Kapitel Achtzehn

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In den darauffolgenden Tagen ignoriere ich meinen Vater und gehe ihm aus dem Weg. Ich schließe mich in meinem Zimmer ein und weine. Mein bester Freund ist tot. Es wird auch keine Beerdigung geben. Nicht für mich, da ich in meiner Verfassung nicht reisen darf.

Auch nach einigen Wochen, im Frühling, halte ich mich von allen fern. Viele munkeln, dass es mit der Schwangerschaft zutun hätte, aber ich brauche einfach Zeit um den Verlust zu verarbeiten. Das betrübt mich so sehr und jeder der mich kennt, weiß wie sehr das mir zusetzt. Die einzige Person die mir Halt gibt ist Henry. Er versucht mich immer wieder aufzumuntern, jedoch scheitert er. Ich weine immer wieder wenn er versucht mich zum Lachen bringen. Ich denke immer an Antonio und unsere Kindheit. Er war mein bester Freund und jetzt ist er nicht mehr da.

Flashback

"Du wirst mich vermissen." schmunzelt er und wirft den Stein über das Wasser. "Bilde dir nichts ein." lache ich und versuche den Stein noch weiter zu werfen. Doch kurz vor meinem Ziel versinkt der kleine, weiße Stein. "Und was ist wenn ich sage, dass ich dich vermissen werde?" Er dreht sich um und zieht seine Augenbraue hoch. Ich zucke mit den Schultern und hebe einen Zweig auf. "Ich werde dich vermissen." Er grinst und nickt mir zu. "Ich dich doch auch." Ich verdrehe die Augen und schwenke den Zweig wie ein Schwert. "Ich hoffe, ich werde dort glücklich."

Er kommt auf mich zu und nimmt meine Hand. Dann schaut er mir tief in die Augen. "Natürlich wirst du das. Und wenn der Prinz dir wehtut, dann komme ich und werde ihm wehtun." Wir lachen und umarmen uns. "Vielleicht sollten wir zurück reiten. Es war ein schöner Tag. Danke Antonio, das habe ich gebraucht."

Flashback ends

Er ist weg und niemand kann ihn zurückbringen. Er kann mich nie wieder beschützen.

Melodie ist immer noch im Kerker eingesperrt. Den Berechnungen zufolge trage ich das Kind seit bald sechs Monaten in mir. Melodie trägt ihres seit fünf Monaten. Das Baby wird niemals seine Mutter kennenlernen. Bei dem Gedanke schluchze ich immer auf. Das ist nicht gerecht.

Ich darf sie nicht besuchen und in der Gegenwart des Königs nicht über sie reden. Das setzt mir sehr zu. Ich habe ab und zu Bauchschmerzen, jedoch erzähle ich Henry davon nichts, da er sich zu viele Sorgen machen würde.

Als es wieder wärmer wird, Anfang April, und der Schnee schmilzt, mache ich einen Spaziergang mit Henry. Wir unterhalten uns über den Teich, welchen er in unserem Garten anlegen will.

"Ich bin dafür, dass es ein kleiner Teich wird. Mit vielen Fischen."
Er lacht und bestätigt mit einem Nicken. "So habe ich es mir auch vorgestellt." Er nimmt meine Hand und schwenkt sie beim Gehen, hin und her. Ich blicke um uns und bemerke viele Beobachter. Ich seufze. Gerade als ich reden will, spüre ich etwas Warmes an meinem Bauch. Zuerst denke ich, dass es wieder Schmerzen sind und setze mich sofort auf eine Bank.

Ich fasse mir an die gewölbte Stelle und warte auf ein weiteres Zeichen von dem typischen Schmerz, den ich die letzten Wochen ertragen musste. Nach einer gefühlten Ewigkeit, spüre ich etwas Sanftes, was gegen mein Bauch tippt. Ich stutze. Oder sind das Tritte? Ich fange an zu lächeln und fahre mir über den Bauch. Und dann spüre ich es wieder. Diesmal fühlt es sich stärker an. Ich fange an zu Lachen und Glücksgefühle machen sich in mir breit. "Anne?" Henry setzt sich neben mich und blickt mich an. Ich grinse nur. Dann nehme ich seine Hand und lege sie auf die Stelle wo mein Baby tritt. Nachdem Henry nichts spürt, fängt er an zu reden. "Anne, ich..."

"Schh!" unterbreche ich ihn und lache nur noch breiter, als Henry ein überraschtes Gesicht macht. "Oh mein Gott." murmelt er und blickt mich fassungslos an. "Das ist unglaublich. Anne, das ist unser Kind nicht wahr?" Ich lache nur und mir kommen die Tränen. Dann weine ich sie endlich. Die Freudentränen. "Das ist einfach unfassbar schön." raunt er und blickt mich unsicher an. "Oder?"

Ich nicke und lache. "Es ist unser Baby. Henry, oh Gott, ich liebe es jetzt schon." Er lächelt stolz und fährt staunend über meinen Bauch. "Du wirst eine tolle Mutter, Schatz."

Ich muss nur noch mehr weinen und streiche auch über meinen Bauch. "Und du ein guter Vater." erwidere ich. Ich kann die Geburt kaum abwarten.

Nach dem Spaziergang werde ich zum König gerufen. Ich trete in den Saal ein. Unsicher verbeuge ich mich und schaue auf. "Ihr habt mich gerufen?" König Georg steht auf und kommt auf mich zu. "Anne. Ich wollte dich was fragen." Ich nicke und warte auf seine Frage. Er seufzt und geht hin und her. Dann bleibt er vor mir stehen. "Warum hälst du dich vom Hofe fern?" Seine Stimme klingt ruhig und sanft. "Ich weiß es nicht." murmele ich. "Mein liebes Kind, lüg mich nicht an. Bitte." Er legt seine Hände auf meine Schultern. Dann hebt er mit einer Hand mein Kinn an, sodass ich ihn anschauen muss. Er hat die gleichen blauen Augen wie Henry. "Liegt es daran, dass du Melodie nicht sehen darfst?"
Soll ich ihm die Wahrheit sagen? Er würde es erfahren, er würde es in meinen Augen sehen. Ich nicke. "Aber mein Kind, du könntest alle Freundinnen auf der Welt haben. Warum scherst du dich um sie? Sie hat Unzucht betrieben, bevor sie überhaupt vermählt wurde!" Ich merke, wie die Wut in mir hochkocht. "Sie ist die beste Freundin die man sich wünschen kann, mein König. Natürlich mache ich mir Sorgen. Und sie hat keine Unzucht betrieben, sie hat geliebt." Er stutzt und schaut mir tief in die Augen. Sucht nach einem Zeichen des Scherzes, findet jedoch keine. "Gut, dann sei dir der Besuch gewährt. Jedoch bedenke, schöne Anne: Wenn man Tote besucht, macht es alles nur noch schlimmer." Mit diesen Worten dreht er sich um, und ich verlasse den Saal.

Am Abend schauen Henry und ich uns Babykleidung an. Mein Blick wandert zu einem Kleidchen. "Henry, wärst du enttäuscht wenn es ein Mädchen wäre?" Er schaut mich stirnrunzelnd an und schüttelt den Kopf. "Warum sollte ich? Es ist unser Kind, egal ob es ein junger Mann oder eine Dame ist. Mir ist es herzlichst egal."Ich grinse und fahre über den Stoff. "Und was ist mit dir?" Henry legt seine Hand auf meine und blickt mir tief in die braunen Augen. "Ich will, dass es gesund ist." hauche ich und lehne mich zurück.




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