte die Waffen daran. Wenn vorhin schon der Sonnenaufgang begonnen hatte musste sie sich beeilen, um rechtzeitig oben am Aussichtspunkt zu sein. Sie löschte die wenigen angezündeten Öllampen wieder und lief aus dem Raum. Auf dem Gang war es wie immer durch die Fackeln gut beleuchtet. Es hatte wirklich seine Nachteile, in einem Berg zu wohnen. Faith schloss leise die Tür und eilte zur Treppe. Dadurch, dass niemand hier herumlief, klangen ihre Schritte noch lauter. Oben im Zentrum liefen vereinzelt Assassinen von Nachtmissionen oder Wachen von Nachtschichten herum. Immer wieder huschte eine Bedienstete vorbei. Einmal dachte Faith sogar, Heath zu sehen. Aber vielleicht war es nur eine andere Ärztin. Sie wusste ja nicht, wie viele es von ihnen gab. Schnellen Schrittes stieg sie die Treppe an der linken Wand empor und hastete auf die Höhle zu, die nach draußen führte. Bald schon kam sie in den Gang und trat kurz darauf ins Freie. Vorsichtig sah Faith sich um. Die Sonne war erst halb zu sehen und leuchtete in einem kräftigen Orange. So glänzten die frischen Blätter an den Sträuchern in eben dieser Farbe. Cade sah sie nirgendwo, also trat sie an die Klippe und genoss die Aussicht. In der Ferne schimmerte Synva. Noch vor kurzem hatte sie nichts von den Assassinen gewusst. Oder von den Templern. Nun stand sie hier oben und würde bald eine von ihnen werden... Sie spürte einen leichten Stich im Herzen. War das etwa Heimweh? "Du solltest mehr auf deine Umgebung achten. Und deine Schritte sollten auch leiser werden. Am besten fangen wir wohl mit Tarnung an...", erläuterte plötzlich eine Stimme hinter ihr. Erschrocken atmete Faith ein und drehte sich um. Cade trug seine Kapuze, die er nun abzog und die Novizin finster musterte. "Willst du etwas lernen?" Faith musste den Schreck erstmal verdauen. Dann nickte sie leicht. Cade durchbohrte sie ein letztes Mal mit einem Blick und lief dann mit kaum hörbaren Schritten von Faith weg. Ihr Herz pochte noch wie wild und sie musste sich erstmal beruhigen. Was hatte Cade sich dabei gedacht?! Sie hätte stolpern und den Abhang herunterfallen können! Als sie sich wieder beruhigt hatte folgte sie ihrem neuen Mentor mit einem missmutigen Blick mit den Augen. Sie selbst rührte sich dagegen nicht von der Stelle. "Was willst du zuerst lernen? Leise laufen - Tarnung...?", hakte Cade nach und drehte sich stirnrunzelnd wieder Faith zu. Die Novizin öffnete den Mund, wusste aber nicht was sie sagen sollte. So schloss sie ihn wieder. Cade seufzte. Ja, er war sich selbst nicht sicher, ob er ein Mentor sein wollte. Und dann noch von Faith... Dann hatte er eine bessere Idee. Er lächelte. "Vor was hast du Angst?", wollte Cade wissen. Ihre Ängste musste sie zuerst überwinden. Das schwierigste für jeden Novizen war die Überwindung der Angst vor dem Tod. Kein Assassine hatte Angst vor dem Tod, und das musste man als Novize schon lernen. Auch Cade hatte das damals gelernt - aber er dachte nicht gern an seine Vergangenheit zurück... Als Faith wieder nicht antwortete wurden Cades Gesichtszüge wieder ernster. "Hast du Höhenangst?" Faith schüttelte hastig den Kopf. Immerhin, das wäre nämlich nicht so praktisch. "Angst vor der Dunkelheit?" Faith zögerte kurz und nickte schwach. Ja. Sie hatte die Dunkelheit gefürchtet. Und das schon immer. Als kleines Kind hatte sie immer Angst gehabt, hinter jedem Vorhang stünde ein Mörder oder ein Einbrecher. Inzwischen war sie ruhiger geworden, die Angst hatte sie aber nicht verloren. Cade seufzte, nickte aber. Faith fühlte sich wie ein kleines Kind. "Platzangst?" Wieder schüttelte Faith den Kopf. "Angst vor dem Tod?" Cade sah Faith dabei prüfend in die Augen. Angst vor dem Tod hatte jeder. Bis er zu den Assassinen kam. Faith nickte langsam und fühlte sich unter Cades scharfem Blick unwohl. "Gut, dann fangen wir am besten mit der Angst vor der Dunkelheit an." Cade setzte seine Kapuze wieder auf und lief in den Höhlengang zurück. Faith blieb kurz verwirrt stehen und folgte ihm dann. Er führte sie durch ein paar Gänge innerhalb des Hauptquartiers und trat dann in einen Raum, der bis auf einen grauen, abgenutzten Teppich am Boden leer zu sein schien. Fragend sah Faith zu ihrem Mentor. Der schloss die Tür und löschte eine der Fackeln. Neben jedem Fackelhalter gab es einen Behälter mit Wasser - man musste nur die Fackel hineinhalten. Er löschte eine weitere. "Hier können wir auch gleich deine Sinne trainieren", verkündete Cade mit sachlicher Stimme und hatte bereits die Hälfte aller Fackeln im Raum gelöscht. Faith wurde zunehmend nervös, da sie wusste, was er vorhatte. Er stand bei der letzten Fackel und hielt sie über das Wasser. "Bereit?", wandte er sich an Faith. Die schüttelte den Kopf. Mit einem finsteren Grinsen löschte Cade die Fackel, sodass es vollkommen dunkel im Raum war. "Die Dunkelheit ist nicht dein Feind", ertönte seine Stimme nun irgendwo von links. Faith drehte sich nach links, sah aber nichts. Nur Schwärze. Es war ein schreckliches Gefühl. Als wäre man blind geworden. Nervös sah Faith sich um. "Sie ist dein Freund. Sie verbirgt dich vor ungebetenen Blicken", hörte Faith wieder die Stimme des Meisterassassinen. Diesmal von rechts. Wie...?! Faith wurde unruhig. Was wollte er? "Hast du Angst vor der Dunkelheit?", wiederholte er nun seine Frage von vorhin wobei seine Stimme nun wieder von weiter links kam. Gerade wollte Faith mit 'Ja' antworten - da überlegte sie es sich nochmal. Vor was hatte sie denn im Moment Angst? Nein, es war nicht die Dunkelheit selbst. Es war Cade, der sie jederzeit angreifen konnte weil sie ihn nicht sah. Aber wenn sie es sich recht überlegte - er sah sie auch nicht. Sie hatte denselben Vorteil wie er. Vielleicht sollte sie sich mal von dieser Stelle wegbewegen... Sie machte einen Schritt nach links - und zuckte zusammen. Ihr Schritt war so laut! Cades hatte sie nichtmal gehört, aber ihre waren so schrecklich laut! Eine Fackel ging an, Cade hielt sie in der Hand und steckte sie gerade zurück in die eiserne Halterung. "Morgen sollten wir an der Lautstärke deiner Schritte arbeiten", meinte er wieder mit sachlichem Ton. Faith wandte sich verwirrt in die Richtung. Da war er gewesen! Er entzündete weitere Fackeln und öffnete letztendlich die Tür. "Dann sollte ich wohl mit dem Klettern und Kämpfen weitermachen." Er lächelte leicht, was im Licht der kleinen Flammen selbst mit Cades aufgesetzter Kapuze zu sehen war. Faith fand in diesem Lächeln aber nichts Freundliches. Missmutig folgte sie ihrem Mentor wieder zurück auf den Aussichtspunkt. "Benutzt denn niemand sonst dieses Plateau?", wollte Faith wissen und sah sich fragend um. Cade schüttelte den Kopf während er kurz in die Ferne sah. Dann wandte er sich wieder Faith zu. "Ich sehe, du hast eine Armbrust. Kannst du denn damit umgehen?" Im Tageslicht erkannte die Novizin, wie er sie zweifelnd ansah. Die Sonne war inzwischen aufgegangen. Doch es war bewölkt. Eine graue Wolkendecke versperrte die Sicht auf den Himmel und verbreitete eine trübe Stimmung. Faith schüttelte nun auch den Kopf. "Dann bringe ich es dir mal bei..."

Einige Zeit später, es war inzwischen wahrscheinlich kurz vor Mittag, hatte Faith gelernt, wie man Pfeile in die Armbrust einlegte und abschoss. Selbst das Zielen klappte immer besser. Cade war die ganze Zeit über eher still, wie immer mit finsterem Gesichtsausdruck. Wenn er ihr etwas erklärte, dann in einem neutralen Ton. Vor dem Mittagessen zeigte er Faith noch, wie man Wurfmesser richtig benutzte. Cade sah zum Himmel. Die Wolken waren immer dunkler geworden und hingen am Himmel als hätten sie Unmengen an Wasser zu tragen. Bald würde es regnen. "Es gibt jetzt wahrscheinlich Mittagessen", bemerkte Cade und holte seine Wurfmesser wieder, die nun im Stamm eines kleinen Baumes steckten. "Komm morgen um dieselbe Zeit wieder hierher", wies er seine Schülerin an, dann verschwand er durch den Gang wieder. Faith verdrehte die Augen. Der konnte echt nicht nett sein, hm? Sie zog ihre zwei Wurfmesser aus dem Baum - sie war begeistert davon, dass sie überhaupt getroffen hatte - und lief ebenfalls zum Gang. Die ersten Tropfen fielen herab und gerade als Faith in die Höhle lief hörte sie, wie es anfing zu rauschen. Es schüttete. Seufzend steckte die Novizin sich die Wurfmesser wieder in die Stiefel und lief den Gang entlang bis sie zurück im Hauptquartier war. Mittagessen - wo bitteschön gab es das? Wäre ja ganz nett von Cade gewesen, wenn er ihr das wenigstens gesagt hätte. Zu ihrem Glück traf sie im Zentrum ein bekanntes Gesicht. Es war Aed. Er sah richtig nervös aus, lächelte aber. Faith winkte. Cades Training war vielleicht praktisch, trotzdem nicht gerade aufmunternd. Aber Aeds Lächeln brachte auch sie dazu, schwach zu lächeln, und begrüßte ihn kurz. "Auf dem Weg zum Mittagessen?", fragte Aed nach und zog eine Augenbraue hoch. Faith nickte. "Wo muss ich hin?" Aed lachte kurz. "Komm, ich zeig's dir." Er lief nach links, dort wo auch die Treppe, die nach unten zu den Novizenräumen führte, lag. Doch ging er nicht die Treppe nach unten sondern lief stattdessen geradeaus in einen kleinen Gang, der schon bald zu einer großen Tür führte, die geöffnet war. Laute Stimmen drangen hindurch. Man erkannte Novizen beim Essen. "Danke, Aed", verabschiedete Faith sich erleichtert und lief durch die Tür. Aed folgte ihr. "Du kommst später ja zur Zeremonie, nicht wahr?" Faith stoppte und drehte sich zu ihm. Richtig, die Zeremonie - dabei musste sie doch etwas über ihren Vater herausfinden! Aber die Ernennung zum Assassinen konnte kaum länger dauern als die zum Meisterassassinen... Sie nickte. Aeds Augen leuchteten fröhlich auf, dann verabschiedete auch er sich und gesellte sich zu ein paar Novizen, unter denen sich auch der Braunhaarige befand, gegen den Aed gestern Nacht gekämpft hatte. Faith sah sich um. Als sie Zoé und Elora erkannte, bewegte sie sich sofort auf sie zu. Elora erkannte Faith als erste, schien aber keinerlei Regung zu zeigen. Trotzdem fragte sie: "Hey, Faith. Wie war die erste Trainingsstunde?" Faith zuckte mit den Schultern. "Ging...", murmelte sie nur missmutig. Zoé wirkte etwas verschlafen. Als sie Faith erkannte wurden ihre Augen aber größer. "Faith! Setz dich zu uns!", rief sie freudig. Bevor Zoé noch enthusiastischer wurde setzte Faith sich gegenüber von den beiden auf die lange Holzbank. Ihre Mitbewohnerinnen hatten vor sich einen Teller mit etwas Fleisch, Brot und Käse stehen. Nichts, was man ein Festmahl nennen konnte - aber immerhin würde sie hier nicht verhungern. Faith nahm sich ebenfalls etwas davon und sah dann Zoé fragend an. "Wie lang hast du geschlafen?" Ihr Gegenüber grinste müde. "Nicht allzu lang. Elora hatte ziemlich früh das Bedürfnis, alle Öllampen anzuzünden." Faith musste lächeln. Sie hatte keine schlechten Zimmergenossinnen erwischt. Es hätte schlimmer laufen können. Zum Beispiel Novizen die Cade glichen. Bei dieser Vorstellung musste Faith unterdrückt lachen. Elora sah nicht auf und aß nur desinteressiert weiter. Zoé dagegen blickte Faith fragend an. Die winkte ab. "Tut mir Leid. Ich habe gerade nur... Ach, vergiss es." Die Novizin musste immer noch gegen das Lachen ankämpfen, nach und nach bekam sie sich aber unter Kontrolle. Sie aßen schweigend weiter bis Faith die Idee kam, Elora und Zoé nach dem Amulett zu fragen. Vielleicht hatten die beiden ja etwas gehört... "Habt ihr eigentlich von einem Amulett gehört, das den Templern nicht in die Hände fallen darf?", fragte Faith vorsichtig nach und biss in ihr Brot. Zoé sah sie verwirrt an und kaute gerade auf einem großen Bissen herum. Elora schwieg, sah aber interessiert aus. "Ein Amulett? Ich habe mal von einem gelesen. Anscheinend wurde es von einem der bedeutendsten Großmeister der Assassinen erschaffen - vor langer Zeit. Das Amulett verlieh dem Träger ungeahnte Kräfte, vergiftete aber nach und nach dessen Geist. Wieso fragst du?" Elora sah Faith misstrauisch an und schob ihren leeren Teller zur Seite. Die Novizin konnte es ihnen nun kaum mehr verschweigen. "Ich weiß es nicht genau. Irgendwas hat dieses Amulett mit meinem Vater und somit mit mir zu tun. Kad... der Großmeister hat gesagt, ich solle etwas darüber herausfinden. Die Templer sind hinter dem Amulett her. Und sie dürfen es nicht in die Finger bekommen", erklärte Faith mit gesenkter Stimme. Die anderen mussten das ja nicht mitbekommen... Elora nickte interessiert, wobei sie damit insgeheim ihre Neugier überdeckte. Zoé dagegen musterte Faith irritiert. "Dann geh zu deinem Vater und frag ihn." Faith wollte gerade etwas erwidern als Elora ihre Mitbewohnerin anfauchte: "Hörst du mir denn nie zu?! Gestern sagte ich doch, sie hat keine männlichen Angehörigen!" Zoé wirkte etwas verschreckt und hörte auf zu essen. Elora stand kopfschüttelnd und sauer auf und brachte ihren Teller fort. Faith seufzte. "Das hat sie nicht böse gemeint, Zoé", wollte sie ihre Mitbewohnerin beruhigen und sah sie schief an. "Das sah aber ganz danach aus...", nuschelte Zoé mit belegter Stimme und wischte sich unauffällig eine Träne aus dem Auge, bevor sie herausfließen konnte. Faith fuhr sich seufzend durch die gewellten Haare. Zoé war echt eine schwierige Freundin. Gut, Elora war auch nicht gerade die Ruhe in Person...

Nachdem auch Faith mit dem Essen fertig war hatte Elora sich wieder einigermaßen beruhigt und zu ihren Mitbewohnerinnen gesetzt. Sicher war sie noch wütend auf Zoé - wie konnte sie nur immer so offensichtliche Tatsachen übersehen?! - aber Elora konnte nicht nachtragend sein. Selbst wenn sie es versuchte. Wütend wurde sie schnell, das blieb aber nicht lang so. Also saßen die drei wieder am Tisch, während die meisten Novizen schon wieder gegangen waren, und diskutierten über Faiths Problem. Es war bereits mitten am Nachmittag und die drei mussten los. Faiths Tante wohnte in Synva - mit Kadir, Aed und Cade hatte sie zwei Tage von dort bis zum Hauptquartier gebraucht - also was tun? Elora schien eine Idee zu haben. "Wir sollten uns aber trotzdem beeilen...", murmelte das dunkelhaarige Mädchen und ihre Augen funkelten abenteuerlustig. Faith nickte, Zoé war etwas unsicher aber entschloss sich trotzdem, die beiden nicht allein zu lassen. Auf dem Weg durch's Zentrum trafen sie auf Cade. Der musste auch echt jedem im Weg stehen oder?! Er trug seine Kapuze und musterte die drei Novizinnen mit finsterer Miene. "Wo wollt ihr denn hin?", wollte er wissen und bedachte die Mädchen mit einem misstrauischen Blick. "Wir müssen noch... ein paar neue Monturen im Dorf abholen", log Zoé schnell und setzte ein unschuldiges Lächeln auf. Faith blinzelte nur kurz und setzte ihre Kapuze auf. Es war immer wieder ein merkwürdiges und doch angenehmes Gefühl. Als würde man allein durch diese Kapuze schon zum Assassinen werden. Natürlich stimmte das nicht... Aber so konnte man es beschreiben. Cade musterte sie nochmal alle, dann nickte er knapp und lief fort. Zoé atmete hörbar aus. "Das war knapp", murmelte Faith und zog ihre Kapuze etwas tiefer ins Gesicht. So konnte niemand sehen, dass sie etwas ganz anderes im Sinn hatte... Elora führte die beiden anderen zum Tor, durch das Faith zum ersten Mal das Hauptquartier betreten hatte. Doch Elora ging durch eine Tür in einem Gang links vom Tor und nahm einen anderen Höhlentunnel nach draußen. Hier hingen in gleichmäßigen Abständen Fackeln, sodass die Höhle gut ausgeleuchtet war. An der Decke erkannte man schon den Ruß. Faith fragte sich im Stillen, wieso das im Quartier nicht der Fall war... Zoé und Elora hatten sich inzwischen auch ihre Kapuzen aufgesetzt. Nun sah Faith nur noch Eloras graue und Zoés braune Kapuze. "Also ist es mal wieder illegal, was wir hier machen?", fragte Faith vorsichtig. "Definitiv", antwortete Zoé mit gesenkter Stimme und lächelte leicht. Langsam bekam auch sie diese Vorfreude auf den kleinen Ausflug. Trotzdem blieben die Zweifel. Sie mochte illegale Sachen gar nicht... Faith dagegen blieb ruhig. Wenn Cade es ihnen abnahm würden es die anderen auch tun. Irgendwann erkannten sie Tageslicht. Es war immer noch düster vom letzten Regenschauer - die dicken Wolken hingen noch immer am Himmel und verdeckten die Sonne. Inzwischen sahen sie nur weniger wie nasse Watte aus. Und dann sah Faith auch, was Eloras Lösung für das Problem war: Pferde! An der Felswand, gut versteckt hinter einigen Bäumen und Sträuchern, befand sich ein Unterstand aus dunklem Holz, dessen Boden mit Heu ausgelegt war. Stricke grenzten die einzelnen 'Boxen' ab. In manchen standen gerade Pferde, scharrten im Heu herum oder schnaubten neugierig, als sie die Mädchen erblickten. Man merkte, dass es geregnet hatte. Nicht nur, dass es vom Dach des Unterstandes tropfte - es roch nach nassem Holz und feuchtem Stroh. Außerdem lag eine leichte Feuchtigkeit in der Luft. Elora ging auf eines der Pferde zu. Es war ein großer Apfelschimmel. "Na, wie geht es dir, Míura?" Elora streichelte lächelnd über die Nüstern der Stute und sah auffordernd zu Zoé und Faith. "Los, nehmt euch ein Pferd!", wies sie die beiden an. Allzu viele Pferde gab es nicht, also begnügte Faith sich mit einem dunkelbraunen Wallach und Zoé sich mit einer Falbenstute. Elora hatte ihr Pferd längst gesattelt und gezäumt und war aufgestiegen. Faith und Zoé taten es ihr nach. Obwohl es Nachmittag war würde es schon einigermaßen früh dunkel werden. Es war immerhin schon Anfang Herbst und das Wetter machte es nicht besser. "Wir sollten uns lieber beeilen...", rief Elora den anderen beiden zu und drückte ihrer Stute die Fersen in die Seite. Zoé war bis jetzt kaum einmal geritten - ab und zu war sie mit ihrem Mentor auf einem Pferd unterwegs gewesen, aber das war lang her. Faith dagegen konnte reiten. Ihre Tante hatte es ihr beigebracht... Während sie so darüber nachdachte war es schon auffällig, wie viel sie nur wegen ihrer Tante konnte. Darauf musste sie sie unbedingt ansprechen. Und Faith hatte nicht viel Zeit...

Die drei spornten ihre Pferde an. Bis zum Dorf war es kein weiter Weg - sie mussten mitten durch das Dorf hindurch weil außen herum zu reiten zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde - doch im Dorf war um diese Zeit viel los auf den Straßen, obwohl es eben noch geregnet hatte. Zum einen schützte sie das vor ungewollten Blicken - trotzdem kamen sie nicht wirklich schnell voran. Sobald sie das Dorf verlassen hatten ließen sie ihre Pferde im gestreckten Galopp die Felder durchqueren und kamen letztendlich in den Wald, der sie noch von der Hauptstadt trennte. Als die Sonne schon niedriger am Himmel zu stehen schien als mittags erreichten sie endlich Synva. Immer noch hingen graue Wolken am Himmel, die schwachen Schatten wurden aber bereits länger. Während sie durch die breiten, gepflasterten Straßen der großen Stadt ritten war Faith froh über ihre Kapuze. In so einer großen Stadt kannte sie nicht jeden - aber manche würden sie vielleicht erkennen, wenn sie ihr Gesicht nicht im Schatten der Kapuze verstecken würde. Wer weiß, vielleicht waren ja einige von ihnen Templer? Faith legte ihre Hände vorn am Sattel ab und nahm die Zügel in eine Hand, während sie sich umsah. Ihr kam alles so bekannt vor. Als sie kleiner gewesen war war sie mit ihrer Tante ein paar mal hier gewesen. Sie hatte damals bei einem Radmacher ein Schwert aus Holz gefunden. Anscheinend hatte der Handwerker es selbst geschnitzt. Und als er Faith gesehen hatte hatte er es ihr geschenkt. "Wo ist das Haus deiner Tante?", riss Elora sie aus ihren Gedanken. Die Novizin ritt direkt neben ihr und sah sie aus dem Schatten der Kapuze heraus unverwandt an. "Folgt mir einfach", wies Faith ihre Begleiterinnen an und spornte ihren Wallach wieder etwas an. Eine gepflasterte Straße schlängelte sich mit einer leichten Steigung nach oben. Das gleichmäßige Geräusch, das die Hufe der Pferde erzeugten, wenn sie auf den Boden trafen, wirkte fast schon einschläfernd. Wann war Sonnenuntergang? Faith wusste es nicht. Hatte jemand schon ihr Fehlen bemerkt? Das konnte sie nicht sagen. Die Novizin seufzte leise als vor ihr, am Ende der Straße, ein großes Haus auftauchte. Es hatte zwei Stockwerke und einen Dachboden, außerdem besaß es prunkvolle Verzierungen an der Fassade, war in einem fröhlichen Gelb gestrichen und außerdem gehörte noch ein großer Garten zum Grundstück. Hier aufzuwachsen schien ein Luxus zu sein - war es aber nicht. Nur sie, ihre Tante und die Bediensteten. Faith hatte einen Privatlehrer gehabt, dadurch hatte sie nie Freunde in dem Sinne gehabt. Und allein in diesem großen Haus - das war mehr Qual als Luxus. Faith führte die beiden anderen in eine kleine Gasse, die neben dem Haus entlangführte. Irgendwann ritten sie neben der hohen Hecke, die den Garten abgrenzte, her. Als Faith dann um die Ecke bog und auf das große, schmiedeeiserne Tor zutrat wurde sie von einem Bediensteten entdeckt. Hier hinten im Hof waren kaum Leute unterwegs. Faith stieg ab und führte ihr Pferd an den Zügeln zum Bediensteten, der sie misstrauisch musterte. Faith zog ihre Kapuze ab und lächelte den Mann scheinheilig an. "Darf ich meine Tante sprechen?" Der Bedienstete bekam große Augen. "Natürlich, Miss. Entschuldigung, Miss...", murmelte er demütig, verbeugte sich kurz leicht und öffnete das Tor. Elora und Zoé, die inzwischen auch abgestiegen waren, folgten Faith durch das Tor. Ein Kiesweg führte zwischen den großen Grünflächen und Beeten geradewegs auf das Haupttor zu. Die Mädchen übergaben die Pferde zwei weiteren Dienern und traten durch das große Holztor in die Eingangshalle. Der Boden war gemacht aus einem feinen, kunstvollen Mosaik, die Wände hielten sich in fröhlichen, warmen Tönen und eine große Wendeltreppe führte gegenüber der Tür nach oben in den zweiten Stock. Faith sah sich um. Sicher hatte man ihre Tante bereits benachrichtigt. Sie wurde langsam nervös während die beiden anderen ruhig zu bleiben schienen. Bald würde sie ihre Tante treffen... Nur hatte sich in den letzten Tagen viel verändert. Sie war nun eine von den Assassinen, von den Meuchelmördern. Wusste ihre Tante davon? Und wenn nicht, wie würde sie reagieren?

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