Kapitel 116

4.9K 281 9
                                    

Mario's Sicht:

Ich erhob mich ruckartig von der Couch. "Nell." murmelte ich. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich kein Stück, als sie nun die Treppe hinunterlief. Manu ging ihr die letzten Stufen entgegen und schlang stürmisch die Arme um sie. "Maus, geht's dir gut?" fragte er besorgt und drückte ihr einen Kuss auf das Haar. "Lass." fauchte sie ungeduldig und stieß Manu von sich, nur um mir einen Blick zuzuwerfen, der Bände sprach. "Mario, könnten wir kurz unter vier Augen sprechen?" fragte sie. Ihre Stimme war nicht sanft wie sonst immer. Ihre Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Ich warf meinen Eltern und Manu einen kurzen Blick zu. Sie wollten es auch hören. Alle drei. "Ich hab keine Geheimnisse." sagte ich also, was mir direkt nachdem ich es ausgesprochen hatte schon wieder leidtat. Schließlich hätte ich es vor Nell verheimlicht, wäre sie nicht zufällig hier aufgetaucht. Ihre Augen verrieten, dass sie meine Aussage für genauso bescheuert hielt, aber sie ignorierte es. "Ich wollte dich vor deinen Eltern nicht anschreien, aber wenn du so scharf darauf bist..." meinte sie grimmig und blickte ebenfalls zu meinen Eltern. Mein Vater lehnte sich jetzt vor. Gespannt darauf, was gleich kommen würde. "Ich hätte es dir doch gesagt, wenn es dir besser gegangen wäre, aber..." setzte ich an, doch sie schnitt mir das Wort ab. "Darum geht es nicht. Wie kommst du dazu, so einen Schwachsinn zu erzählen? Hat dich Manu dazu gezwungen oder was?" wollte sie wissen und deutete kurz auf Manu, der ziemlich perplex aussah. "Du glaubst mir nicht?" fragte ich. "Wieso sollte ich? Das ist völliger Blödsinn! Mein Vater und Schiebler unter einer Decke und dann vergiften sie mich auch noch! Merkst du nicht, wie hirnrissig das alles klingt?!" meinte sie aufgebracht. "Hirnrissig? Nell, du redest Blödsinn! Wie kannst du einem Menschen vertrauen, der dich 10 Jahre deines Lebens geschlagen hat?!" mischte sich Manu ein. "Du hast doch nur darauf gewartet, dass sowas passiert!" fuhr sie ihn an. Ich ging auf Nell zu. "Süße, ich sage die Wahrheit. Denkst du mir gefällt das, was ich da gehört habe?" versuche ich ruhig zu bleiben. "Bist du dir sicher, dass ihr beide mich nicht schlichtweg gegen meinen Vater aufbringen wollt? Du warst die ganze Zeit eifersüchtig, weil du mich nicht mehr für dich alleine hattest." zischte sie nun. Mir klappte die Kinnlade herunter, bevor dann auch ich sauer wurde. "Ja, ich war etwas genervt von deiner mangelnden Aufmerksamkeit an meiner Wenigkeit, aber sowas erfindet man nicht! Es passt doch alles zusammen. Denk doch mal nach!" drängte ich. "Ach, weißt du was?! Lass mich einfach." wich sie der Eskalation nun aus. "Ich geh jetzt. Zu meinem Vater." verkündete sie dann trotzig und wandte sich zum Gehen. Manu packte ihren Arm und riss sie grob zurück. "Du gehst nicht." verlangte er eindringlich. Nell blickte auf ihren Arm, der von Manu's Hand beinahe zerquetscht wurde. "Manu..." raunte ich ihm zu, doch er warf mir nur einen tötenden Blick zu. "Du bleibst bei mir, verstanden?" wiederholte er knurrend in Nell's Richtung. "Was sonst? Willst du mich dann auch schlagen, wie Dad?!" fauchte sie ihm entgegen und zerrte mit einem Ruck an ihrem Arm. Manu wich erschrocken zurück. "Ich...ich würde dich nie schlagen. Das weißt du doch." murmelte er. Sie schüttelte den Kopf. "Ich weiß gar nichts mehr." erwiderte sie. Sie warf mir noch einen Blick zu und stürmte dann Richtung Haustür. Ich brauchte einen Moment, bis ich ihr hintergehen und sie an der Tür abfangen konnte. "Nell, bitte geh nicht. Bis eben warst du noch halbtot, ich hab Angst um dich." sagte ich leise. Sie sah mir in die Augen. "Du bist so ein Arschloch. Und ich hasse es, dich zu lieben." meinte sie, hauchte mir einen kaum spürbaren Kuss auf die Wange und sah dann an mir vorbei. "Tut mir leid." meinte sie knapp und verschwand endgültig. Als ich mich umdrehte, standen dort meine Eltern. Beinahe hätte ich darüber gelacht, dass sie sich bei meinen Eltern für das 'Arschloch' entschuldigt hatte, aber ein Lachen ließ diese Situation nicht wirklich zu.
Nell's Sicht:

Natürlich hatte ich Zweifel, ob Mario wirklich log. Wer hätte das nicht? Schließlich ging es um meinen Vater, der sich in letzter Zeit schon sehr um mich bemüht hatte. Andererseits wollte ich natürlich auch Mario und Manu glauben. Weil sie nunmal die wichtigsten Menschen in meinem Leben waren. Ich hoffte, dass Mario meine Geste eben verstand. Ich prägte deswegen keinen abgrundtiefen Hass auf ihn. Ich wusste einfach nicht mehr, wie mir geschah. Manchmal fragte ich mich wirklich, ob ich gerade nur in einem Albtraum gefangen war und in Wirklichkeit noch immer in Brasilien im Krankenhaus im Koma lag. Denn seitdem war so vieles passiert, was nicht gerade als positiv einzustufen galt. Ich war so in Gedanken, dass ich gar nicht bemerkte, wie ich vor dem Gebäude aus dem Taxi ausstieg, in dem sich die Wohnung meines Vaters befand. Es war stockdunkel, mitten in der Nacht. Ich versuchte die Angst zu unterdrücken, die mir mein gruseliges Umfeld einjagte. Ich hatte mich wirklich zum extremen Schisser entwickelt. "War ich mal wieder der Trennungsgrund?" erklang es hinter mir. Sofort erstarrte ich. Ich bin allein. Hier ist keine Menschenseele. Ein Arm schlang sich langsam um meinen Hals, bis etwas kaltes meine Kehle streifte. Ich hörte meinen eigenen Atem. "Du wirst jetzt keinen Ton von dir geben, während du zu dem silbernen Mercedes da gehst und einsteigst. Hast du mich verstanden?" raunte er in mein Ohr. Ich gab ein wütendes Wimmern von mir. Er packte mich fester. "Ob du mich verstanden hast?!" wiederholte er mit Nachdruck und presste die Klinge noch mehr in meine Haut. Ich traute mich nicht einmal mehr zu schlucken. "Ja." brachte ich hervor. Er gab mir einen kleinen Schubs zu seinem Auto. Er wartete, bis ich die Tür geöffnet hatte und mich auf den Sitz hatte fallen lassen, bevor er ums Auto loef und selbst einstieg. "Wohin?" fragte ich leise, als er den Motor startete. Er warf mir nur sein Haifischgrinsen zu, ohne zu antworten. Ich zitterte vor Angst, als wir durch die Nacht fuhren. Zudem verbesserte sich mein Gesundheitszustand nicht gerade. Die Kopfschmerzen kamen wieder auf, mein Herz klopfte viel zu schnell in meiner Brust und ich hatte immer wieder kalte Schweißausbrüche. Gerade brach ich in einen Hustenanfall aus, als wir in eine verlassene Straße einbogen. Wenig später hielten wir an. Schiebler verriegelte die Türen. "Du wirst jetzt tun, was ich sage." verkündete er und wartete nur auf mein ängstliches Nicken. "Zieh das aus." forderte er und deutete auf mein Top. Ich schluckte und tat, was er verlangte. Je schneller ich das alles hinter mir hatte, desto besser. Er umfasste die Träger meines BH's mit den Händen und zog mich grob heran. Dann schob er mir seine Zunge in den Hals. Ich glaubte beinahe zu ersticken. Er ließ eine Hand sinken, um seinen Sitz nach hinten zu verstellen. Er stieß mich von sich und öffnete hektisch Knopf und Reißverschluss an seiner Jeans. Er schob sie ein Stück nach unten. "Vielleicht bist du wenigstens zu etwas gut." nuschelte vor sich hin, griff nach meiner Hand und drückte sie sich auf den Schritt. Mich würgte es, als ich durch seine Unterwäsche die Erregung spürte. Er sog einmal scharf die Luft ein und warf den Kopf in den Nacken. Er drückte meine Finger langsam zu, worauf er aufstöhnte. Die freie Hand ließ er nun über meinen Körper wandern und blieb schließlich an meinen Brüsten hängen. Ich drehte nur noch den Kopf weg und begann still und leise zu weinen. Ich war einfach am Ende, hatte meinen Tiefpunkt erreicht. Schiebler war gerade dabei, meine Hand in seine Boxershorts zu schieben, als das Klingeln eines Handys die Stille brach. Meines Handys. Ich traute mich nicht, mich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Wutentbrannt ließ Schiebler mich los und streckte die Hand nach meiner Hosentasche aus, wo er dann mein Handy herauszog. Er musterte kritisch das Display. "Wer ist das?!" wollte er wissen und hielt es mir vor die Nase. Woody stand da. "Das solltest du doch wissen." entgegnete ich sarkastisch. Hätte ich besser nicht. Ehe ich einmal blinzeln konnte, blitzte die Klinge des Messers wieder vor mir auf. "Wer. Ist. Das." wiederholte er knurrend. Das Handy klingelte immernoch. "M-Marco." antwortete ich nun doch. Er überlegte kurz. "Du gehst da jetzt ran und sagst ihm, dass alles in bester Ordnung ist, okay?" befahl er und nahm den Anruf an. Er stellte auf Lautsprecher. "Marco?" fragte ich ins Telefon. "Nell, endlich gehst du ran! Was ist denn passiert?" wollte er wissen. "Nichts... was soll denn sein?" "Mario hat mich angerufen." meinte er nur. "Achja vergiss es. Mir geht's gut." erwiderte ich knapp. "Nell, du kannst mich nicht belügen, ich hör doch, dass irgendetwas nicht stimmt." Ich warf Schiebler einen Blick zu. "Marco... hilf mir." sagte ich schnell. Bevor ich Marco's Antwort hören konnte, legte Schiebler auf. "Miststück." zischte er. Ich wartete darauf, dass er mir nun mit dem Messer irgendetwas antun würde, aber nichts dergleichen geschah. Stattdessen startete er hektisch den Motor und fuhr los. Er fuhr dieselbe Strecke zurück. Ich zog mein Top wieder an. Vor dem Haus meines Vaters stieg er aus, lief um das Auto und riss die Tür auf. Dann zerrte er mich am Arm aus dem Auto. "Nächstes mal gibt's keine Gnade." drohte er und schubste mich noch einmal heftig in Richtung Haustür. Ich stolperte über einen kleinen Vorssprung vor der Tür und landete auf dem kalten Boden. Schiebler fuhr mit quietschenden Reifen davon. Erst als ich mich gerade hinsetzte, sprang durch den Bewegungsmelder das Licht an der Tür an. Ich betrachtete meine Hände, mit denen Schiebler seine Befriedigung erlangen wollte und betastete dann meinen Hals, wo ich förmlich die kalte Klinge des Messers noch spürte. Ich brach zum zweiten Mal in Tränen aus. Ich muss wohl vor lauter heulen eingeschlafen sein, denn ich erwachte durch eine Stimme. Ich blinzelte langsam. Es dämmerte. Ich hatte höchstens zwei Stunden hier verbracht. "Hallo! Nell jetzt reagier doch bevor ich einen Krankenwagen rufe!" schrie mich die Stimme an. Ich blinzelte ein weiteres Mal, diesmal um in die Realität zurückzukehren. Marco's Gesicht erschien vor meinen Augen. "Marco...woher weißt du, dass ich hier bin?" murmelte ich ihm entgegen. Er zog mich schwungvoll auf die Beine. "Ich hab dein Handy geortet." erklärte er dabei. Er schlüpfte erstmal aus seiner Jacke und legte sie mir um die Schultern. "Was ist denn passiert? Zuerst ruft mich Mario mitten in der Nacht an und erzählt mir irgendwas von totalem Durcheinander und Schiebler und vergiften und keine Ahnung und dann ruf ich dich an und... AARGH!" redete er verzweifelt auf mich ein. "Letzte Nacht bin ich hierher abgehauen, weil Mario behauptet hat, mein Vater und Schiebler würden unter einer Decke stecken. Hier hat mich Schiebler aber abgefangen und..." Ich brach ab. Schiebler hatte mich hier abgefangen. Ausgerechnet hier? Marco schlang fest die Arme um mich. "Bitte nicht..." nuschelte er in mein Haar. "Bitte nicht was?" fragte ich, wobei ich immernoch in meinen Gedanken gefangen war. "Sei ehrlich zu mir, du musst dich nicht dafür schämen... Hat er dich vergewaltigt?" wollte er wissen. Ich löste mich ein Stück von ihm und blickte hoch in sein Gesicht. Dass er mitten in der Nacht noch hergefahren war. Er war so ein unglaublicher bester Freund. "Nein, hat er nicht. Du hast mal wieder dazwischen gefunkt." sagte ich und musste dabei sogar ein bisschen lächeln. Marco atmete erleichtert auf und drückte mir hunderte Küsschen auf die Stirn. "Marco, du kannst aufhören." lachte ich. Er grinste nur und drückte mir dann aber einen letzten Kuss auf. Diesmal aber auf die Lippen.

Marco's Sicht:

Sie blickte auf einmal ziemlich geschockt drein, als ich mich von ihr löste. Sie wurde leichenblass. "Nell, das... das war nicht ernst. Ich war nur so froh gerade und..." stammelte ich unsicher. Sie legte ihre Hand auf meine Brust. "Es ist nicht wegen dir Marco." meinte sie. "Oh, ich wusste nicht, dass du was dagegen hast wegem Mario und so. Ich dachte er wäre nicht mehr eifersüchtig auf mich, beziehungsweise dachte ich, dass du deswegen nicht gleich ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber hast und-..." plapperte ich, als sie mich unterbrach. "Marco. Bitte. Hör endlich auf zu labern. Du redest zu viel. Definitiv." "Oh, tut mir leid, ich merk das immer überhaupt nicht und dann red ich über alles was mir gerade im Kopf rum schwirrt und-" "MARCO! FRESSE JETZT!" unterbrach sie mich lauter. "Sorry." murmelte ich nun kleinlaut. "Du wolltest wissen, was los ist?" fragte sie nun. Ich nickte. "Schiebler hat mich geküsst... Mit Zunge." erzählte sie. Ich musste schlucken. "Das wird Mario nicht gefallen." sagte ich. Sie schüttelte den Kopf. "Mario soll sich da erst mal raushalten." meinte sie grimmig. "Aber..." versuchte ich zu widersprechen. "Ich muss erst mit meinem Vater reden." verkündete sie, wobei ihr Tonfall keinen Widerspruch zuließ...

Liebe stirbt nicht {Mario Götze u.A.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt