01.01

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Es war die Nummer 01.01 die eingraviert auf das alte Metall einer Taschenuhr stand. Vielleicht war es die Seriennummer oder das Erstellungsdatum, doch Taehyung wusste es nicht. Es konnte auch einfach der Geburtstags seines Opas sein, von dem er die Uhr geerbt hatte. Das letzte Stück, dass er von seiner Familie besaß.

Misstrauisch beobachtete Taehyung den Mann, der gerade aus dem Dickicht getreten war. Seine Kleidung war verschmutzt, wie sein Rucksack, an dem eine Isomatte und ein Schlafsack gesurrt waren.

Niemand kam hier er. Hier an den verlassenen Bahnhof an dem Taehyung seinen Rückzugsort aufgebaut hatte. An dem sein eigener Rucksack, Schlafsack und Isomatte im kleinen Aufenthalthäuschen lagen. Hier war sein Zuhause und er würde es mit niemanden teilen wollen, denn hier hatte niemand vor ihm zu suchen.

„Wer bist du?", fragte Taehyung laut und der Mann hob seinen Kopf. Er hatte Falten auf der Stirn und um den Augen, etwas das Tae nicht erwartet hatte. Der Mann war noch nicht alt, vielleicht in seinen besten Jahren. Er verzog den Mund, doch blieb für einen Moment stehen. „Und du bist?"

„Ich wohne hier", gab Taehyung zurück und rutschte vom Dach herunter auf den ehemaligen Bahnsteig. Jetzt standen sie sich gegenüber. Der Mann begann zu lachen, kurz, bevor wieder eine Stille einkehrte, die Taehyung gewohnt war. Wald, Vogelgezwitscher, Ruhe. Ruhe, die er so sehr liebte. So sehr brauchte.

„Min Hoseok", stellte sich der Mann nun endlich vor. Taehyung atmete erleichtert aus. Einen Namen zu wissen war immer gut. Auch wenn es ein falscher sein konnte. Taehyung nickte also und sah dem Anderen dabei zu, wie er sich wieder umdrehte. 

Hoseok war seltsam, das beschloss Taehyung. Er beobachtete den anderen dabei, wie dieser kurz die Schienen musterte, dann wieder weiter lief.

„Wohin gehst du?"

Taehyungs Frage verlor sich in der Stille, wie das Vogelgezwitscher in der Dunkelheit.

„Hey, warte mal! Wohin gehst du?"

Es war eine weitere Frage, die keine Antwort bekam. Taehyung betrachtete die abgetragenen und verwaschene Kleidung von Hoseok genau, bevor er hinunter zu den Schienen sprang. „Du bist nicht gerade höflich!"

„Du auch nicht! Duzt mich und stellst dich nicht mal vor, obwohl ich augenscheinlich der Ältere von uns beiden bin! Also was soll ich mit dir?" Der Mann war erneut stehen geblieben und Taehyung musste wohl oder übel zugeben, dass da etwas dran war. „Taehyung", murrte Taehyung also und verschränkte seine Arme. Es war gut Namen zu wissen, aber nicht seinen Preis zu geben. „Sagst du mir jetzt, wohin du gehst?"

Hoseok seufzte. Laut und genervt. Irgendwie interessierte es Taehyung was dieser Fremde hier machte. Hier machte nie ein Fremder irgendwas. Und wenn es nur vorbei gehen war. Nur Taehyung machte hier etwas. Er lebte immerhin hier. Allein.

„Nein." „Warum nicht?"

Der Mann zuckte die Schultern. Kreiste sie, wandte sich wieder zum Gehen zu.

„Hey!", rief Taehyung ihm nach und kletterte wieder auf den Bahnsteig um aus dem Häuschen seine Sachen zu holen. „Darf ich mit dir kommen?"

„Tu dir keinen Zwang an." Die Antwort reichte, damit sich Taehyung den Rucksack über den Rücken warf.

„Warte! Ich komm mit!"

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