23 - Fehler -

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„Stopp", höre ich Carina murmeln und dann energischer „Ava, stopp".
Ich höre auf, sie zu küssen und sehe sie an. Plötzlich sieht sie so verletzt aus, wie ich sie noch nie in meinem Leben gesehen habe. Oh Gott, was habe ich getan? Ich wollte ihr nicht wehtun, niemals.
Ich will fragen, was los ist, doch Carina unterbricht mich. Ein paar stille Tränen rinnen ihr über die Wangen.
„Was - was ist das an deinem Finger, Ava?"
Ihre Frage trifft mich mit voller Wucht. Ihre Frage, ihr gequälter Blick, unsere Knie die sich noch leicht berühren und meine Hand mit meinem Verlobungsring, die schuldbewusst zwischen uns liegt.
„Ich-"
„Bist du verlobt?", unterbricht Carina mich. Und weil ich nichts sage wiederholt sie es nochmal lauter. In ihrer Stimme liegt eine Eiseskälte, die mir das Blut in den Adern gefrieren lässt.
Ich kann ihr nicht antworten, ich sitze einfach nur wie versteinert da und reagiere gar nicht. Aber das scheint Carina Antwort genug zu sein. Sie tastet nach ihrer Brille, die sie abgenommen hat und streift ihr T-shirt über. Ihr T-shirt das eigentlich mein T-shirt ist. Ihre Tränen fließen immer noch. Wütende Tränen. Ich kann mir vorstellen, wie sehr sie auf der Haut brennen. Und dann bemerke ich, dass es nicht meine Vorstellungskraft ist, sondern, dass ich selbst auch weine.
„Ich bin verlobt", presse ich schließlich hervor. Ich sage es so, als würde es mich überraschen, als wäre es eine Frage. Carina gibt einen erstickten Laut von sich und wirft mich mit einem T-shirt ab. Sie trifft mich unsanft am Kopf. Die Gewissheit darüber, dass sie es mir nicht zuwerfen wollte, sondern, dass sie mich abwerfen, mich verletzen wollte, schmerzt mehr, als der Aufprall.
„Zieh das an", verlangt sie, ohne mich anzusehen. Ihre Stimme ist kalt, tonlos und zerschneidet die Luft wie ein Messer.
Ich tue was sie sagt. Ich würde gerade alles tun, was man mir sagt. Ich bin wie eine leere Hülle, unfähig erwas zu tun, außer Befehlen zu gehorchen.
„Carina...ich...es tut mir leid-"
„Es tut dir leid ?" Carina schnaubt verächtlich. „Ist dir eigentlich bewusst was du da tust? Was du mir antust? Was du deiner - deiner Freundin antust?" Mit jedem Wort bricht ihre Stimme ein Stückchen mehr. Ich kann sie nicht ansehen. Denn mit jedem Wort zerbricht auch mein Herz in ein weiteres Stück. Carina tigert durch den Raum und rauft sich die Haare. „Ich hätte dich doch niemals angerührt, hätte ich das gewusst! Gott, ich fühle mich so schlecht deiner Freundin gegenüber" Ich weiß nicht, ob sie mit mir oder mit sich selbst spricht.
Und ich beginne zu realisieren. Was ich gerade tue. Wie viel Schmerz ich allen zufüge, einschließlich mir.
„Es war ein Fehler", sage ich und Carina sieht mich mit einem schmerzerfüllten Ausdruck an. „Das bin ich also für dich? Ein Fehler? Hattest du vor, es mir je zu sagen?" Sie spricht leise, trotzdem spüre ich die Schärfe. Ich antwortete nicht auf die zweite Frage, weil ich selbst nicht weiß, was ich vorhatte.
„Nicht du warst ein Fehler. Es war ein Fehler, dass ich hierhergekommen bin. Es war ein Fehler, dass ich eine Schülerin war, die sich in eine Lehrerin verliebt hat. All das war ein Fehler. Ich war der Fehler. Aber nicht du", sage ich.
Carina steht gelähmt im Zimmer. Ich stehe mühsam vom Bett auf und ziehe meine Schuhe an, dann schultere ich meine Tasche, bevor ich ihr gegenüber trete.
„Nicht", haucht Carina. „Nein, du bist kein Fehler" und streckt ihre Hand nach mir aus, welcher ich ausweiche.
Ich kann meinen Tränenfluss nicht aufhalten. „Ich-ich schicke dir Geld für all das hier", stammle ich.
„Du hast weder meine Adresse, noch meine Kontonummer", antwortet Carina ein wenig kühn.
„Dann gib sie mir", verlange ich.
„Nein"
Sie blickt mich herausfordernd an.
„Es gibt Telefonbücher", fällt mir ein. „Ich gehe"
Carina hält meinen Arm fest. „Nimm mein Auto", bittet sie.
Ihre Hand auf meinem Arm fühlt sich an wie Feuer, ich halte die Berührung kaum aus. Wir sehen uns an und ich versinke in ihren warmen Augen, warm trotz ihrer Wut, ein letztes Mal, wie mir in dem Moment bewusst wird.
„Ich habe keinen Führerschein", sage ich.
„Lüg mich nicht an"
„Na gut. Ich kann das nicht annehmen"
Sie schüttelt den Kopf, aber drängt mich nicht weiter. Ich reiße mich los von ihr. Ihre Hand hinterlässt einen weißen Abdruck auf meinem Arm.
Verstohlen wischt sie die Tränen unter ihren Augen weg.
„Wie heißt deine Verlobte?"
Meine Tränen strömen immer noch an meinen Wangen hinunter und mein Herz fühlt sich an, als würde jemand ein Messer darin herumdrehen.
„Lilou", flüstere ich.
Dann fällt die Zimmertür hinter mir ins Schloss und ich renne. So wie heute Morgen. Nur bin ich dieses Mal überzeugt, in die richtige Richtung zu rennen.

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