a c h t

5.2K 175 16
                                    

| Josefine |

Kai starrte mich an.
Und ich starrte zurück.

Es war, als würden sich unsere Augen ein Blickduell leisten, in dem keiner freiwillig nachgeben wollte, bis Kai anscheinend urplötzlich etwas einfiel.

„FUCK!", entfuhr es ihm und er sprang auf mich zu. Völlig perplex und erschrocken wich ich zwei Schritte zurück und zischte auf, als sich mit Wucht die Türklinke in meinen Rücken bohrte. Während mir vor Schmerzen kurz die Tränen in die Augen traten, schien Kai das gar nicht zu bemerken. Der schubste mich nur grob zur Seite und begann wie ein verrückter an der Türklinke zu ziehen. Völlig verzweifelt fluchte er und zog mit aller Kraft an der grauen Metalltür. Er stemmte sogar den Fuß gegen die Wand, lehnte sich nach hinten und zog mit seinem ganzen Gewicht an der Tür, sodass sie nur so ächzte, aber sie bewegte sich keinen Zentimeter.

Völlig verwirrt schaute ich ihm dabei zu und begriff nur langsam, dass die Tür vermutlich aus einem ganz bestimmten Grund nur angelehnt gewesen war.

„Man, wie kann man nur so blöd sein.", fuhr Kai mich an, woraufhin er wütend mit dem Fuß gegen die Tür trat. „Ich, äh... ich... Es tut mir leid.", murmelte ich und war schon wieder fast den Tränen nah. „Ich konnte doch nicht wissen, dass die Tür von Innen nicht auf geht."

Kai brummte nur mürrisch. „Rosalia hatte mich extra davor gewarnt, dass die Tür sich von Innen nicht öffnen lässt und jetzt das." Die Verzweiflung schien ihm wirklich ins Gesicht geschrieben und er raufte sich mehrfach gestresst durch die braunen Haare.

Erneut wandte Kai sich der Tür zu und versuchte sie mit aller Kraft zu öffnen. Für einen kurzen Moment glaubte ich auch wirklich, dass er es vielleicht schaffen würde. Denn im Gegensatz zu mir, war Kai alles andere als ein Schwächling. Er war fast zwei Köpfe größer als ich und hätte ich nicht schon früher mit ihm Bekanntschaft gemacht, wäre er in diesem Keller bei Dämmerlicht vermutlich ein ziemlich einschüchternder Anblick gewesen. Doch als Kai nach einigen Minuten erschöpft von der Tür abließ, musste ich wohl hinnehmen, dass selbst er uns heute nicht hier rausholen würde.

Als mir das klar wurde, verschwand meine eben erst aufgetauchte Hoffnung im Nichts. Wir saßen hier fest, eingesperrt. Und das war einzig und allein meine Schuld. „Sie klemmt nicht nur oder?", fragte ich vorsichtig mit leiser Stimme, bekam allerdings nur irgendwelche wüsten Schimpfwörter als Antwort, die Kai jetzt von sich gab. Erneut trat er heftig gegen die Tür, schien dann aber einzusehen, dass weder Schimpfwörter noch Aggressionen hier eine Lösung waren. Mit versteinerter Miene drehte Kai sich zu mir um.

„Nein.", sagte er langsam. Die Kälte in seiner Stimme lies mich frösteln und ich schluckte, als er das Aussprach, was wir beide noch nicht ganz war haben wollten. „Sie ist wirklich verschlossen."

Ich blickte zu Boden, trotzdem spürte ich jetzt seinen stechenden Blick auf mir. Als ob er jetzt zum ersten Mal so richtig realisieren würde, wer hier eigentlich gerade vor ihm stand. Ja, ich konnte es auch nicht ganz glauben. Mein bester Freund, der mich irgendwann einfach weggeschickt hatte und der seit fast zehn Jahren kein Wort mehr mit mir gewechselt hatte.

Zögerlich hob ich den Kopf, seine blauen Augen fanden mein und mir lief augenblicklich ein kalter Schauer den Rücken hinab. In seinen Augen tobte ein Sturm, angetrieben von so vielen verschiedenen Emotionen. Hass, Wut, Trauer, Enttäuschung und Reue. Vermutlich könnte ich hier noch zehn weitere Dinge aufführen, die trotzdem nicht mal ansatzweise beschreiben konnten, was in ihm gerade für ein Gefühlschaos herrschen musste.

Nur um mich selber zu vergewissern streckte ich meine rechte Hand auch nochmal nach dem Türgriff aus. Doch als ich an ihr ziehen wollte, durchzuckte mich ein höllischer Schmerz. Mit schmerzverzerrtem Gesicht blickte ich hinunter auf meine Handfläche, die mit unzähligen Schnitten übersäht war.

melody of memories | kai havertz Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt