Zwölftes Kapitel • Keine Erinnerungen

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Zwölftes Kapitel – Keine Erinnerungen

Oh Salazar, meine Hochzeit naht und ich könnte glücklicher nicht sein, denn will ich mir den Schmerz des Krieges in meinem rosigen Alltag nicht anmerken lassen. Mutter ist aufgeregter, als ich es je für möglich gehalten hätte, und man bedenke dabei, dass sie mit mir, der jüngsten Tochter des Hauses, nicht die erste Hochzeit ausrichtet, durch die sie eines ihrer Kinder begleitet. Doch selbst ich beginne zu träumen, von den Wolken aus nachtschwarzem, tiefdunklen Tüll in den Schneiderkammern, den sagenhaftetesten Rosenbouquets, die Mutter gemeinsam mit ihren Beraterinnen ausgeewählt hat. Und der Schmerz des Kampfes, das rote Blut an meinen Händen und die Leichen zu meinen Füßen werden unwichtig, ein Schleier aus einer fernen Welt, wenn ich daran denke, nächste Woche dort zu stehen, auf den grenzenlosen Weiten des Castor Anwesens, wo Titan und ich getraut werden sollen. Mich rötet es, vor Aufregung und Freude zugleich, wenn ich nur an diesen Tag denke.

Meredith Lestrange, 05. August 1978

12.

Als Hermine an diesem Abend zu Bett ging, sich ausgelaugt und mit leichten Kopfschmerzen die Schläfen rieb, ihre wirren Haare im Nacken zusammenband und dann mit einem leisen, unterdrückten Gähnen unter ihre blütenweiße Steppdecke schlüpfte, ließ sie den vergangenen Tag noch einmal Revue passieren. Den Vormittag, den sie gemeinsam mit Millie im Unterricht verbracht hatte, in Geschichte der Zauberei bei einem sterbenslangweiligen Vortrag des ergrauten Professor Binns, in einer Doppelstunde Verteidigung gegen die dunklen Künste, in der Hermines neue Freundin sie erfolgreich davon abhielt, Ron auch nur eines Blickes zu würdigen und Stunden später in Zaubertränke, wo der beleibte Professor Slughorn die beiden jungen Frauen und deren Arbeit in höchsten Tönen gelobt hatte. Den Nachmittag, an dem sie eiligen Schrittes die gewundenen Treppen zu Professor McGonagalls Büro hinaufgestiegen war, die Papiere und das schmale Heft abgeholt und dann das Turmzimmer mit Tränen in den tiefbraunen Augen wieder verlassen hatte. Und schlussendlich dachte Hermine an diesem Abend an sich und den einst so verhassten Draco Malfoy, wie sie in irgendeinem der leeren Klassenzimmer im sechsten Korridor gesessen und er mit zunächst gefühlsloser und schließlich immer offenerer Stimme die Dokumente ihrer Herkunft verlesen hatte. Und es war gut gewesen. Vielleicht würden sie sich auf längere Sicht ja wirklich besser verstehen, dachte Hermine. Schließlich war sie ja nun eine von ihnen, wie Draco bereits so treffend bemerkt hatte.

Hermine seufzte und ließ den Blick durch den Schlafsaal gleiten. Ihre Schlafsaalgenossinnen schliefen bereits, links und rechts von ihr atmeten laut Daphne Greengrass und das Arithmantik-Mädchen, während Millie am anderen Ende des Raumes leise vor sich hin brabbelte und sich dann geräuschvoll auf die andere Seite drehte. Nur Pansy gab keinen Ton von sich, friedlich lag die Slytherin in ihren Kissen, über deren Stoff in weichen Wogen ihre dunklen Haare flossen. Neidisch kräuselte Hermine den Mund. Wie konnte jemand beim Schlafen nur so gut aussehen? Das war doch gar nicht möglich!

Ihr Blick fiel abermals auf die Unterlagen und ihr kam in den Sinn, welch ein Durcheinander ausbrechen würde, würden die Anderen ebendiese entdecken, weshalb Hermine kurzerhand auf ihren Nachtisch langte und die beiden Pergamente samt Heft in eine der unteren, halbgeöffneten Schubladen schob. Gerade als sie das Licht löschte und sich in die weiche Decke kuschelte, verschwand der lilafarbene Einband im hölzernen Schubladenfach. Hermine schloss die Augen, doch die Kopfschmerzen, die schon am frühen Abend aufgekommen waren, wurden nur noch schlimmer. Sie harrte einige Minuten aus, doch das Ziehen in ihren Schläfen, das Pochen hinter ihrer Stirn, nahm nur noch zu. Müde erhob sie sich, schlurfte sie ins anliegende Bad und trank einen Schluck Wasser, doch jedes Mal, wenn sie ihren Kopf auch nur um Millimeter bewegte, schoss ein donnerndes Stechen durch ebenjenen, und Hermine musste die Augen zusammenkneifen, um nicht aufzukeuchen. Es dauerte lange, bis sie einschlief, denn das Pochen ließ nicht nach, und auch, als sie am nächsten Morgen ihre Bettdecke wieder zurückschlug und sich aufmachen wollte, um sich anzuziehen, spürte sie es noch immer als leichtes Ziehen in ihren Schläfen.

D e i n  S c h a t t e n  i n  m i r               • Dramione-Fanfiction •Where stories live. Discover now