chapter 21 - neu

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Felix' POV:

"Guten Morgen, Felix!", hörte ich eine liebevolle Stimme dicht neben mir. Meine Haare wurden mir aus meinem Gesicht gestrichen. Ich lächelte aufgrund dieser sanften, wohltuenden Berührung. Dann verschwanden die Hände und ich schlug meine Augen in der Erwartung auf, dass ich gleich das schönste Gesicht der Welt sehen würde.

Doch vor mir befand sich nicht Rewi. Vor meinem Bett stand meine Mutter. Sie war es, die mich geweckt hatte. Ich kniff die Augen wieder zusammen und versuchte, aus meinem Halbschlaf aufzuwachen.

Dann brach die Realität über mich ein und es tauchten immer mehr Bilder vor meinen Augen auf. Der eiskalte Blick meiner Mutter. Der verschmierte Zettel in meinen Händen. Rewis Gesicht, kurz bevor er mich küsste. Mein Herz tat weh, es vertrug diese Erinnerung nicht.

Erneut öffnete ich meine Augen und schaute zu meiner Mutter. Sie schaute mich lächelnd an. "Es ist so schön, dich wieder hier zu haben! Komm doch runter, ich habe Frühstück gemacht."

Schön? Sie hatte mir keine Wahl gelassen. Nein, falsch. Rewi hatte mir keine Wahl gelassen. Er hatte nie etwas für mich empfunden. Er hatte mich nie geliebt. Und er würde es auch nie tuen.

Mein Herz schmerzte erneut und ich rollte mich zu einer Kugel zusammen, um diesen Schmerz zu ertragen. Ich wollte mich ganz klein machen, bis ich nicht mehr existierte. Es war einfach alles zu viel für mich.

Meine Mutter lächelte mir noch einmal zu, dann verließ sie den Raum. Ich würde ihr nicht heraus folgen. Ich würde mich überhaupt nicht mehr bewegen, denn bei jeder Bewegung vergrößerte sich erneut dieser Schmerz. Wenn ich still lag, war er zwar da, aber er war akzeptabel.

Den Rest des Tages verbrachte ich im Halbschlaf im Bett. Die Jalousien waren heruntergezogen, ich lag in völliger Dunkelheit. Ich war mir zwischendurch nicht mehr sicher, ob ich kurz vorm Sterben oder doch nur kurz vorm Schlafen war. Ganz egal, ich wollte nicht an die Realität denken müssen.

Meine Mutter kam alle paar Stunden in mein Zimmer und versuchte mich zum Aufstehen zu überreden. Sie bekam nie eine Antwort und nach einiger Zeit verließ sie mein Zimmer wieder.

Irgendwann fiel mein Blick auf die leuchtende Digitaluhr neben meinem Bett. 04:27 Uhr. Mein Körper konnte nicht mehr zwischen Nacht und Tag, schlafen und wach sein unterscheiden. Aber das war egal. Alles was zählte war zu vergessen.

Aber bei diesem Gedanken kam mir sofort wieder Rewis Gesicht in den Sinn. Ich wusste, dass ich nicht die Kraft dazu hatte, ihn zu vergessen. Er war mir zu wichtig. Ich liebte ihn. Ob er wohl an mich dachte? Ob er mich vermisste? Ob er sich überhaupt gewundert hatte, dass ich weg war?

Mit den Worten meiner Mutter im Ohr fiel ich schließlich erneut in einen unruhigen Schlaf: "Er fühlt nichts für dich. Das Einzige, was er möchte, ist die Aufmerksamkeit."

***

Der folgende Tag verlief genauso. Und der danach folgende auch. Ich wusste inzwischen nicht mehr, welcher Wochentag gerade war, nicht mal der Monat wollte mir einfallen.

Meine Mutter hatte mir eine Schüssel, Milch und Cini Minis auf meinen Nachtschrank gestellt. Lustlos hatte ich mir ab und zu eine Handvoll Cornflakes in den Mund gestopft. Auch aus der Wasserflasche, die daneben stand, hatte ich ein paar Schlucke genommen. Das waren die einzigen Bewegungen gewesen, die ich an diesen drei Tagen gemacht hatte.

An diesem dritten Tag - ich würde sagen gegen Abend, da sich der Tag schon sehr lange anfühlte - kam meine Mutter erneut in mein Zimmer. Doch anstatt wie sonst auch zu meinem Bett zu kommen, ging sie an mir vorbei direkt auf mein Fenster zu. Mit einem Ruck waren die Jalousien geöffnet und gedämpftes Tageslicht drang in mein Zimmer. Für meine an die Dunkelheit gewöhnten Augen fühlte es sich allerdings an wie die gleißende Mittagssonne in einer Wüste.

"Felix, ich sehe mir das so nicht mehr länger an!", schrie meine Mutter mich an und kam wieder auf mich zu, "steh! Jetzt! Endlich! Auf!" Sie zog ebenfalls die Decke von mir herunter und zog an mir, bis ich mich in einer halbwegs sitzenden Position befand.

Dann zog sie an meinen beiden Armen und schlürfte mich hinter ihr her ins Badezimmer und direkt weiter unter die Dusche. Das kalte Wasser spürte ich kaum auf meiner Haut. Mein Schlafanzug sog sich mit der Flüssigkeit voll, bis er klamm an meinem Körper herabhing.

Meine Mutter hatte den Raum einfach wieder verlassen, sodass ich alleine unter der Dusche saß. Ich musste aussehen wie der letzte Hurensohn. Aber genauso fühlte ich mich auch.

Nach einigen Minuten raffte ich mich auf und schaltete die Dusche aus. Ich stand auf und betrachtete mich im Spiegel. Meine Wangen sahen dünner aus, meine Augen auf eine gruselige Weise hohl und selbst meine Lippen waren nicht mehr so rot und voll wie sonst. Das hatte Rewi also aus mir gemacht. Dieses eingefallene Gesicht würde mich immer an ihn erinnern. Aber das war nicht mein Leben, nein.

Da ich es versuchen wollte, ihn zu vergessen, zog ich mir meine nassen Klamotten aus und stieg erneut unter die Dusche. Nur dieses Mal fühlte ich ein Stück Optimismus in mir. Ich konnte ein neues Leben beginnen. Ich konnte es schaffen.

***

Frisch geduscht, mit neuen Klamotten und noch feuchten Haaren ging ich die Treppe hinunter in die Küche, in der meine Mutter gerade etwas kochte. Es roch himmlisch. Das würde meine erste richtige Mahlzeit nach Tagen sein.

Sie bemerkte mich nicht, als ich mich an den Esszimmertisch setzte und mein Handy herausholte. Ich hatte 43 verpasste Anrufe von Rewi, den ich als Missgeburt eingespeichert hatte. Außerdem waren da noch hunderte Nachrichten, Twitterbenachrichtigungen und noch viel, viel mehr. Meine Zuschauer rasteten aus, da schon seit Tagen nichts mehr kam. Keine Videos, keine Tweets - nichts.

Den WhatsApp-Chat mit Rewi löschte ich, ohne die Nachrichten zu lesen, und auf die anderen Chats klickte ich kurz einmal drauf, antwortete aber auch niemandem.

Dann ging ich auf Twitter online und schickte einen Tweet als kleines Lebenszeichen von mir ab: "Hey, Leute. Keine Sorge, mir geht es inzwischen wieder gut! Ich habe mich von meinem alten Leben getrennt. Auf ein neues!"

Nur einige Sekunden später tauchte Rewis Bild auf meinem Bildschirm auf und mein Handy vibrierte. Sofort drückte ich den Anruf weg. Er hatte mir mein Herz gebrochen. Er liebte mich nicht. Ich wollte nie wieder mit ihm reden.

erdbeersüß. | rewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt