(3/7) God's Eye

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Der Wind blies ihr unangenehm in die Jacke. Am Himmel schoben sich die Wolken zu einer düsteren Masse zusammen, die Sonne versteckte sich dahinter. Das Meer wirkte jetzt aschegrau, von dem transparenten Türkis und Flaschengrün, das ihr so gut gefallen hatte, war nichts mehr zu sehen. Wie gerne hätte sie noch einen Spaziergang am Strand entlang gemacht! Es war vernünftig, diesen auf einen anderen Tag zu verschieben. Die Anis Bonbons schmeckten wunderbar, das konnte eine neue Lieblingssorte werden. Wenn sie sie in diesem ulkigen Laden bekam, war Dunfanaghy allein deswegen bereits kein Ort, den sie nur einmal besuchen würde. Sie musste sowieso wieder herkommen.

Das Wetter wirkte immer bedrohlicher. Sie hatte eine gute Strecke vor sich, dazu bergauf und über ungeschütztes Land, das konnte ungemütlich werden. Trotzdem war sie froh, dass sie den Ausflug gewagt hatte; ein wenig mit sich allein zu sein, nicht reden zu müssen und das Meer gesehen zu haben hatte ihr gut getan. Während sie am Strand entlang lief, hielt sie Ausschau nach dem kleinen Pfad, der sie in die Bucht hinunter gebracht hatte. Die Abdrücke ihrer Stiefel im regenfeuchten Sand führten sie schließlich an eine Gruppe mächtiger Felsbrocken heran, dahinter ging der schmale Weg zur Anhöhe hinauf.

Zu ihrem Glück begann der Wind tatsächlich zu drehen. Er kam jetzt von der Seite - und nicht von vorne, wie sie es für den Rückweg befürchtet hatte. Sie stopfte ihren Zopf unter den Schal, vergrub die kalten Hände in den Taschen ihrer Jacke und machte sich an den Aufstieg.
Sobald sie die Höhe erklommen hatte, schnitt ihr die Kälte scharf ins Gesicht und sie spürte erste Regentropfen auf Stirn und Wangen. Trotz der anhaltenden Steigung ging sie schneller; die verdorrte Heide ringsum zitterte unter den Böen, stoßweise fegten sie über die kahle Gegend hinweg. Den Blick entschlossen vor sich auf den Asphalt der Straße gerichtet stapfte sie mit hochgezogenen Schultern bergan. Ihr war klar, dass sie wohl kaum trocken in Shadow Hall ankommen würde. Ihre Dusche fiel ihr ein. Ihr wunderschönes, kleines, altmodisches Bad - das erste in ihrem Leben, das sie ganz für sich allein hatte. Sie würde heiß duschen, wenn sie zurück war. Der Gedanke daran wärmte sie jetzt bereits und ließ sie lächeln.

 Der Gedanke daran wärmte sie jetzt bereits und ließ sie lächeln

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Es wurde schlimmer als sie gedacht hatte. Bald kam der Wind im Wechsel von vorne und von der Seite, eisig war er und unberechenbar wie eine Herde Wildpferde. Sie musste den Mund schließen, damit es ihr den Atem nicht unangenehm wieder in die Lungen zurück drückte, ihre Haare trieften von dem schräg herab strömenden Regen und sie spürte, wie die Nässe mehr und mehr durch die Schulterpartien ihrer Jacke drang. Der Weg kam ihr auf einmal so viel länger vor als sie ihn in Erinnerung hatte. Und wie dunkel es um sie war! Die Wolkendecke hing jetzt so tief über dem Land, dass kein Licht mehr hindurch kam.
Einmal überholte sie ein Fahrzeug und sie hörte es nicht rechtzeitig, weil das Brausen des Windes ihr so laut in den Ohren lag; der Fahrer wich zur Seite aus und erwischte eine große Pfütze, die Emma gerade umlaufen wollte. Bis in Bauchhöhe spritzte ihr das Wasser an die ohnehin schon klitschnasse Jacke. Das gab ihr endgültig den Rest. Mit einem wütenden Aufschrei sprang sie zur Seite, stolperte in die rutschige Heide hinein und fiel auf den Hintern. Der Fahrer hatte es sicher nicht böse gemeint, er hätte sie ja schlecht überfahren können. Nach vorne und auf den Weg konzentriert schien er nicht zu sehen, dass ihre Begegnung sie umgeworfen hatte.

SHADOW HALL - Eine Geistergeschichte aus Irland #ThebestwriterAward2019Onde histórias criam vida. Descubra agora